Betriebsbedingte Kündigung – Fremdvergabe einer Hierarchieebene – verdeckte Arbeitnehmerüberlassung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.03.2013, 12 Sa 1624/12
Leitsatz des Gerichts
- Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf den Wegfall des Arbeitsplatzes durch Fremdvergabe der bisher vom gekündigten Arbeitnehmer verrichteten Arbeiten, so liegt eine die Kündigung nicht rechtfertigende Austauschkündigung vor, wenn die Fremdvergabe nicht in selbständiger Erledigung durch den Dritten erfolgt, sondern der Dritte in den Arbeitsbetrieb des (kündigenden) Arbeitgebers eingegliedert wird. Erfolgt die Fremdleistung nicht in eigener betrieblicher Organisation, sondern nach den betrieblichen Vorgaben des (kündigenden) Arbeitgebers, so liegt regelmäßig verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor, die eine betriebsbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag.
- Handelt es sich bei den fremdvergebenen Diensten um solche höherer Art, so ist das Weisungsrecht kein typisches Merkmal der Arbeitnehmerstellung. In diesem Fall kann sich die für die (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung maßgebliche Eingliederung in den Betrieb des Bestellers/Entleihers auch aus der Art oder der Organisation der Tätigkeit und der Einbindung in die Betriebsstruktur ergeben (hier: Kündigung der Küchenleiterin und Fremdvergabe der Küchenleitung bei voll beibehaltenem eigenem Küchenbetrieb in einem Seniorenwohnheim).
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Juni 2012 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 5 Ca 10537/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
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Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Seniorenwohnstätte und beschäftigt dort mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten. Sie unterhält dort eine eigene Küche, in der das Speisenangebot für die Bewohner durch bei ihr angestellte Arbeitnehmer zubereitet wird. Die Klägerin begann bei ihr am 1. Oktober 1992 ein Arbeitsverhältnis als Küchen- und Wirtschaftsleiterin in Vollzeit. Sie ist mit einem Grad von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Mit Kündigungen vom 27. Juni 2008 zum 31. Dezember 2008, vom 23. Dezember 2008 zum 30. Juni 2009 und vom 10. November 2010 zum 31. Mai 2011 versuchte die Beklagte, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin einseitig zu beenden. Zur Begründung dieser Kündigungen berief sich die Beklagte auf den Wegfall des Arbeitsplatzes durch Umverteilung der Aufgaben auf andere Mitarbeiter, unter anderem auf den 1. Koch und auf Streichung der Hierarchieebene Küchen-/Wirtschaftsleitung. In den jeweils hiergegen von der Klägerin angestrengten Kündigungsschutzverfahren wurden diese Kündigungen zwischenzeitlich rechtskräftig für unwirksam erklärt (Urteile des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2009 – 19 Sa 1658/09 und vom 22.September 2011 – 5 Sa 1025/11). Seit dem 28. November 2008 wird die Klägerin von der Beklagten nicht mehr beschäftigt.
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Im Juni 2011 schloss die Beklagte mit der Fa. a. c. B.V. & Co. KG einen Vertrag zur Lieferung von Küchenleistungen. Nach dem Inhalt des schriftlichen Vertrages sollte die Fa. a. ab dem 1. August 2011 die für den täglichen Bedarf benötigten Speisen und Getränke für Frühstück, Mittagessen, Nachmittagskaffee, Abendessen und Zwischenmahlzeiten sowie für den Stationsbedarf liefern, die Speisen und Getränke an der Küchentür zur Abholung durch die Mitarbeiter der Beklagten zu den vereinbarten Bereitstellungszeiten bereitstellen und die Beklagte mit eigenem Fach- und Hilfspersonal an der Fertigstellung und Lieferung der Speisen mitwirken. Tatsächlich wurden die täglichen Speisen von den Mitarbeitern der Beklagten in deren Küche unter der fachlichen Weisung eines von der Fa. a. entsandten Mitarbeiters zubereitet.
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Mit am 22. Juni 2011 dort eingegangenem Schreiben hörte die Beklagten den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an, der dieser mit Schreiben vom 1. Juli 2011 widersprach. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011, der Beklagten am 22. Juni 2011 zugegangen, stimmte das Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung zu. Mit Schreiben vom 30. Juni 2011, der Klägerin an diesem Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 2011.
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Mit ihrer am 8. Juli 2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung zur Wehr gesetzt, das Vorliegen von Kündigungsgründen und die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten sowie die Sozialauswahl gerügt.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Kündigung ausgeführt, sie habe, nachdem erhebliche Teilaufgaben der Klägerin aus deren ursprünglicher Stellenbeschreibung bereits entfallen gewesen seien, zunächst im Juni 2008 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die verbliebenen Aufgaben auf andere Mitarbeiter zu übertragen, die Küchenleitung sei dem 1. Koch zugewiesen worden. Sodann habe sie im Juni 2010 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Hierarchieebene der Küchen- und Wirtschaftsleitung ersatzlos zu streichen und die Aufgaben auf die Geschäftsführerin und andere Mitarbeiter unter Inkaufnahme einer Leistungsverdichtung zu übertragen. Grundlage der hier streitgegenständlichen Kündigung sei die nunmehr getroffene unternehmerische Entscheidung vom 26. Mai 2011 gewesen, wonach die zwischenzeitlich abgeschaffte Hierarchieebene der Küchen- und Wirtschaftsleitung zum 1. August 2011 wieder eingeführt und bestimmte zwischenzeitlich anderweitig übertragene Aufgaben im Umfang von ca. 15 Wochenstunden wieder zurückgeführt und diese sodann an den externen Dienstleister a. fremd vergeben worden seien. Die Aufgaben würden von der Fa. a. selbständig erledigt, sie habe kein Weisungsrecht gegenüber der Fa. a.. So arbeite der Mitarbeiter der Fa. a. in einem eigens von der Beklagten hierfür angemieteten Raum, in dem er mit eigener Soft- und Hardware die Planung der Einkäufe und sonstige Verwaltungstätigkeiten vornehme. Er unterscheide sich auch durch die Arbeitskleidung von ihren Mitarbeitern, denn er trage ein T-Shirt mit dem Logo der Fa. a.. Die Beklagte hat behauptet, der bei ihr tätige Mitarbeiter der Fa. a. habe nur ein eingeschränktes, nämlich fachliches Weisungsrecht gegenüber ihren Arbeitnehmern. Deren Arbeitseinsatz bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort werde nach wie vor von ihr gesteuert. Der a.-Mitarbeiter habe keinen Zugriff auf die Software zur Erstellung der Dienstpläne.
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Gegen die Übertragung der Küchenleitung auf die Fa. a. und den damit einhergehenden Entzug dieser Tätigkeiten erhob der 1. Koch Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin. In dem vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 16. Mai 2012 geschlossenen Vergleich zum Aktenzeichen 26 Sa 2331/11 einigten sich die dortigen Parteien darauf, dass der 1. Koch ab dem 16. Mai 2012 wieder als Küchenleiter tätig wird mit Ausnahme von Einkauf und Erstellung des Speiseplans, die unter Umständen der Fa. a. übertragen werden sollten. Mit Datum vom 12. März/25. April 2012 schloss die Beklagte mit der Fa. a. einen neuen, als „Beratervertrag“ bezeichneten Vertrag über die Beratung in Verpflegungsfragen.
8
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. Juni 2012 – 5 Ca 10537/11 – sein Versäumnisurteil vom 2. März 2012, mit dem es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist, nach Einspruch der Beklagten aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für die Entscheidung, eine zuvor gestrichene Hierarchieebene wieder einzuführen und sodann fremd zu vergeben, seien besondere Anforderungen zu stellen, weil sich diese Entscheidung im Ergebnis tatsächlich auf die Kündigung beschränke. In vorliegender Konstellation sei ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die Fremdvergabe zeitgleich mit der Wiedereinführung der Position der Klägerin nicht nachvollziehbar, die unternehmerische Entscheidung sei willkürlich und rechtsmissbräuchlich. Denn die Beklagte habe sich zu einem Zeitpunkt zur erneuten Einführung der Hierarchieebene entschlossen, als sie das Kündigungsschutzverfahren noch mit der Begründung der Streichung dieser Hierarchieebene geführt habe. Beim Einsatz des Mitarbeiters der Fa. a. in der Küche auf der Position der Klägerin handle es sich um eine Austauschkündigung, der Mitarbeiter der Fa. a. sei in die Betriebsstruktur der Beklagten ebenso eingebunden wie es die Klägerin gewesen wäre, eine weisungsfreie Tätigkeit dieses Mitarbeiters habe die Beklagte nicht nachvollziehbar vorgetragen. Die zwingend erforderliche ständige Abstimmung des Mitarbeiters mit den Arbeitnehmern der Beklagten, die Weisungsbefugnis dieses Mitarbeiters gegenüber der Beklagten und die Vorgaben durch die Beklagte zur generellen Gestaltung der küchenmäßigen Bewirtschaftung sprächen gegen eine selbständige Betätigung dieses Mitarbeiters. Diese Bewertung werde auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte dieses Konzept der Fremdvergabe nach nur 9 Monaten wieder aufgegeben habe und die Tätigkeit der Klägerin nunmehr wieder maßgeblich durch eigene Arbeitnehmer der Beklagten, maßgeblich durch den 1. Koch ausgeübt würde. Im Übrigen habe die Beklagte auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass eine vorrangige Änderungskündigung auf die verbliebenen Tätigkeiten einer Wirtschaftsleiterin nicht in Frage kam.
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Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Blatt 265 bis 270 der Akte, verwiesen.
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Gegen dieses, ihr am 22. August 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. August 2012 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. November 2012 an diesem Tage begründete Berufung der Beklagten. Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint, das Arbeitsgericht habe eine unzulässige Inhaltskontrolle ihrer unternehmerischen Entscheidung vorgenommen. Die Entscheidung, die Funktion der Küchenleitung auf die Fa. a. zu übertragen, sei unter Berücksichtigung der von ihr angestellten Kostenkalkulation nicht willkürlich gewesen. Es habe sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt, weil das dafür maßgebliche Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern von a. nicht bestanden habe. Es sei auch keine Eingliederung in die Betriebsstruktur erfolgt, weil der Mitarbeiter der Fa. a. in einem eigenen, hierfür angemieteten Zimmer gearbeitet, eigene Soft- und Hardware benutzt und ein T-Shirt mit dem Logo der Fa. a. getragen habe. Eine Änderungskündigung sei für die Klägerin nicht in Frage gekommen, weil Restarbeiten aus der Wäscherei nicht mehr vorhanden gewesen seien.
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Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juni 2012 – 5 Ca 10537/11 – das Versäumnisurteil vom 2. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, es handle sich um eine Austauschkündigung, weil der Vertrag zwischen der Fa. a. und der Beklagten die Überlassung einer Person zur Übernahme der Küchenleitung mit Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern vorgesehen habe. Diese Person sei zwingend in den Küchenbetrieb der Beklagten eingebunden gewesen, so dass sich ihre Anwesenheitszeit nach den Vorgaben der Beklagten gerichtet habe. Es sich daher nicht um einen Werkvertrag, sondern um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
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Zwischenzeitlich hat die Beklagte der Klägerin erneute Kündigungen ausgesprochen, so mit Schreiben vom 10. Januar 2012, 18. Januar 2012 und mit zwei Schreiben vom 27. September 2012. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Kündigungsschutzklagen sind bei dem Arbeitsgericht Berlin anhängig.
Entscheidungsgründe
I.
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Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
19
Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklärt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Begründung des Arbeitsgerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 30. Juni 2011 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG, denn sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt, § 1 Abs. 2 KSchG. Der Einsatz des Mitarbeiters der Fa. a., der den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin begründen soll, ist in verdeckter Arbeitnehmerüberlassung erfolgt. Der Ersatz eines Arbeitnehmers durch einen Leiharbeitnehmer kann den Wegfall des Arbeitsplatzes im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG nicht begründen. Denn dabei handelt es sich um eine Austauschkündigung, für die dringende betriebliche Erfordernisse nicht feststellbar sind.
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1. Die Beklagte beruft sich zur Rechtswirksamkeit ihrer Kündigung auf die Fremdvergabe der von der Klägerin bis zur ihrer Freistellung ausgeübten Tätigkeit der Küchenleitung. Dabei ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Fremdvergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten, beispielsweise die Auslagerung der Küchenbewirtschaftung an ein „C.-Unternehmen“, eine die Arbeitsgerichte grundsätzlich bindende organisatorische Maßnahme darstellen kann, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer im Betrieb entfällt (vgl. nur Kiel in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 1 KSchG Rn 522.; BAG vom 24. Mai 2005 – 8 AZR 333/04 – NZA 2006, 31, jew. m.w.Nw). Dies gilt auch dann, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschließt, die bisher von seinen Arbeitnehmern verrichteten Aufgaben nur noch zu Bedingungen einer selbständigen Tätigkeit freien Mitarbeitern zu übertragen (vgl. BAG vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – NZA 1997, 202).
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2. Hiervon abzugrenzen sind jedoch solche unternehmerischen Entscheidungen, die sich auf die Bestellung von Personal beschränken. Die Umsetzung einer solchen Entscheidung lässt das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer nicht entfallen (BAG vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – a.a.O.). Die Fremdvergabe von Dienstleistungen ist zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nur dann geeignet, wenn der Arbeitgeber die bisherigen Arbeiten einem Dritten zur selbständigen Erledigung überträgt (Kiel a.a.O. Rdnr. 523).
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Die Abgrenzung zwischen Werk- oder Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung erfolgt anhand der der Fremdvergabe zugrunde liegenden vertraglichen Absprache zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten. Die Vereinbarung werkvertraglicher Leistungen hat zum Inhalt, dass ein Unternehmer für den anderen tätig wird und die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisiert. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen, die Weisungen des Werkbestellers beschränken sich auf die Ausführung des Werkes im Sinne von § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung liegt dagegen vor, wenn Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in den Beschäftigungsbetrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (BAG vom 13. August 2008 – 7 AZR 269/07 – a.a.O.; vom 18. Januar 2012 – 7 AZR 723/10 – NZA-RR 2012, 455).
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Für die rechtliche Einordnung der Fremdvergabe kommt es maßgeblich auf den Geschäftsinhalt an und nicht auf die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Widersprechen sich ausdrückliche Vereinbarung und praktische Durchführung, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages entscheidend (BAG vom 13. August 2008 – 7 AZR 269/07 – EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 121; vom 18. Januar 2012 – 7 AZR 723/10 – jew. m.w.Nw.).
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3. Die zwischen der Beklagten und der Fa. A. getroffenen Vertragsabsprachen erweisen sich in ihrer tatsächlichen Durchführung als Arbeitnehmerüberlassung und nicht als Werk- oder Dienstvertrag.
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3.1. Dabei mag noch der im Juni 2011 schriftlich niedergelegte Vertragsinhalt als Werkvertrag zu charakterisieren sein. Allerdings haben die Vertragsparteien den Vertrag nicht so praktiziert. Die Fa. a. hat die Speisen entgegen §§ 1, 2 des Vertrages nicht zur Abholung durch das Personal der Beklagten angeliefert und bereitgestellt. Die Speisen sind nach wie vor von den Mitarbeitern der Beklagten in deren Küche zubereitet worden. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, wie die im Vertrag schriftlich niedergelegten Aufgaben das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin hätten entfallen lassen können. Aufgabe der Klägerin war es nicht, die Speisen an der Küchentür der Beklagten abzuliefern. Die Beklagte hat auch nicht etwa die Küchenbewirtschaftung an die Fa. a. vergeben.
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Die an a. übertragenen Aufgaben, die den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin begründen sollen, hat die Beklagte wie folgt beschrieben (Seite 10 des Schriftsatzes vom 4. Januar 2012, Blatt 62 der Gerichtsakte):
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– Absprache mit Repräsentanten der Beklagten über die Personaleinsatzplanung
– Einkauf (Bestellung und Bereitstellung gemäß Speiseplan), Kontrolle der Warenlieferung
– Verantwortung für Lagerbestandskontrolle und ordnungsgemäße Lagerhaltung
– Aufstellen des Speiseplans
– Überwachung der Speisenvorbereitung: Frühstück, Mittagessen, Abendbrot
– Kontrolle der Frühstücks- und Abendbrotwagen
– Überwachung der Arbeitsvorbereitung und Zubereitung der Kostformen nebst Verteilung
– Führen einer Verpflegungsstatistik
– fachliche und selbständige Produktion und Überwachung des Koch- und Fertigungsprozesses
– Leiten und Führen der Köche, Küchenhilfskräfte, Praktikanten
– Überwachen des sachgerechten und effizienten Einsatzes von Arbeitsmitteln
– Organisation der Arbeitsabläufe
– Verantwortung für korrekt ausgeführte Reinigungsarbeiten in der Küche, den Vorratsräumen einschließlich des Fußbodens sowie der Küchengeräte
– Überwachung der Einhaltung, Durchsetzung und Kontrolle der durch Belehrung vermittelten Hygienerichtlinien
– Überwachung der Einhaltung des Hygieneplans
– Weisungsberechtigung gegenüber den Köchen, Küchenhilfspersonal und Praktikanten.
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Die Erledigung dieser Aufgaben erforderte eine vollständige Eingliederung des von a. hierfür gestellten Mitarbeiters in den Betrieb der Beklagten. Die ganz überwiegende Anzahl der von a. geschuldeten Leistungen waren nur in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern der Beklagten in den dortigen Räumen zu den dort üblichen Betriebszeiten möglich. Dies zeigt sich schon daran, dass die Mitarbeiter in der Küche, die sämtlich in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, ihre fachlichen Weisungen von dem von a. gestellten Mitarbeiter erhalten und ihre Einsatzplanung in Absprache mit a. erfolgen sollten. Die Speisenvorbereitung zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot, die Kontrolle der Frühstücks- und Abendbrotwagen, die Überwachung der Arbeitsvorbereitung und Zubereitung der Kostformen nebst Verteilung, das Leiten und Führen der Köche, Küchenhilfskräfte und Praktikanten, die Überwachung des Koch- und Fertigungsprozesses und die Kontrolle der Einhaltung der Hygienerichtlinien und des Hygieneplans waren keine Tätigkeiten, die die Fa. a. nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen hätte organisieren können. Auch wenn die versprochene Werkleistung nicht notwendig mit eigenen technischen Mitteln in eigenen Betriebsräumen erbracht werden muss, so ist doch erforderlich für die Annahme werkvertraglicher Beziehungen bei Tätigkeiten im Betrieb des Bestellers, dass der Werkunternehmer im fremden Betrieb mit eigenem Personal einen eigenen Betrieb unterhält und ein wirtschaftliches Ergebnis produziert, das er an den Besteller/Arbeitgeber verkauft (vgl. Schüren, NZA 2013, 176: „Betrieb im fremden Betrieb“). Die vertraglich geschuldeten Werk-/Dienstleistungen müssen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen des Werkunternehmers organisiert sein (vgl. BAG vom 13. August 2008 – 7 AZR 269/07 – a.a.O.). Dies traf in dem Leistungskatalog der Fa. a. allenfalls für den Einkauf und die Kontrolle der Warenlieferung nebst Bereitstellung, die Kontrolle des Lagers, das Aufstellen des Speiseplans und das Führen einer Verpflegungsstatistik zu. Diese Aufgaben mögen zwar nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisierbar gewesen sein, weil sie unabhängig von den Betriebsstrukturen der Beklagten in dem von a. angemieteten Zimmer unter Nutzung eigener Hard- und Software erfolgen konnten, betrafen aber nur einen kleinen Teilbereich des Leistungskatalogs und standen im Zusammenhang mit dem Kern der übertragenen Tätigkeiten, nämlich der Sicherstellung des täglichen Speisenangebots für die Bewohner des Seniorenheims durch die Mitarbeiter der Beklagten mit deren Betriebsmitteln. Sie prägten nicht den zwischen a. und der Beklagten vereinbarten Leistungsgegenstand.
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3.2. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zur Beschreibung der von a. zu erbringenden Leistungen wiederum auf den schriftlichen Vertragsinhalt und hier auf §§ 1 und 2 Bezug nimmt (Seite 10 der Berufungsbegründung, Blatt 317 der Gerichtsakte), hat sie zum einen in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass a. keine Speisen an die Tür zur Abholung geliefert hat. Zum anderen waren die dort niedergeschriebenen Aufgaben nicht die der Klägerin, sie stimmen auch nicht mit den Angaben in der Betriebsratsanhörung zur Kündigung der Klägerin überein (Punkt 2 der Betriebsratsanhörung vom 22. Juni 2011, Blatt 89 R der Gerichtsakte). Dort wird ausdrücklich auf die bisherige Stellenbeschreibung der Klägerin Bezug genommen. Dies ist schließlich auch tragende Argumentation der Beklagten für den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin.
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3.3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der von a. gestellte Mitarbeiter frei von Weisungen der Beklagten gearbeitet hat. Hierauf kommt es für die Bewertung der Fremdvergabe als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung nicht an. Zwar wird für die die Arbeitnehmerüberlassung kennzeichnende Eingliederung in den Betrieb des Entleihers/Bestellers maßgeblich darauf abgestellt, dass der Verleiher/Werkunternehmer sein Weisungsrecht für die entsandten Mitarbeiter auf den Entleiher/Besteller überträgt und der Mitarbeiter des Fremdunternehmens dem Weisungsrecht im Einsatzunternehmen unterliegt. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass das Weisungsrecht nach § 106 GewO zwar kennzeichnendes Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, jedoch je nach Art der Tätigkeit auch in Arbeitsverhältnissen unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Die das Arbeitsverhältnis kennzeichnende persönliche Abhängigkeit beruht auf der Einbindung in die fremde Arbeitsorganisation, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt, wobei der Weisungsumfang jeweils unterschiedlich ausgeprägt sein kann (vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 611 BGB Rdnr. 51). So ist die fachliche Weisungsgebundenheit für Dienste höherer Art häufig nicht typisch; die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, dass dem Mitarbeiter ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt (BAG vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 – NZA 1995, 622 m.w.Nw.). Auch die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit und Ort ist bei Leitungspersonal in der Regel geringer ausgeprägt als bei anderen Arbeitnehmern. Hängt aber der Grad der persönlichen Abhängigkeit von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab, so kann das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch aus der Art oder der Organisation der Tätigkeit und der Eingliederung in die Betriebsstruktur folgen (Preis a.a.O. Rdnr. 69, 85 m.w.Nw.). Der von a. entsandte Mitarbeiter sollte die ursprünglich der Klägerin obliegende Küchenleitung übernehmen und die Aufsicht über das Küchenpersonal ausüben, soweit die fachlichen Weisungen betroffen waren. Es liegt bereits in der Eigenart dieser Tätigkeit mit Leitungs- und Aufsichtsfunktionen, dass die Weisungsunterworfenheit weniger ausgeprägt ist.
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Im Übrigen ist auch nicht ausreichend dargelegt, dass eine selbständige und weisungsfreie Tätigkeit des a.-Mitarbeiters im Küchenbetrieb der Beklagten im Hinblick auf die organisatorische Einbindung überhaupt möglich war. In der im Juli 2011 unterzeichneten Vertragsurkunde sind die von a. zu erledigenden Aufgaben dahingehend beschrieben, dass gemäß § 1 a. mit der Lieferung von Speisen und Getränken zur Sicherstellung der Verpflegung im Haus der Beklagten beauftragt wird, die gemäß § 2 täglich zur Abholung durch das Küchenpersonal an der Küchentür bereitgestellt werden. Zum Personaleinsatz regelt § 5, dass die Beklagte mit eigenem Fach- und Hilfspersonal an der Fertigstellung und Lieferung der Speisen mitwirkt, die Mithilfe allerdings lediglich bei der Lieferung für die Beklagte erfolgt und dem Weisungsrecht eines a. benannten Repräsentanten der Beklagten unterliegt. Zur Begründung der Kündigung hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren allerdings vorgetragen, a. sei für die Überwachung der Speisenvorbereitung und des Koch- und Fertigungsprozesses durch die Mitarbeiter der Beklagten zuständig, übe das fachliche Weisungsrecht über diese Mitarbeiter aus und habe die Köche, Küchenhilfskräfte und Praktikanten zu leiten und zu führen. Da dieser Leistungsgegenstand nicht im schriftlichen Vertrag geregelt ist, hätte es näherer Ausgestaltung in der praktischen Durchführung bedurft. Solange die Klägerin mit diesen Tätigkeiten betraut war, unterlag sie dem Weisungsrecht der Beklagten. Wer hier nun welche Weisungen zur näheren Ausgestaltung dieser im schriftlichen Vertrag nicht geregelten Tätigkeiten geben soll, wenn nicht die Beklagte, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Es hätte aber der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten oblegen darzulegen, wie die in ihrem Betrieb bislang in abhängiger Beschäftigung ausgeführten Arbeiten in der Küchenleitung auf die a. zur selbständigen Durchführung übertragen worden sind (vgl. insoweit zur Übertragung einer Produktionsleitung BAG vom 16. Dezember 2004 – 2 AZR 66/04 – NZA 2005, 761).
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Auch von einem Weisungsrecht zeitlicher Art ist auszugehen. Die Essenszeiten für die Bewohner wurden nicht von der Fa. a. bestimmt. Auch der Dienstplan für die Mitarbeiter wurde nach der Behauptung der Beklagten von dieser und nicht von der Fa. a. aufgestellt. Damit unterlag auch der Mitarbeiter der Fa. a. den arbeitszeitlichen Weisungen der Beklagten, denn die der Fa. a. übertragenen Aufgaben waren an die Arbeitsleistung der Mitarbeiter und an die Essenszeiten der Bewohner gekoppelt: die Überwachung der Arbeitsvorbereitung und Zubereitung der Kostformen durch die Mitarbeiter der Beklagten nebst Verteilung, die Überwachung der Speisenvorbereitung von Frühstück, Mittagessen, Abendbrot, die Kontrolle der Frühstücks- und Abendbrotwagen, die Überwachung des Koch- und Fertigungsprozesses, das Leiten und Führen der Köche, Küchenhilfskräfte, Praktikanten, die Überwachung des sachgerechten und effizienten Einsatzes von Arbeitsmitteln und die Erteilung fachlicher Weisungen an die Köche, das Küchenhilfspersonal und die Praktikanten konnten nicht losgelöst von der Arbeitszeit der Beschäftigten und den Essenszeiten der Bewohner ausgeführt werden. Detaillierte vertragliche Absprachen zwischen der Beklagten und der Fa. a. sind hier nicht vorgetragen, wobei bereits zweifelhaft ist, ob überhaupt durch die detaillierte vertragliche Festlegung der üblicherweise dem Weisungsrecht des Arbeitgebers vorbehaltenen Arbeitsbedingungen der dem Arbeitsverhältnis zukommende arbeitsrechtliche Schutz entzogen werden kann (vgl. dazu kritisch Preis, a.a.O. Rdnr. 52). Der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung, der Mitarbeiter der Fa. a. sei zeitlich völlig frei und könne seine Arbeiten auch nachts erledigen, passt offenkundig nicht zur Aufgabenbeschreibung. Soweit die „Bereitstellungszeiten“ für die Speisen vertraglich vereinbart sind, schließt dies eine zeitliche Weisungsgebundenheit nicht aus. Die Vertragsparteien sind offensichtlich selbst nicht davon ausgegangen, dass sich die Zeiten im Voraus festlegen lassen. Denn in dem Vertrag heißt es: „Die Harmonisierung der Bereitstellungszeiten mit den betrieblichen Abläufen … wird durch den ständigen Dialog der Vertragspartner gewährleistet“. Im Übrigen geht der Vertrag ohnehin von einer Bereitstellung der Speisen aus, die tatsächlich von a. so gar nicht getätigt worden ist.
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3.4. Dem Tragen eigener Berufskleidung in Form eines T-Shirts mit a.-Logo durch den von a. gestellten Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung der gesamten, für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechenden Umstände keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.
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3.5. Die von der Beklagten herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidungen stützen ihre rechtliche Bewertung nicht. Mit der Entscheidung vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – („Weight Watchers“) hat des Bundesarbeitsgericht erkannt, dass es der freien unternehmerischen Entscheidung obliegt, ob betriebliche Aufgaben durch eigene Arbeitnehmer oder durch Selbständige bzw. freie Mitarbeiter ausgeführt werden. Voraussetzung ist dabei aber immer, dass es sich tatsächlich um freie Mitarbeiter oder Selbständige handelt. Die Beschäftigung von Selbständigen oder freien Mitarbeitern in „verschleierten Arbeitsverhältnissen“ kann hier ebenso wenig als die Kündigung rechtfertigende freie Unternehmerentscheidung angesehen werden wie die Fremdvergabe mittels verdeckter Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Kiel a.a.O., Rdnr. 527). Auch die anderen, von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen vermögen ihre Rechtsansicht nicht zu stützen. Grundlage des Urteils vom 29. März 2007 – 2 AZR 31/06 („Luftfrachtführer“) war die unternehmerische Entscheidung zur Auflösung einer gesamten Betriebsabteilung und Übertragung derselben im Wege des Betriebsteilübergangs auf eine Tochtergesellschaft. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden schon gar nicht vergleichbar. Schließlich sind hier die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesarbeitsgericht in den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 („Crewing“) und vom 16. Dezember 2004 – 2 AZR 66/04 („Produktionsleitung/Team-Dispatcher“) aufgestellt hat: Die Fremdvergabe im Rahmen einer – wenn auch verdeckten – Arbeitnehmerüberlassung ist keine Unternehmerentscheidung, die das Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen lässt.
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4. Handelt es sich somit bei der Vertragsabsprache zwischen der Beklagten und der Fa. a. tatsächlich nicht um einen Werk- oder Dienstvertrag, sondern um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung, so liegt ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung nicht vor. Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer auf Arbeitsplätzen von Stammarbeitnehmern, um einen Dauerbedarf abzudecken, so ist von freien Beschäftigungsmöglichkeiten auszugehen, die vorrangig für die Stammbelegschaft zu nutzen sind (vgl. BAG vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 289/11 – NZA-RR 2013, 68; vom 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10 – NZA 2012, 1044, jew. m.w.Nw.). Der Entschluss, nur die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben und nur die eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer zu ersetzen, ist als "Austauschkündigung" gemäß § 1 Abs 1 und 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und deshalb unwirksam (BAG vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – NZA 1997, 202; vom 16. Dezember 2004 – 2 AZR 66/04 – a.a.O.).
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5. Dahinstehen kann, ob die auf die Fa. a. übertragenen Aufgaben nur noch einen Umfang von 15 Wochenstunden hatten und anderweitige Aufgaben der Klägerin zwischenzeitlich weggefallen sind. Bei einem Umfang von nur 15 Wochenstunden hätte die Beklagte vorrangig eine Änderungskündigung zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit als milderes Mittel aussprechen müssen, bevor sie im Wege der Austauschkündigung das Arbeitsverhältnis vollständig beendet. Aus diesem Grunde ist auch unerheblich, ob noch Restarbeiten in der Wäscherei für die Klägerin vorhanden sind. Denn selbst wenn diese weggefallen wären, verblieben restliche Arbeiten im Umfang der auf a. verlagerten 15 Wochenstunden.
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6. Schließlich bedarf es auch keiner rechtlichen Bewertung, dass die Beklagte sich zwischenzeitlich durch gerichtlichen Vergleich mit dem 1. Koch verpflichtet hat, diesem die Aufgaben der Küchenleitung zu belassen und den Vertrag mit a. entsprechend geändert hat. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung ist deren Zugang. Zum Zugangszeitpunkt der hier streitigen Kündigung waren die Aufgaben der Küchenleitung auf die Fa. a. übertragen. Diese Übertragung vermochte die Kündigung nicht zu rechtfertigen.
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7. Erweist sich somit die hier streitgegenständliche ordentliche Kündigung als rechtsunwirksam, so war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte und Berufungsklägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
40
Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Die insoweit maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Der zu beurteilende Sachverhalt wirft keine neuen Gesichtspunkte auf. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.
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Fundstellen:
NZA RR 2013, 466