LAG Frankfurt – 16 Sa 890/09

Fristlose Kündigung – vorgetäuschte Erkrankung – Erschleichen von Entgeltfortzahlung – Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 08.02.2010, 16 Sa 890/09

Leitsatz

1. Es kann einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fern bleibt und sich Lohnfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Erkrankung handelt.

2. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn der Arbeitnehmer sich gegenüber seinem Vorgesetzten als „psychisch und physisch topfit, aber nicht für das St. V.“ bezeichnet.

3. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, im Einzelnen vorzutragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat (BAG 26.8.1993 – 2 AZR 154/93). Hierfür reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer vorträgt, der Arzt habe das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit fachgerecht indiziert und attestiert.

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten werden das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 26. März 2009 – 2 Ca 510/08, das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Mai 2009 – 2 Ca 510/08 – und das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 2. Juli 2009 – 2 Ca 510/08 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, Weiterbeschäftigung und die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung.

2

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der am XX.XX.19XX geborene, verheiratete Kläger ist seit 1. November 1985 nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages Blatt 48 der Akten als Krankenpfleger, zuletzt in der Zentralsterilisation, zu einer Bruttomonatsvergütung von 2689,28 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Die Zentralsterilisation wird geleitet von dem Mitarbeiter eines externen Unternehmens, Herrn B. Außer dem Kläger ist in diesem Bereich eine weitere Mitarbeiterin, Frau A, beschäftigt. Sowohl der Kläger als auch Frau A waren seit 14. Oktober 2008 arbeitsunfähig krank. Der Kläger erschien jeweils am Freitag vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeit bei dem Zeugen B und teilte diesem mit, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei. Über den Besuch des Klägers vom 31. Oktober 2008 verfasste Herr B am 6. November 2008 ein Schreiben an die Personalabteilung, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf Blatt 10 der Akten verwiesen wird. Am 7. November 2008 kam es zu einem weiteren Besuch des Klägers in der Zentralsterilisation, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sich der Kläger so, wie aus dem Schreiben von Herrn B an die Personalabteilung vom 7. November 2008 (Blatt 9 der Akten) ersichtlich geäußert hat. Der Kläger war aufgrund einer am 7. November 2008 erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 16. November 2008 weiterhin durch seinen behandelnden Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 11. November 2008 hörte die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an (Blatt 25, 26 der Akten). Die Mitarbeitervertretung gab hierzu keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 17. November 2008, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen hat der Kläger am 19. November 2008 Kündigungsschutzklage erhoben.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung liege nicht vor; die bei der Beklagten gebildete Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Kläger hat behauptet, er habe sich am 7. November 2008 zwischen 7:50 Uhr und 8:00 Uhr zu seinem Arzt, Dr. C, begeben der festgestellt habe, dass der Kläger weiterhin arbeitsunfähig krank sei. Sodann habe der Kläger sich zur Geschäftsstelle seiner Krankenkasse begeben und dort gegen 8:15 Uhr einen Durchschlag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgegeben. Anschließend habe er das Betriebsgebäude der Beklagten aufgesucht und bei der Personalabteilung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Briefkasten eingeworfen. Dies sei gegen 8:25 Uhr gewesen. Sodann sei er in die Zentralsterilisation gegangen, um sich nach dem Dienstplan für die Woche ab 16. November 2008 zu erkundigen bzw. den aushängenden Plan einzusehen. Dabei habe er Herrn B getroffen. Bei dieser Gelegenheit habe er mitgeteilt, dass er psychisch wieder fit sei, aber physisch noch nicht wieder ausreichend hergestellt sei, so dass er erst ab 19. November 2008 wieder arbeiten könne. Er habe bei dieser Gelegenheit weder gelacht noch die von der Beklagten behauptete Äußerung getan.

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Der Kläger hat beantragt

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1.festzustellen dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. November 2008 nicht aufgelöst wurde;

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2. festzustellen dass das Arbeitsverhältnis über den 17. November 2008 hinaus fortbesteht;

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3. die Beklagte zu verurteilen den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Krankenpfleger oder Mitarbeiter in der Zentralsterilisation zu beschäftigen;

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4. die Beklagte zu verurteilen den Kläger Vergütungsabrechnungen für die Monate Dezember 2008, Januar und Februar 2009 zu erteilen und auszuhändigen;

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5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.014,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1162,45 € brutto seit 1. Dezember 2008, aus weiteren 5828,56 Euro seit 1. Januar 2009, aus weiteren 2804,63 € brutto seit 1. Februar 2009, aus weiteren 2804,63 € brutto seit 1. März 2009, aus weiteren 2804,63 € brutto seit 1. April 2009 und aus weiteren 2804,63 € brutto seit 1.Mai 2009, abzüglich am 11. Dezember 2008 erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 505,70 €, abzüglich am 19. Dezember 2008 erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1167 €, abzüglich am 26. Januar 2009 erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 933,60 €, abzüglich am 23. Februar 2009 erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1167 €, abzüglich am 1. April 2009 weiterhin erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1167 € und abzüglich am 1. Mai 2009 erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1167 € zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe, als Herr B ihn am 7. November 2008 gefragt habe, ob er am Montag mit ihm rechnen könne, geäußert: „Wo denkst du hin, solange das hier nicht vernünftig läuft, hole ich mir erst noch mal einen gelben Schein. Bei diesem Zustand hier bin ich nach zwei Tagen wieder erschöpft. Mir geht es richtig gut, ich bin psychisch und physisch so fit wie noch nie, aber nicht für das St. D!“

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Das ArbGer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B und den Kläger informatorisch gehört. Mit Teilurteil vom 26. März 2009 (Blatt 98 bis 102) hat das ArbGer dem Kündigungsschutzantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 30. April 2009 zugestellt. Die Berufungsschrift -die Berufungsbegründung enthaltend- ist am 6. Mai 2009 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Mit Teilurteil vom 12. Mai 2009 (Blatt 116 bis 120 der Akten) hat das ArbGer dem Zahlungsantrag in Höhe von 14.889,63 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Urteil wurde der Beklagten am 19. Mai 2009 zugestellt. Die Berufungsschrift -die Berufungsbegründung enthaltend- ist am 2. Juni 2009 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Mit Schlussurteil vom 2. Juli 2009 (Blatt 165 bis 167 der Akten) hat das ArbGer dem Zahlungsantrag in Höhe von 2804,36 € nebst Zinsen stattgegeben; ausweislich des Tatbestands dieses Urteils ist Gegenstand des Schlussurteils die Zahlung der Vergütung für den Monat April 2009 und ein über 80,84% der Monatsvergütung hinausgehendes Weihnachtsgeld. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 13. Juli 2009 zugestellt. Die Berufungsschrift -die Berufungsbegründung enthaltend- ist am 22. Juli 2009 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

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Die Beklagte rügt die Beweiswürdigung durch das ArbGer. Der Zeuge B habe den Beklagtenvortrag im Rahmen seiner glaubhaften Aussage bestätigt.

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Die Beklagte beantragt,

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das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 26. März 2009 -2 Ca 510/08, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Mai 2009 -2 Ca 510/08 – und das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 2. Juli 2009 – 2 Ca 510/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt die Entscheidungen des Arbeitsgerichts als zutreffend.

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Ergänzend trägt er vor, dass er am 7. November 2008 nach Einschätzung des ihn behandelnden Arztes Dr. C weiterhin arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und dieser Umstand dazu geführt habe, dass Herr Dr. C am 7. November 2008 medizinisch fachgerecht indiziert, das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis einschließlich Freitag, 16. November 2008, feststellte und dies dem Kläger attestierte. Diese Erkrankung sei der Grund für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis 16. November 2008 gewesen. Der Kläger befreit insoweit seinen behandelnden Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht.

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Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B und den Kläger informatorisch gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Februar 2010, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Berufungen sind statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2 b und c Arbeitsgerichtsgesetz. Sie sind auch form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.

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II. Die Berufungen sind begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 17. November 2008 zu diesem Termin.

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1. Nach § 16 AVR, § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Überprüfung des wichtigen Grundes erfolgt in zwei Stufen: Ist ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet einen wichtigen Grund abzugeben, ist sodann zu prüfen, ob eine Abwägung der konkret berührten Interessen die Kündigung rechtfertigt. Hierbei sind die Interessen des Kündigenden an der Auflösung den Interessen des Kündigungsempfängers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzustellen.

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Es kann einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB, § 16 AVR zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fern bleibt und sich Lohnfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Erkrankung handelt (BAG 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – BAGE 74, 127, Randnummer 32). Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, begründet dies in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und gegebenenfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern (BAG a.a.O. Rn. 36). Ist es dem Arbeitgeber allerdings gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor der Vorlage des Attestes bestand. Es ist Sache des Arbeitnehmers nunmehr angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat.

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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Beweiskraft das Attest des Arztes Dr. C vom 7. November 2008 erschüttert. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger am selben Tag gegenüber dem Zeugen B erklärt hat, er sei physisch und psychisch wieder topfit, aber nicht für das St. D. Dies hat der Zeuge B bei seiner Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht ausgesagt. Der Zeuge B ist glaubwürdig. Allein der Umstand, dass der Klägerin sich bereits am 6. November 2008 wegen eines Vorfalls vom 31. Oktober 2008 bei der Personalabteilung über den Kläger beschwert hatte, begründet keine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Dies rechtfertigt keineswegs den Schluss, der Zeuge B wolle den Kläger der Wahrheit zuwider einer Arbeitsvertragsverletzung beschuldigen. Vielmehr zeigt das Verhalten des Zeugen B, dass er nicht bereit war das – aus seiner Sicht – vertragswidrige Verhalten des Klägers hinzunehmen. Die Aussage des Zeugen B ist auch glaubhaft. Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht konnte sich der Zeuge noch ganz deutlich an die Äußerung des Klägers erinnern. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht auch, dass der Zeuge auch nach so langer Zeit noch erregt über die Äußerungen des Klägers vom 7. November 2008 ist. Gerade diese Emotionalität belegt, dass der Zeuge B nicht etwa sein Schreiben an die Personalabteilung vom 7. November 2008 auswendig gelernt hat, sondern dass die Aussage Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung ist. Der Glaubhaftigkeit der Aussage steht nicht entgegen, dass der Kläger sich an Einzelheiten der Rahmenhandlung nicht mehr so genau erinnern kann. Es ist ein typischer Vorgang, dass das Kerngeschehen im Gedächtnis des Zeugen genau verhaftet bleibt, während die Rahmenhandlung in der Erinnerung verblasst. Die Kammer hat jedenfalls keinen Zweifel daran, dass der Kläger sich am 7. November 2008 gegenüber dem Zeugen B als „psychisch und physisch topfit, aber nicht für das St. D“ bezeichnet hat.

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Zwar hat der Kläger in seiner informatorischen Anhörung bestritten, dass diese Äußerung gefallen ist. Vielmehr habe er lediglich geäußert, dass er zwar psychisch wieder fit sei, aber noch nicht physisch. Dies glaubt ihm die Berufungskammer jedoch nicht. Die authentische, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nach wie vor bestehende Erregung des Zeugen B wäre unverständlich, wenn sich der Kläger in der von ihm behaupteten Weise geäußert hätte.

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Steht damit fest, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7. November 2008 erschüttert ist, wäre es Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen vorzutragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat. Dies war dem Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 1993 -2 AZR 154/93- mit Beschluss der Kammer vom 5. Oktober 2009 aufgegeben worden. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. In seinem Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 (Blatt 234, 235 der Akten) führt der Kläger lediglich aus, sein Arzt habe das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit medizinisch fachgerecht indiziert und attestiert. Welche Beschwerden konkret vorgelegen haben und welche Verhaltensmaßregeln der Arzt ihm am 7. November 2008 gegeben hat, legt der Kläger nicht dar. Damit steht fest, dass der Kläger seine Erkrankung nur vorgetäuscht hat.

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Die Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an der Fortsetzung desselben deutlich überwiegt. Zu Gunsten des Klägers ist die beträchtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses von im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 23 Jahren, sein Lebensalter, aufgrund dessen ihm es nicht ohne weiteres möglich sein dürfte zeitnah eine Anschlussbeschäftigung zu finden, und die bestehende Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Andererseits hat er durch sein Verhalten das Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit zerstört, indem er seine Arbeitsunfähigkeit der Wahrheit zuwider vorgespiegelt hat. Dies macht es der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht, da der Kläger die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens selbst erkennen konnte.

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2. Die Kündigung ist nicht nach § 31 Abs. 3 MAVO unwirksam. Mit Schreiben vom 11. November 2008 (Blatt 7,8 der Akten) hat die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung umfassend über den Kündigungssachverhalt informiert, insbesondere die Sozialdaten des Klägers mitgeteilt und den Vorfall vom 7. November 2008 eingehend geschildert. Die Mitarbeitervertretung hat die beabsichtigte außerordentliche Kündigung nicht beanstandet. Nach Ablauf der Frist von drei Tagen hat die Beklagte sodann die Kündigung gegenüber dem Kläger erklärt.

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3. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristlosen Kündigung vom 17. November 2008 zu diesem Termin endete, kann der Kläger weder seine Weiterbeschäftigung, noch die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung verlangen.

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III. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

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