Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2009, 12 Sa 308/09
Orientierungssatz
Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats mit dem Problemschwerpunkt Zumutbarkeit des Änderungsangebots
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. Januar 2009 – 14 Ca 6902/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.
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Die Beklagte gibt im Auftrag der A, deren 100%ige Tochter sie ist, deren gängige Fernsprechverzeichnisse heraus. In … unterhält sie einen Betrieb mit 140 – 150 Arbeitnehmern.
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Der am … geborene, ledige und einem schwerbehinderten Kind unterhaltspflichtige Kläger steht seit dem 1.01.1994 in Diensten der Beklagten. Dabei war er zunächst bis September 1999 als Sachbearbeiter in der Abteilung „Vermarktung elektronischer Verzeichnisse“, danach bis Februar 2003 als Referent in der Abteilung „Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ und sodann als Referent in der Abteilung IT-Service beschäftigt. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt € 4.288,66 brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden (Vollzeit). Der Kläger ist Ersatzmitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und nahm als solches zumindest am 18.12.2007 an einer Betriebsratssitzung teil.
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Als Referent „Marktkommunikation, PR, HR“ war der Kläger bis Ende 2002 mit der Ausführung der Tätigkeiten eingesetzt, die in der als Anlage B 3 (Bl. 68 d. A.) zum Schriftsatz der Beklagten erster Instanz vom 7.11.2008 aufgeführt sind. Mit Schreiben vom 2.01.2003 (Bl. 87 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger zunächst mit, dass infolge des Projekts „Effizienzsteigerung 2002“ auch sein Arbeitsplatz weggefallen sei. Mit Schreiben vom 13.02.2003 (Bl. 104 d. A.) korrigierte sie ihre Mitteilung dahingehend, dass wesentliche Teile seines Aufgabenbereichs erhalten bleiben könnten, dass jedoch die Konzeptionierung und Pflege des Internetauftritts vom Bereich „Marktkommunikation“ in den Bereich „IT-Service“ verlagert werde. Damit einher ging die Umsetzung des Klägers als Referent „IT-Service“. Der Aufgabenbereich des Klägers reduzierte sich ab 2003 derart, dass er nur noch zu etwa 50 % seiner Arbeitszeit ausgelastet war. Zur Entwicklung seines Tätigkeitsbereichs wird auf die Stellenbeschreibungen vom 20.11.2003 (108 d. A.) und vom 19.12.2007 (Bl. 109 d. A.) Bezug genommen. Im Jahre 2006 verlagerte die Beklagte die Teilaufgabe „Kundenanfragen bearbeiten (e-mail)“, die etwa 5 % der Arbeitszeit ausmachte, in die Abteilung „Logistik & Services“.
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Die Parteien sprachen in den Mitarbeitergesprächen am 21.04.2005 und am 5.04.2006 darüber, dass dem Kläger zum Ersatz der weggefallenen Aufgaben zusätzlich andere Tätigkeiten übertragen werden sollten. Dabei wurde ihm vorgeschlagen, einen Internetprogrammierkurs zu belegen und sich in die Internet- und SAP-Programmierung einzuarbeiten. Bis ins Jahr 2007 gelangten die Parteien jedoch zu keiner Vereinbarung über zusätzliche oder gänzlich andere Aufgaben für den Kläger. Schließlich bot die Beklagte ihm mit Schreiben vom 24.05.2007 an, entweder die Wochenarbeitszeit von 38 auf 20 Stunden zu reduzieren oder das Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer Abfindung aufzuheben. Der Kläger lehnte beides ab.
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Mit Schreiben vom 28.05.2008 (Bl. 119 d. A.) beantragte die Beklagte die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Der Kläger war ab dem 8.09.2008 für mehrere Monate arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 10.09.2008 (Bl. 183 d. A.), zugegangen am 15.09.2008, beantragte die Beklagte erneut die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Änderungskündigung. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 16.09.2008 (Bl. 185 d. A.) mit, dass er nicht zustimme.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 30.09.2008, dem Kläger am selben Tag zugegangen, außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.04.2009, verbunden mit dem Angebot, den Kläger als Sachbearbeiter in der Abteilung „Logistik & Services“ zu einem Bruttomonatsgehalt nach Vergütungsgruppe Va in Höhe von € 2.889,26 und der Zahlung einer Zulage in Höhe von € 138,26 weiter zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an.
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Wegen des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 7.01.2009 – Az. 14 Ca 6902/08 – Bezug genommen (Bl. 252 – 257 d.A.).
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Beklagte den teilweisen Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers als Referent „IT-Services“ (Bl. 258 – 265 d. A.) nicht hinreichend nachprüfbar dargelegt habe.
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Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 23.01.2009 zugestellt worden ist, am 17.02.2009 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.04.2009 am 20.04.2009 begründet.
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Die Beklagte behauptet, infolge des Projekts „Effizienzsteigerung“ habe sie bestimmte Aufgabenfelder nicht mehr bearbeitet oder an Drittunternehmen vergeben. Das habe im Betrieb zum Wegfall von Aufgaben und zur Verdichtung der Aufgabenfelder geführt. Die beim Kläger entfallenen Aufgabenfelder Messekonzeption und Messebeteiligungen planen und realisieren, Messeerfolgskontrollen durchführen haben 35 – 40 %, die Aufgabenfelder CI/CD-Richtlinien von bearbeiten und überwachen sowie Standardanzeigen entwickeln und einsetzen ca. 10 % und Anfragen bearbeiten (e-mail) ca. 5 % des Arbeitsumfangs des Klägers ausgemacht. Zur Zumutbarkeit des Änderungsangebots behauptet die Beklagte, andere für den Kläger infrage kommende Möglichkeiten zur Vollzeitbeschäftigung habe es nicht mehr gegeben. Die Möglichkeiten zur weiteren Qualifizierung im IT-Bereich habe der Kläger nicht genutzt bzw. unter Hinweis darauf, seine Zukunft mehr im Marketing zu sehen, verweigert. Bei der angebotenen Stelle habe sie die tariflich höchstmögliche Vergütung angeboten.
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Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 17.04.2009, den Schriftsatz vom 24.09. 2009 und ihre zu Protokoll gegebenen Erklärungen vom 7.10.2009 Bezug genommen (Bl. 282 – 297, 319 – 340 u. 387 d. A.).
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 7.01.2009, Az. 14 Ca 6902/08 die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags das arbeitsgerichtliche Urteil. Er ist auch im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der Berufung der Ansicht, dass ein betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung nicht substantiiert vorgetragen worden sei. Der Kläger behauptet, er sei zur Weiterqualifizierung im Bereich der Internet- und IT-Programmierung bereit gewesen. Das hätte ihn dauerhaft in die Lage versetzt, eine Vollzeittätigkeit auszuüben. Dies sowie weiter, dass die Beklagte weder die Möglichkeiten, ihm Tätigkeiten von Leiharbeitnehmern zu übertragen oder sich von beurlaubten Beamten zu trennen, geprüft habe, machten das Änderungsangebot der Beklagten mit einer um zwei Vergütungsgruppen niedrigeren Eingruppierung und Vergütung für ihn unzumutbar. Außerdem ist er der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei, weil die Beklage den Betriebsrat nicht vollständig informiert, die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und keine Sozialauswahl durchgeführt habe.
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Wegen des weiteren Vortrags des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29.05.2009 und vom 30.10.2009 (Bl. 299 – 313 u. 424 – 432 d. A.) und seine zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 7.01.2009 ist gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 u. 3 ZPO).
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Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die Änderungskündigung vom 30.09.2008 ist unwirksam und hat weder die vertraglich geschuldete Tätigkeit noch die Vergütung des Klägers mit Ablauf des 30.04.2009 wirksam geändert; denn es ist kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die ausgesprochene betriebsbedingte Änderungskündigung gegeben.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung beträchtlich und gehen über die Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung deutlich hinaus (BAG 28.05.2009 – 2 AZR 844/07- NZA 2009, 954; 27.11.2008 – 2 AZR 757/07; 2.03.2006 – 2 AZR 64/05) Bereits bei einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzunehmen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG 21.09.2006 – 2 AZR 120/06 AP 86 zu § 2 KSchG 1969; 21.2.2002 – 2 AZR 556/00; 16.5.2002 – 2 AZR 292/01 EzA zu § 2 KSchG Nr. 45, 46). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsvertrages entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.
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Für die außerordentliche Kündigung müssen demgegenüber erheblich verschärfte Maßstäbe gelten. Andernfalls bliebe der vereinbarte oder gesetzlich eingeräumte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos. Der besonderen Bindung muss der Arbeitgeber insbesondere bei der Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Nicht jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob das unternehmerische Konzept die vorgeschlagenen Änderungen erzwingt, ob diese unabweisbar notwendig und dem Arbeitnehmer zumutbar sind oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen durchsetzbar bleibt.
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Diese Anforderungen bedeuten für die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess, dass aus seinem Vorbringen deutlich erkennbar sein muss, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt hat.
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Ausgehend von den hier ausgeführten Grundsätzen liegt zwar ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor, weil der Kläger, der eine Vollzeitstelle innehat, durch den Wegfall von Arbeitsaufgaben nur noch zu 50 % ausgelastet ist. Dem Kläger ist jedoch unter den besonderen Bedingungen des Falles eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf einer um zwei Vergütungsgruppen niedriger eingruppierten und dotierten Stelle nicht zumutbar.
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1. Das betriebliche Erfordernis iSd § 1 Abs. 2 KSchG ist darin zu sehen, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger im Zuge des Projekts „Effizienzsteigerung 2002“ bereits im Jahre 2003 um 50 % entfallen ist. Der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses um 50 % ist im Ergebnis als unstreitig anzusehen.
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Die Beklagte hat den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Sie hat ausgeführt, welche Teile der Arbeitsaufgaben des Klägers zu Beginn des Jahres 2003 und – geringfügig – noch im Jahre 2006 entfallen sind. Sie hat dazu angegeben, in welchem prozentualen Umfang im Verhältnis zur Gesamttätigkeit diese Aufgaben angefallen sind, des Weiteren, ob und warum diese Aufgaben ersatzlos weggefallen oder auf andere Abteilungen übertragen wurden. Angesichts des geringen zeitlichen Umfangs besteht nicht zu befürchten, dass die anderen Abteilungen zugewachsenen Arbeiten von den dort tätigen Arbeitnehmern nicht ohne unzulässige zusätzliche Belastung durchgeführt werden könnten. In jeder der genannten Abteilungen sind nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten zwischen 6 und 9 Arbeitnehmer beschäftigt, die sich die Ausführung der Aufgaben aufteilen können. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, im Einzelnen vorzutragen, welcher Arbeitnehmer konkret welche Aufgabe ausführt. Die Beklagte hat damit eine auf dem im Wege des Interessenausgleichs zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber installierten Projekts „Effizienzsteigerung 2002“ fußende Umsetzung einer Unternehmerentscheidung vorgetragen, die weiteren Vortrag dazu, wer wann welche Entscheidung getroffen hat, nicht mehr erforderlich macht.
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Der Kläger ist den Ausführungen der Beklagten zum Wegfall seiner Arbeitsaufgaben um 50 % im Wesentlichen durch Bestreiten mit Nichtwissen entgegengetreten. Das ist hier allerdings gemäß § 138 Abs. 4 ZPO kein hinreichendes und zulässiges Bestreiten; denn die Behauptungen der Beklagten betreffen eigenes Handeln des Klägers und Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung. Der Kläger hätte seinerseits Angaben dazu machen können, ob er die von der Beklagten als weggefallen behaupteten Arbeitsaufgaben – Messekonzeption und Messebeteiligungen planen und realisieren; Messeerfolgskontrolle durchführen; CI/CD-Richtlinien von B erarbeiten und überwachen; Standardanzeigen entwickeln und einsetzen, später noch entfallen: Anfragen bearbeiten (e-mail) – ab 2003 noch ausgeführt hat, in welchem Umfang diese Arbeiten im Verhältnis zur Gesamttätigkeit angefallen sind und ob diese auf andere Abteilungen verlagerten Teile seiner Aufgaben bei der Erledigung zu überobligatorischen Mehrbelastungen geführt haben; denn der Kläger war weiter im Betrieb tätig und zudem – teilweise aktives – Ersatzmitglied des Betriebsrats. Er konnte über die Dauer von mehr als 5 Jahren sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Durchführbarkeit des teilweisen Wegfalls bzw. der Umverteilung seiner Arbeitsaufgaben miterleben und beobachten.
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2. Die Kündigung scheitert jedoch daran, dass das Änderungsangebot angesichts des Verlaufs des Arbeitsverhältnisses seit Beginn des Jahres 2003 für den Kläger nicht zumutbar war. Danach erscheint es vielmehr der Beklagten als zumutbar, den Kläger bis zur nächsten Möglichkeit des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung weiter zu den bisherigen Bedingungen zu beschäftigen. Die Notwendigkeit, das Arbeitsverhältnis nach mehr als fünf Jahren der Andauer des betrieblichen Erfordernisses gerade zu einem Zeitpunkt kündigen zu müssen, da es wegen des nachwirkenden Kündigungsschutzes des Klägers als Betriebsratsmitglied (§ 15 Abs. 1 KSchG) nur unter deutlich erschwerten Bedingungen außerordentlich kündbar ist, unbedingt zu beenden, erschließt sich dem Gericht nicht. Das lange Andauern des Kündigungsgrundes und die jahrelange bedingungslose Zahlung der vollen Vergütung durch die Beklagte lassen das vorgetragene betriebliche Erfordernis nicht als tragfähige Grundlage für die Annahme eines wichtigen Grundes erscheinen. Die Beklagte hat dem Umstand, dass der Kläger nicht voll ausgelastet war, über Jahre selbst nicht die Bedeutung beigemessen, die als Voraussetzung für die Annahme eines wichtigen Grundes erforderlich wäre. Das wird aus Folgendem deutlich: Die Parteien des Interessenausgleichs zum Projekt „Effizienzsteigerung 2002“ vom 3.12.2002 (vorgelegt von der Beklagten, Bl. 341 – 348 d. A.) haben in § 7 gemeinsam erkannt, dass mit der Umsetzung der Maßnahmen ein „Qualifizierungsbedarf für den hierfür notwendigen Personalkörper besteht“ und weiter geregelt: „dieser Bedarf ist zeitnah … zu ermitteln, die sich aus dieser Analyse ergebenden Weiterbildungsmaßnahmen sind zügig umzusetzen“. Die hier geforderte zügige Umsetzung von Weiterbildungsmaßnahmen hat im Falle des Klägers offensichtlich nicht stattgefunden, die Beklagte hat sich der Sache des Klägers nicht mit der vom Interessenausgleich geforderten Eile und dem entsprechenden Nachdruck angenommen. Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Möglichkeit der Qualifizierung in Form von Schulungen zur Internet- und SAP-Programmierung in den jährlichen Mitarbeitergesprächen in den Jahren 2005 und 2006 von ihr angesprochen und vorgeschlagen worden. Zu diesen Zeitpunkten waren die Arbeitsaufgaben des Klägers schon seit 2,5 bzw. 3,5 Jahren um 50 % reduziert. Sollte der Kläger sich tatsächlich nicht nur hinhaltend verhalten, sondern – wie die Beklagte behauptet – sich erkennbar geweigert haben, sich im IT-Bereich weiterzubilden, hat sie auch diese Haltung des Klägers über insgesamt 4,5 Jahre hingenommen, bevor sie ihm mit den im Schreiben vom 24.05.2007 unterbreiteten Angeboten erstmals unzweifelhaft vor Augen geführt hat, worauf sich aus ihrer Sicht die Optionen des Klägers in diesem Arbeitsverhältnis ohne Weiterbildungsmaßnahmen verengt haben. Die Beklagte hätte den Kläger zwar nicht formal abmahnen, ihm aber auf jeden Fall schon viel früher klar machen müssen, dass ohne Weiterbildungsmaßnahmen der Bestand des Arbeitsverhältnisses in seiner bisherigen Form gefährdet ist, um nunmehr, 5.5 Jahre später, die Konsequenz aus der Haltung des Klägers im Wege einer außerordentlichen Kündigung durchsetzen zu können. Ihr eigenes Verhalten belegt, dass der Kündigungsgrund, die volle Vergütung des Klägers bei nur 50 % Arbeitsleistung, von ihr selbst mit verursacht und für sie über eine lange Zeit nicht von so großem Gewicht war. Daraus folgt, dass die nunmehr beabsichtigte Herabsetzung der Vergütung um zwei Vergütungsgruppen nach dem strengen Maßstab der außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung dem Kläger nicht zumutbar ist. Es ist der Beklagten angesichts ihres eigenen Verhaltens über Jahre hinweg, auch angesichts der Regelungen zur Mitarbeiterqualifizierung im Interessenausgleich, zumutbar, den bisherigen Zustand aufrecht zu erhalten, bis sie dem Kläger – der nur Ersatzmitglied im Betriebrat ist – wieder ordentlich kündigen kann.
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Die Kündigung ist daneben weder wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG), noch wegen der Nichteinhaltung der Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. BGB) oder dem Unterbleiben einer Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) unwirksam. Da die Kündigung schon aus den oben ausgeführten Erwägungen unwirksam ist, wird von weiteren Ausführungen zu diesen Punkten abgesehen.
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Die Beklagte hat gemäß §§ 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
31
Es besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG).