LAG Frankfurt – 6/7 Sa 1373/09

Anfechtung eines Arbeitsvertrags wegen unwahrer Beantwortung der Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung

Hessisches Landesarbeitsgericht,   Teilurteil vom 24.03.2010, 6/7 Sa 1373/09

Leitsatz:

Eine tätigkeitsneutrale Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist im Anstellungsgespräch unzulässig.  Eine unwahre Beantwortung dieser Frage gibt keinen Grund zur Anfechtung  oder Kündigung des Arbeitsvertrages.

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 20. Mai 2009 – 7 Ca 7633/08 – wird zurückgewiesen, soweit sich die Beklagte gegen die Feststellung des Arbeitsgerichtes wendet, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Anfechtung der Beklagten vom 08. Oktober 2008 und nicht durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden ist.
  2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes in Frankfurt am Main vom 20. Mai 2009 – 7 Ca 7633/08 – wird zurückgewiesen, soweit diese die Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer in das Ermessen des Gerichtes gestellten Entschädigung, die jedoch den Betrag von 96.000,00 € nicht unterschreiten sollte, begehrt.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
  4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zunächst über den durch eine Anfechtungserklärung des Arbeitgebers bzw. eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitgebers angegriffenen Bestand des Arbeitsverhältnisses infolge der wahrheitswidrig von der Klägerin in einem Personalfragebogen beantworteten Frage nach dem Bestehen einer anerkannten Schwerbehinderung, sowie um einen Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG.

2

Die am … geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist bei der Beklagten seit 01. März 2007 im Vertrieb aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 31. Januar 2007 (Bl. 22 – 29 und 155 – 162 d. A.) beschäftigt. Die Klägerin ist seit dem 23. Juli 1998 anerkannte Schwerbehinderte mit einem GdB 50. Das Jahreseinkommen der Klägerin (Zielgehalt 2008) belief sich auf € 80.000,04 brutto, wovon € 50.500,04 brutto Fixgehalt waren. Weiter stand der Klägerin ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung. Für die Privatnutzung ist steuerlich ein Betrag von € 416,00 monatlich in Ansatz gebracht worden.

3

Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in xxx. Bei der Beklagten sind bundesweit mehr als 1200 Arbeitnehmer, davon rund 20 anerkannt Schwerbehinderte beschäftigt. Die Beklagte unterhält eine Niederlassung in xxx.

4

Die Klägerin war bei der Beklagten im Geschäftsbereich Business Unit Information (BUI) schwerpunktmäßig mit IT-Servicemanagement betraut, was entsprechende Reisen bzw. Dienstfahrten mit sich brachte. Sofern die Klägerin nicht im Außendienst tätig war bzw. Kunden besuchte, kam sie ihrer Tätigkeit in der Niederlassung der Beklagten in xxx nach.

5

In einem sog. Personalfragebogen zum Arbeitsvertrag (vgl. Bl. 116 – 119 d. A.), den die Klägerin handschriftlich ausfüllte, antwortete sie wie folgt auf die Fragen der Beklagten bzw. kreuzte folgende Antworten an:

6

„…

II. Persönliche Verhältnisse:

7

Sind Sie anerkannter Schwerbehinderter oder Gleichgestellter?

8

Ja [] Nein [x]

9

Gibt es gesundheitliche Beeinträchtigungen, die möglicherweise die Arbeitsleistung einschränken können?

10

Ja [] Nein [x]

11

Sind Sie auch für eine Außendiensttätigkeit voll belastbar?

12

Ja [x] Nein []

…“

13

Ob und inwieweit die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses anstandslos und zur Zufriedenheit der Beklagten erbracht hat, ist zwischen den Parteien umstritten. Im Jahr 2007 lag der Zielerreichungsgrad der Klägerin bezüglich der variablen Vergütung bei 70,74%. Insoweit und auch hinsichtlich der Beurteilung der Klägerin insgesamt wird auf die Niederschrift eines Mitarbeitergesprächs 2008 vom 07. April 2008 (Bl. 120 – 122 d. A.) verwiesen.

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Die Klägerin teilte der Beklagten am 07. Oktober 2008 ihre Anerkennung als Schwerbehinderte mit, nachdem ihr unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe nahe gelegt wurde, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.

15

Mit Schreiben vom 08. Oktober 2008, der Klägerin zugegangen am 10. Oktober 2008, erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung nahm die Beklagte Bezug auf die unwahre Beantwortung der Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung in dem Personalfragebogen. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 (Bl. 12 d. A.), der Klägerin zugegangen am 23. Oktober 2008, kündigte die Beklagte vorsorglich außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin nach Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

16

Zuvor war die Klägerin am Abend des 07. Oktober 2008 von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Dabei wurde sie aufgefordert, ihre persönlichen Sachen aus ihrem Büro zu entfernen und die Firmenkreditkarte und den Computer abzugeben. Weiter wurden die Zugangsberechtigungen der Klägerin zu den betrieblichen Kommunikationsmitteln, der EDV und den Kundendatenbanken sowie dem Firmenkonto gesperrt. Nach Einlassung der Beklagten habe es sich dabei um bei jeder streitigen Trennung von Mitarbeitern, insbesondere aber von solchen aus dem Vertrieb, völlig normale und unbedingt angezeigte Maßnahme gehandelt.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Mai 2009 der Klage insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 08. Oktober 2008 und nicht durch die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat im Weiteren hinsichtlich weiterer anhängigerer Kündigungsschutzanträge bezüglich außerordentlicher fristloser und hilfsweise ordentlicher Kündigungen vom 05. und 14. Januar 2009 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 05. Januar 2009 mit dem 15. Februar 2009 geendet hat. Das Arbeitsgericht hat dementsprechend der Klage der Klägerin auf Annahmeverzugslohn bis zum 15. Februar 2009 stattgegeben und der Klägerin eine Provisionsschlusszahlung in Höhe von € 15.600,00 brutto zugesprochen, bezüglich derer die Beklagte Aufrechnung mit Vertragsstrafeversprechen gem. § 12 Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien im Hinblick auf behauptete Pflichtverletzungen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 06. Februar 2009, S. 11, Bl. 278 d. A.) erklärt hat; letzteres unter Zurückweisung der Aufrechnung der Beklagten. Das Arbeitsgericht hat weiter einem Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung vom 12. Dezember 2008 (Bl. 70, 71 d. A.) stattgegeben. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht den Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG, die Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund Rechtsunwirksamkeit aller angegriffenen Kündigungen, die Klage auf Weiterbeschäftigung und die Klage auf Annahmeverzug auf Nutzungsausfallentschädigung für die private Nutzung des der Klägerin überlassenen Dienstwagens, der dieser nicht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellt wurde. Das Arbeitsgericht hat ferner eine Klage auf Berichtigung bzw. Neuerteilung eines der Klägerin unter dem 10. Oktober 2008 (Bl. 166 d. A.) erteilten Zeugnisses abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

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Gegen dieses Urteil haben die Parteien innerhalb der zur Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 24. März 2010 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

19

Die Klägerin greift dabei u.a. die Abweisung des Entschädigungsanspruchs an. Die Klägerin meint, sie habe Indizien angeführt und unter Beweis gestellt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Diese Indizien würden darauf beruhen, dass sie wegen einer zulässigen Falschbeantwortung der Frage nach ihrer Behinderung unmittelbar gekündigt worden ist und der Arbeitsvertrag angefochten worden ist. Darüber hinaus habe sie Indizien dargelegt, dass sie aufgrund dieser Falschbeantwortung auch noch unwürdig behandelt wurde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Frage nach der anerkannten Schwerbehinderung etwas mit § 1 AGG zu tun, da eine solche Frage diskriminierend sei und daher unzulässig sei. Der Hinweis der Beklagten in § 14 des Arbeitsvertrages, das falsche Angaben im Personalfragebogen zur Kündigung führen können, vermöge demgegenüber keinen Rechtfertigungsgrund darzustellen. Auch die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung beweise nicht, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung keine Diskriminierung sei. Nichts anderes als die Schwerbehinderung der Klägerin sei Auslöser aller Maßnahmen, die die Beklagte ergriffen habe. Die Diskriminierung der Klägerin ergebe sich auch aus der Art und Weise, in der die Klägerin ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen. Im Übrigen ergebe sich eine Diskriminierung auch aus dem Prozessverhalten der Beklagten, in dem diese versuche, der Klägerin eine Behinderung aus psychischen Gründen zu unterstellen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Mai 2009, Az.: 7 Ca 7633/98, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise ordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 05. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 4 der Klageanträge 1. Instanz);

22

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 05. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 3 der Klageanträge 1. Instanz);

23

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 14. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 5 der Klageanträge 1. Instanz);

24

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise ordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 14. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 6 der Klageanträge 1. Instanz);

25

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet wurde (Ziffer 7 der Klageanträge 1. Instanz);

26

6. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit sämtlichen vorgehenden Bestandsschutzanträgen die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache als Senior Account Managerin zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen entsprechend des Arbeitsvertrages vom 31. Januar 2007 weiter zu beschäftigen;

27

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.950,00 brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 650,00 seit dem 01. März 2009 und aus € 1.300,00 seit dem 01. April 2009 zu zahlen (nicht zugesprochener Anteil aus Ziffer 11 der Klageanträge);

28

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 6.312,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 2.104,17 ab dem 01. März 2008 und aus € 4.208,34 ab dem 02. April 2008 zu zahlen (nicht zugesprochener Anteil aus Ziffer 14 der Klageanträge);

29

9. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 424,25 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 141,75 ab dem 02. März 2008 und aus € 283,50 ab dem 02. April 2008 zu zahlen (nicht zugesprochener Anteil aus Ziffer 15 der Klageanträge);

30

10. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 2.361,81 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 281,81 seit dem 02. November 2008 und aus jeweils € 416,00 brutto seit dem 02. Dezember 2008, 02. Januar 2009, 02. Februar 2009, 02. März 2009 und 02. April 2009 zu zahlen (begründete Zahlungsansprüche wegen Wegfall der Nutzungsmöglichkeit des Kfz. – Ziffer 16 der Klageanträge);

31

11. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zeugnis gemäß dem Klageantrag Ziffer 17 zu erteilen;

32

12. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, welche jedoch einen Betrag von € 96.000,00 nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. November 2008 zu zahlen.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Mai 2009 – 7 Ca 7633/08 – abzuweisen.

35

Die Beklagte meint, die Klagestattgabe im Hinblick auf die Verneinung einer rechtswidrigen Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB und des Fehlens eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB und einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, sodass das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtung vom 08. Oktober 2008 noch durch die Kündigungen vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden sei, überzeuge nicht. Die Beklagte verweist darauf, dass das Bundesarbeitsgericht noch in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2000 (- 2 AZR 380/99 -) die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung des Bewerbers als uneingeschränkt zulässig ansah; dies obwohl die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor ihrer Verabschiedung stand. Die Beklagte verweist darauf, dass sie sich mit ihrem Fragebogen auf diese ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlassen habe und auch darauf verlassen durfte. Das Vertrauen der Beklagten in die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei hier schützenswert. Die Beklagte meint weiter, europarechtlich und im am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG werde nicht zwischen Behinderung und anerkannter Schwerbehinderung unterschieden. Warum dieser weitere Begriff der Behinderung aber nun zwingend bedeuten soll, dass jede dahingehende Frage des Arbeitgebers unzulässig sein soll, sei nicht nachvollziehbar. In Deutschland zumindest sei der gesetzliche Schutz von Schwerbehinderten, soweit es die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen angehe, durch das AGG nicht ausgeweitet, sondern sogar abgebaut worden. Die Beklagte meint weiter, sie könne sich für die Zulässigkeit der Frage nach der anerkannten Schwerbehinderung auf § 8 Abs. 1 AGG berufen. Die Frage nach der anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung sei in erster Linie erfolgt, weil die Beklagte ihre Schwerbehindertenquote habe erhöhen wollen. Die Klägerin hätte bei wahrheitsgemäßer Antwort ihre Chancen auf Einstellung sogar erhöht, sie wäre genauso eingestellt worden.

36

Hinsichtlich der Berufung der Klägerin zum abgewiesenen Entschädigungsanspruch führt die Beklagte aus, dass die Beweiserleichterung des § 22 AGG voraussetze, dass die Klägerin darlegt und den Vollbeweis für eine Benachteiligung erbringt. Dies sei nicht geschehen. Die Beklagte verweist darauf, dass das Arbeitsgericht die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft (nur) „wertungsmäßig“ als diskriminierend angesehen habe, weil erst die Nichteinstellung die eigentliche Diskriminierung bzw. Benachteiligung gewesen wäre und die Frage nach der Schwerbehinderung diese nur (vermeintlich) vorbereiten sollte. Die Beklagte wiederholt an dieser Stelle, dass Grund für die Anfechtung und die Kündigung allein der Vertrauensverlust wegen der Lüge der Klägerin war. Ganz im Gegensatz zum „Recht zur Lüge“ seien Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander seit jeher feste Bestandteile der Unternehmenskultur der Beklagten. Bei einer Lüge auf jede andere gleich bedeutsame Frage hätte die Beklagte ganz genauso reagiert. Über den Grund der Schwerbehinderung der Klägerin habe man erst lange nach Anfechtung und Kündigung und nur deshalb spekuliert, weil die Klägerin den Grund für ihre Schwerbehinderung nicht bekannt geben wollte.

37

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

38

Die Berufungen der Parteien sind statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) und c) ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

39

Im entscheidungsreifen Umfang sind die Berufungen der Parteien jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht sieht den Rechtsstreit nur teilweise, nämlich hinsichtlich des durch Anfechtungserklärung der Beklagten vom 08. Oktober 2008 und durch Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 angegriffenen Bestandes des Arbeitsverhältnisses und hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs gem. § 15 Abs. 2 AGG als entscheidungsreif an, weshalb insoweit gem. § 301 ZPO Teilurteil ergeht. Bezüglich der Kündigungen vom 05. Januar und vom 14. Januar 2009 wird eine weitere Sachverhaltsaufklärung (Beweisaufnahme) für erforderlich gehalten. Hiervon hängen die Klage auf Entfernung der Abmahnung, im Weiteren die Klage auf Provisionszahlung im Hinblick auf Aufrechnungserklärung der Beklagten wegen Vertragspflichtverletzungen und das Zeugnis sowie zumindest teilweise auch Annahmeverzugslohnansprüche ab. Dieser Teil des Rechtsstreits ist bis zur Entscheidungsreife über die zunächst außerordentliche Kündigung vom 05. Januar 2009 daher ebenfalls nicht entscheidungsreif.

40

Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht darin, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagen bzw. die auf die Falschbeantwortung der Frage nach anerkannter Schwerbehinderung gegründeten außerordentlichen Kündigung vom 22. Oktober 2008 geendet hat. Neben dem Anfechtungsrecht kann bei Dauerschuldverhältnissen auch ein ordentliches bzw. außerordentliches Kündigungsrecht bestehen. Das Anfechtungsrecht wird nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt; es besteht vielmehr ein Wahlrecht. Anfechtung und Kündigung können auch zeitlich erklärt werden, wobei allerdings wegen der stärkeren Wirkung der Anfechtung über diese zuerst zu entscheiden ist. Im Streitfall ist dabei schon deshalb zunächst über die Anfechtung zu entscheiden, weil diese für den Fall der Wirksamkeit zu einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde. Kündigungsverbote des besonderen Kündigungsschutzes (z. B. §§ 85 ff. SGB X) stehen der Anfechtung dabei nicht entgegen. Die Kündigungsverbote oder -einschränkungen sollen nur das rechtsfehlerhaft zustande gekommene Arbeitsverhältnis schützen. Im Weiteren setzt die Täuschungsanfechtung voraus, dass eine Täuschung besteht. Eine Täuschung besteht in der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bezüglich objektiv nachprüfbarer Umstände, durch die der Erklärungsgegner zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird (BAG, Urteil vom 05.10.1995 – 2 AZR 923/94 – AP Nr. 40 zu § 23 BGB, unter I. 1. d.Gr.) . Im Weiteren setzt die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Rechtswidrigkeit voraus. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB ist wie bei der Drohung deren Rechtswidrigkeit. Das BGB geht davon aus, dass die arglistige Täuschung stets rechtswidrig ist. Den Fall rechtmäßiger Täuschung – vor allem im Arbeitsverhältnis – sieht das Gesetzt nicht. Diese Lücke des Gesetzes wird nach herrschender Meinung durch teleologische Reduktion geschlossen. Die Norm des § 123 BGB ist insofern zu weit gefasst, als sie die Fälle einer an sich arglistigen, aber rechtlich erlaubten Täuschung mitumfasst (vgl. BAG, Urteil vom 21.02.1991 – 2 AZR 449/90 – AP Nr. 35 zu § 123 BGB, unter I. b) d.Gr.) . Somit stellt im Bereich der Fragerechte des Arbeitgebers nur eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage eine arglistige Täuschung dar (BAG, Urteil vom 19.05.1983 – 2 AZR 171/81 – AP Nr. 25 zu § 123 BGB, unter A. I. 3. c) d.Gr.) . Schließlich setzt die Anfechtung voraus, dass die Täuschung für die Begründung des Arbeitsverhältnisses ursächlich geworden ist. Das ist der Fall, wenn der Getäuschte die Willenserklärung anderenfalls nicht oder mit einem anderen Inhalt abgegeben hätte. Es reicht aus, wenn die Täuschung zumindest mitursächlich für den Entschluss des Getäuschten von Bedeutung war (BAG, Urteil vom 11.11.1993 – 2 AZR 467/93 – AP Nr. 38 zu § 123 BGB, unter II. 1. b) ee) d.Gr.) .

41

Vorliegend streiten die Parteien zunächst über die Zulässigkeit der Frage der Beklagten in ihrem Personalfragebogen nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung. Beantwortet ein schwerbehinderter Bewerber zulässige Fragen des Arbeitgebers in einem Einstellungsgespräch vorsätzlich falsch, kann der später geschlossene Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar sein. Ob die „tätigkeitsneutrale“ Frage des Arbeitgebers als zulässig angesehen werden kann, war lange Zeit heftig umstritten. Nach der bisher noch nicht aufgegebenen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist sie zulässig (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 18.10.2000 – 2 AZR 380/99 – AP Nr. 59 zu § 123 BGB) . Als tätigkeitsneutral wird diese Frage bezeichnet, weil sie keinen Bezug zur vorgesehenen Beschäftigung hat, sondern nur darauf zielt zu erfahren, ob eine Schwerbehinderung festgestellt ist, und zwar unabhängig davon, welche Auswirkungen die Schwerbehinderteneigenschaft oder die Gleichstellung sowie die zugrunde liegende Behinderung konkret für die in Aussicht genommene Tätigkeit hat (vgl. BAG, Urteil vom 01.08.1985 – 2 AZR 101/83 – AP Nr. 30 zu § 123 BGB, unter II. 3. a) d.Gr. und BAG, Urteil vom 05.10.1995 – 2 AZR 923/94 – AP Nr. 40 zu § 123 BGB, unter B. II. 2. d.Gr.) . Seit In-Kraft-Treten des § 81 SGB IX zum 01. Juli 2001 ging jedoch die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum von der Unzulässigkeit einer tätigkeitsneutralen Frage des Arbeitgebers nach einer anerkannten Schwerbehinderung aus. Begründet wurde dies u.a. damit, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 05. Oktober 1995 (- 2 AZR 923/94 -) seine Auffassung zur Zulässigkeit der Frage u.a. damit begründet hatte, die Aufnahme des Verbots der Benachteiligung Behinderter in das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) rechtfertige keine andere Bewertung. Ein Vergleich mit der Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft, die als diskriminierend angesehen wird, sei unstatthaft, denn während der Gesetzgeber in § 611 a BGB ein ausdrückliches geschlechtsspezifisches Diskriminierungsverbot bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen normiert habe, fehle es im Fall der Behinderten. Da nunmehr aber ausdrücklich in § 81 SGB IX ein derartiges Benachteiligungsverbot – § 611 a a.F. BGB nachgebildet – vorgesehen sei, könne diese Argumentation nach Auffassung von Düvell BB 2001, 1529 ff.; Messingschlager NZA 2003, 301 ff.; Thüsing, Wege, FA 2003, 296 ff.; von Koppenfels-Spies, AuR 2004, 43 ff.; Brecht-Heinzmann, ZdR 2006, 639 ff. nicht mehr greifen; offen gelassen: Dörner in Handbuch des Fachanwalts, Arbeitsrecht, 8. Aufl., Kapitel 2, Rn 291.

42

§ 81 Abs. 2 SGB IX in der bis zum In-Kraft-Treten des AGG lautenden Fassung bestimmte in Satz 2 Nr. 1:

43

„Ein schwerbehinderter Beschäftigter darf bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art von dem schwerbehinderten Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist.“

44

In der derzeit gültigen Fassung lautet § 81 Abs. 2 SGB IX wie folgt:

45

„Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.“

46

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist sowohl nach § 81 Abs. 2 SGX IX a.F. wie nach § 81 SGB IX n.F. die Zulässigkeit einer tätigkeitsneutralen Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderteneigenschaft im Hinblick auf das Verbot der Ungleichbehandlung behinderten Menschen nicht mehr aufrechterhalten.

47

Im Streitfall ist auch davon auszugehen, dass die Frage nach anerkannter Schwerbehinderung und Gleichstellung im Personalfragebogen der Beklagten tätigkeitsneutral ist. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte ausdrücklich nach einer anerkannten Schwerbehinderung fragt und nicht allgemein nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung. Darüber hinaus ergibt sich dies daraus, dass die Beklagte, um die gesundheitliche Eignung der Klägerin für die zu besetzende Stelle zu gewährleisten, bereits gesondert nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die möglicherweise die Arbeitsleistung einschränken können, ebenso fragt wie, ob der Bewerber auch für Außendiensttätigkeit voll belastbar sei.

48

Aber auch unter dem Aspekt einer fehlenden Kausalität kann im Streitfall die Anfechtung der Beklagten die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht begründen. Wie bereits ausgeführt, muss zwischen der Täuschungshandlung und der Willenserklärung eine Kausalität bestehen. Die Täuschungshandlung muss zu einem Irrtum des Getäuschten führen, und der Irrtum muss für eine Willenserklärung ursächlich sein, die der Getäuschte ohne die Täuschung nicht, mit einem anderen Inhalt oder jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte (vgl. BAG, Urteil vom 11.11.1993 – 2 AZR 467/93 – AP Nr. 38 zu § 123 BGB, unter II. 1. b) ee) d.Gr.) . Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass ihre Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung dem Ziel gedient habe, durch Einstellung anerkannter schwerbehinderter Bewerber ihre Schwerbehindertenquote zu erhöhen. Weiter hat die Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin bei wahrheitsgemäßer Antwort ihre Chancen auf Einstellung sogar erhöht hätte. Der Irrtum der Beklagten über die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin war danach für deren Willenserklärung nicht ursächlich. Die Beklagte hat die Klägerin in Unkenntnis deren Schwerbehinderteneigenschaft als „beste“ Bewerberin ausgewählt und eingestellt. Die Beklagte hat ferner explizit erklärt, dass bei positiver Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderung die Klägerin erst recht eingestellt worden wäre. Dass die Einstellung der Klägerin auf einer arglistigen Täuschung der Beklagten seitens der Klägerin beruht, kann damit nicht festgestellt werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch Düvell (BB 2006, 1741, 1743) , indem er ausführt, dass der Arbeitgeber das Recht hat zur tätigkeitsneutralen Frage nach dem Status der Schwerbehinderung oder nach einem laufenden Feststellungsverfahren, wenn das Ziel der Frage die Eingliederung von Behinderten oder die Steigerung des Ist-Satzes der Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist, allerdings im Weiteren es für angebracht hält darauf hinzuweisen, dass derjenige, der vorgibt, er wolle positiv die Einstellung von Behinderten fördern, keinen Anfechtungsgrund hat, wenn er unerkannt einen behinderten Bewerber als „Besten“ ausgewählt und eingestellt hat. Erklärt er nach Kenntniserlangung von der Behinderung die Anfechtung (so Düvell) wegen Verschweigens der Behinderung, so ist das nach § 242 BGB unbeachtlich. Diese Überlegungen greifen auch hinsichtlich der von der Beklagten unter Berufung auf die Falschbeantwortung der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22. Oktober 2008.

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Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass die Klägerin keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (Berufungsantrag Ziffer 12) beanspruchen kann. Die Klägerin hat – wie das Arbeitsgericht richtig festgestellt hat – zunächst die gesetzlichen (Ausschluss-)Fristen für die Geltendmachung des Anspruchs gem. § 15 Abs. 2 AGG gewahrt. Die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 17. November 2008, mit der der Entschädigungsanspruch geltend gemacht wurde, ist der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt worden. Damit ist die Frist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt. Hiermit ist gleichzeitig auch die Frist des § 61 b ArbGG eingehalten. Ergänzend wird insoweit gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen. Das Berufungsgericht geht auch von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AGG aus. Ob die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG unabhängig von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung darüber hinaus auch den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sperrt, ist in der Literatur umstritten (vgl. insoweit die Nachweise im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – NZA 2010, 280 – 283, unter II. 1. b) d.Gr.) . Die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG würde im Übrigen ohnehin für die ebenfalls als diskriminierend angegriffene Anfechtungserklärung der Beklagten nicht greifen. Obwohl das Bundesarbeitsgericht in der bereits angeführten Entscheidung die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AGG offen gelassen hat, hat es insoweit jedoch darauf verwiesen, dass seine Anwendung jedenfalls nicht systemwidrig erscheine. Dahingestellt lassen möchte das Berufungsgericht auch, ob der Anspruch verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, wobei schon die systematische Auslegung dafür spricht, weil nur in Abs. 1 des § 15 AGG über den Ersatz materieller Schäden im Wortlaut das Verschuldenserfordernis formuliert ist, nicht hingegen in Abs. 2 des § 15 AGG über den Ersatz immaterieller Schäden. Auch im Übrigen unterstellt das Berufungsgericht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG erfüllt sind. Jedoch erscheint unter dem Blickwinkel des Schadensausgleichs des Weiteren zu berücksichtigen, ob die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits durch den materiellen Schadensersatz ausgeglichen wurde. Bei der Entschädigungsbemessung sind weiter auch die Schwere des Verstoßes sowie Folgen für den Arbeitnehmer und das Ausmaß des Verschuldens zu berücksichtigen (für § 81 SGB X: BAG, Urteil vom 12.09.2006 – 9 AZR 807/05 – BAGE 119, 262 = AP Nr. 13 zu § 81 SGB IX) . Da im Streitfall eine materielle Einbuße durch Bestandsschutzverlust nicht eingetreten ist, ist nach Dafürhalten des Berufungsgerichts die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits durch den materiellen Schadensersatz ausgeglichen. Des Weiteren berücksichtigt das Berufungsgericht bei der Bemessung der Entschädigung auch das Ausmaß des Verschuldens der Beklagten. Es ist hier nicht von einem Vorsatzfall auszugehen. Vielmehr war über Jahrzehnte in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine tätigkeitsneutrale Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft zulässigerweise gestellt werden kann. Das Berufungsgericht geht auch des Weiteren von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten aus, dass nämlich nicht der Umstand dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte ist, sondern der Umstand dass sie eine Frage im Personalfragebogen falsch beantwortet hat, der Grund für die Anfechtung und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist. Weitere Vertragspflichtverletzungen der Beklagten diskriminierender Art sind substantiiert nicht vorgetragen. Die Beklagte hat sich auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Anfechtungserklärung und außerordentliche Kündigung einhergeht.

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Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

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Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier entschiedenen Rechtsfragen.

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Nachfolgende Instanz:   BAG, 07.07.2011, 2 AZR 396/10

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