LAG Frankfurt – 12 Sa 522/10

Verhaltensbedingte Kündigung – Mitteilungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit

Hessisches Landesarbeitsgericht,  Urteil vom 18.01.2011, 12 Sa 522/10

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25.02.2010 – 20 Ca 7651/09 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zum besseren Verständnis neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.08.2009 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 17.09.2009 aufgelöst worden ist.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten sowie einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen Verletzung der Anzeigpflicht bei Arbeitsunfähigkeit.

2

Die Beklagte ist ein am Flughafen A tätiges Dienstleistungsunternehmen, das u.a. Flugzeuginnenreinigung durchführt. Der am B geborene, ledige Kläger ist seit dem 24.05.1993 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatslohn von 1850,00 – 1.900,00 € als Vorarbeiter in der Flugzeuginnenreinigung. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk (RTV) Anwendung.

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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 19.08.2009 wegen seiner wiederholten krankheitsbedingten Fehlzeiten ordentlich zum 31.01.2010. Am 17.09.2009 sprach sie eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 28.02.2010 wegen der Verletzung von Anzeigepflichten bei Arbeitsunfähigkeit aus.

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Der Kläger war in der Vergangenheit, insbesondere in den Kalenderjahren 2006 – 2009 wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Die Hauptursache der wiederholten Erkrankungen waren Beschwerden der Lendenwirbelsäule.

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Bereits am 15.10.2003 (Bl. 55 d.A.) erinnerte die Beklagte den Kläger schriftlich an seine Verpflichtung, im Falle einer Erkrankung diese der Personaldisposition oder der Personalabteilung unverzüglich anzuzeigen, nachdem er eine am 12.10.2003 eingetretene Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des 13.10.2003 nicht angezeigt hatte. In den nächsten Jahren unterließ er es am 13.12.2003, 28.09.2004, 15.09.2006, 25.07.2008, 28.07.2009 und am 1.09.2009, seine Arbeitsunfähigkeit bzw. deren Fortbestand der Beklagten mitzuteilen. Die Beklagte mahnte das Verhalten des Klägers unter dem 15.12.2003, 1.10.2004, 19.09.2006 und dem 29.07.2008 (Bl. 56 – 59 d.A.) wiederholt ab.

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Der Kläger hat sich mit seiner am 7.09.2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 19.08.2009 gewandt, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Wege des allgemeinen Feststellungsantrags geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Am 19.10.2009 hat er die Kündigungsschutzklage auf die Kündigungen vom 17.09.2009 erweitert.

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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 25.02.2010, Az. 20 Ca 7651/09, Bezug genommen (Bl. 100 – 104 d.A.). Das Arbeitsgericht hat mit seinem Urteil die Unwirksamkeit sämtlicher drei Kündigungen festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Reinigungskraft verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass schon nach dem Umfang der Fehlzeiten keine Indizwirkung für eine negative Prognose gegeben sei, weil für die Jahre 2006 und 2009 die für die Prognose zu berücksichtigenden Fehlzeiten jeweils unter 30 Arbeitstagen pro Jahr lägen. Hinsichtlich der Kündigungen vom 17.09.2009 hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass hier zwar von Pflichtverletzungen des Klägers ausgegangen werden könne, dass diesen aber nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht das Gewicht zukomme, um das Arbeitsverhältnis ordentlich oder gar außerordentlich kündigen zu können. Für die weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 105 – 115 d. A).

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Die Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, das ihr am 12.03. 2010 zugestellt worden ist, am 12.04.2010 Berufung eingelegt und diese – nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.06.2010 – am Montag, den 14.06.2010, begründet. Das Klagebegehren des Klägers, soweit es auf die Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 19.08.2009 gerichtet ist, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch zu Protokoll gegebene Erklärung anerkannt.

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Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Ergänzend behauptet sie, dass sich die Unzuverlässigkeit des Klägers nicht nur im Unterlassen seiner Anzeigepflichten bei Arbeitsunfähigkeit, sondern während fast der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses auch in Form von verspätetem Erscheinen am Arbeitsplatz und unentschuldigtem Fehlen gezeigt habe. Sie führt dazu Vorfälle aus den Jahren 1994 bis 2004 aus, für deren Einzelheiten auf die Berufungsbegründungsschrift verwiesen wird (Seiten 4 – 6, Bl. 142 – 144 d.A.).

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 25.02.2010 zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet, dass er bei weiteren Arbeitsunfähigkeiten nach der letzten Abmahnung vom 29.07. 2008 seiner Anzeigepflicht nachgekommen sei und sich so nicht als unbelehrbar gezeigt habe. Bei der unterlassenen Mitteilung am 1.09.2009 sei zudem zu berücksichtigen, dass zuvor bereits eine Kündigung ausgesprochen war. Das habe ihn psychisch sehr betroffen gemacht. In Gesprächen mit dem Betriebsrat nach Zugang der Kündigung habe er auch über seine Erkrankung und deren Fortdauer gesprochen. Die andauernde Erkrankung sei damit im Betrieb bekannt gewesen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Fortsetzungserkrankung, und keine Ersterkrankung, gehandelt habe. Die Beklagte habe mit ihrer Fortdauer rechnen können. Die auf dieses Versäumnis gestützten Kündigungen seien daher unverhältnismäßig

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Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 18.01.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO).

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Die Berufung ist in der Sache teilweise erfolgreich. Zwar sind die ordentliche Kündigung vom 19.08.2009 – aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten – sowie die fristlose außerordentliche Kündigung vom 17.09.2009 mangels eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung vom 17.09.2009 ist jedoch gemäß § 1 Abs. 2 KSchG wirksam, weil sie sozial gerechtfertigt ist. Sie hat das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2010 wirksam beendet. Wegen der so eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung unbegründet.

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1. Die von der Beklagten am 19.08.2009 zum 31.01.2010 ausgesprochene personenbedingte ordentliche Kündigung ist unwirksam, da sie gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Das folgt schon allein aus der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2011 zu Protokoll gegebenen Erklärung, das Klagebegehren des Klägers insoweit anzuerkennen.

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2. Die von der Beklagten am 17.09.2009 ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist ebenfalls unwirksam, da es ihr an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs.1 BGB fehlt.

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Die Prüfung des wichtigen Grundes vollzieht sich in zwei voneinander zu trennenden Schritten. Zunächst muss ein bestimmter Sachverhalt festgestellt werden, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Dann ist wertend zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, weil dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (BAG 17.5.1984 in EzA zu § 626 BGB Nr.90).

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Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt des Weiteren, dass bei jeder Kündigung, die auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das Abmahnungserfordernis zu prüfen ist, solange eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann.

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Die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Arbeitsverhinderung nach fruchtlosen Abmahnungen ist in der Regel eine für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung geeignete Pflichtverletzung (s.u. Zif. 3). Als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist sie nur dann geeignet, wenn sie als beharrliche Arbeitspflichtverletzung zu werten oder dadurch ein erheblicher Schaden entstanden ist. Die Mitteilung hat bereits dann zu erfolgen, wenn der Arbeitnehmer die Symptome und ihre Auswirkungen verspürt und nicht erst, wenn ein Arzt nach einer Untersuchung die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitteilen kann (KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 426; KDZ-Zwanziger/Däubler Kündigungsschutzrecht § 626 BGB Rn. 103; BAG 17.12.1988 – EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45).

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In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 17.09.2009 als unwirksam. Zwar können die Pflichtverletzungen als beharrliche Arbeitsvertragsverletzungen und damit noch als für einen wichtigen Grund geeignet angesehen werden. Der Kläger hat seine Mitteilungspflichten bei Erst- und Folgeerkrankungen im Zeitraum der letzten sechs Jahre vor Kündigungsausspruch unstreitig siebenmal schuldhaft verletzt, zuletzt zweimal in kurzer Folge am 28.07.2009 und am 1.09.2009. Die Beklagte hat dieses Verhalten in der Vergangenheit insgesamt viermal, zuletzt am 29.07.2008, wirksam abgemahnt.

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Jedoch überwiegt im Rahmen der fristlosen Kündigung das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dasjenige der Beklagten an seiner sofortigen Beendigung. Auch der siebenmaligen Verletzung der Mitteilungspflichten kommt im einem Arbeitsverhältnis, dass zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs über sechzehn Jahre bestanden hat, nicht das Gewicht zu, dass es dem Arbeitgeber infolge der Pflichtverstöße nicht zugemutet werden könnte, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch fortzusetzen. Über die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses lagen zwischen den einzelnen Verstößen längere Zeiträume und hat es zudem auch Krankheitszeiträume gegeben, in denen der Kläger seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die Beklagte muss also nicht erwarten, dass der Kläger jederzeit wieder seine Pflichten missachten werde. Die in kurzer zeitlicher Folge aufgetretenen beiden letzten Verstöße sind lediglich Anlass für die Annahme, dass der Kläger auf längere Sicht nicht als genügend zuverlässig anzusehen ist, das berechtigte betriebliche Interesse der Beklagten an einer unverzüglichen Mitteilung neu aufgetretener oder sich fortsetzender Erkrankungen anzuerkennen und seinen Verpflichtungen durchgehend nachzukommen. Daher ist es der Beklagten zumutbar, das seit über sechzehn Jahren bestehende Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

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3. Die ordentliche Kündigung vom 17.09.2009 ist hingegen wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der tarifvertraglichen ordentlichen Kündigungsfrist zum 28.02.2010 beendet; denn sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG vom 11.12.2003 EzA § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62) genügen für eine verhaltensbedingte Kündigung solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- oder vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Bei jeder Kündigung sind zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot zu berücksichtigen. Daraus folgt u. a., dass eine wegen vertragswidrigen Verhaltens ausgesprochene Kündigung nur sozial gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer vorher vergeblich abgemahnt worden ist (BAG AP Nr. 137 zu § 626 BGB; AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rz. 214; 404 – 409).

27

Die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Arbeitsverhinderung nach fruchtlosen Abmahnungen ist in der Regel eine für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung geeignete Pflichtverletzung. Für den Fall der Arbeits-unfähigkeit ist diese Nebenpflicht – allerdings nur für den Fall der Ersterkrankung, nicht hingegen bei Fortdauer der Erkrankung – zudem im Gesetz (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG) ausdrücklich geregelt. Nach weitaus überwiegender Ansicht wird die Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG jedoch auch auf Fälle der Verletzung der Anzeigepflicht bei Folgeerkrankungen angewendet (vgl. dazu ErfK/Dörner 7. Aufl. § 5 EFZG Rn. 5, 13, u. 45) mit der Folge, dass auch dann nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann.

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In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die ordentliche Kündigung vom 17.09.2009 als wirksam. Der Kläger hat durch die unstreitige siebenmalige Verletzung der Anzeigepflichten bei Arbeitsunfähigkeit, zuletzt zweimal in kurzer Folge am 28.07.2009 und am 1.09.2009, seine arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Die Beklagte hat dieses Verhalten in der Vergangenheit insgesamt viermal, zuletzt am 29.07.2008, wirksam abgemahnt. Hinsichtlich des letzten Verstoßes am 1.09.2009 kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, mit dem Betriebsrat über seine Erkrankung und auch über deren Fortdauer gesprochen zu haben. Zum einen ist nicht klar, ob dieses Gespräch vor dem 1.09.2009 stattgefunden hat, zum anderen muss sich die Beklagte Mitteilungen gegenüber dem Betriebsrat nicht zurechnen lassen. Es kann zudem vom Kläger erwartet werden, auch nach dem Ausspruch der Kündigung vom 19.08.2009 noch seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, insbesondere nachdem er auf die Bedeutung der Mitteilungspflicht für seinen Arbeitgeber bei Erst- und Fortsetzungserkrankungen vorher durch vier Abmahnungen hingewiesen worden ist.

29

Aufgrund der Anzahl der Pflichtverstöße und der auch nach vier ausgesprochenen Abmahnungen fehlenden Bereitschaft des Klägers, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten durchgehend nachzukommen, überwiegt hier das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem des Klägers an seiner Fortsetzung. Die Eigenart der von der Beklagten erbrachten Dienstleistung, der Flugzeuginnenreinigung, bringt es mit sich, dass sie jeweils nur in einem engen zeitlichen Fenster erledigt werden kann. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit die Beklagte kurzfristig anderweitig den Personaleinsatz disponieren kann. Dem Kläger fällt durch seine Eigenschaft als Vorarbeiter bei der Durchführung eines Reinigungsauftrags zudem noch eine herausgehobene Rolle zu. Die wiederholt ausbleibende Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit verletzt die Geschäftsinteressen der Beklagten in erheblicher Weise. Sie ist bei ihrem Geschäft auf in dieser Hinsicht verlässliche Mitarbeiter angewiesen. Wie die zwei wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb kurzer Zeit – am 28.07.2009 und am 1.09.2009 – trotz vorangegangener vier Abmahnungen belegen, kann sich die Beklagte nicht in der für ihr Geschäft notwendigen Weise auf den Kläger verlassen. Demgegenüber schafft die zugunsten des Klägers zu berücksichtigende langjährige Betriebszugehörigkeit von über 16 Jahren bei Ausspruch der Kündigung kein ausreichendes Gegengewicht, um seinem Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch bei einer ordentlichen Kündigung, d.h. über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus, noch den Vorrang einzuräumen.

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4. Da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.02.2010 geendet hat, steht dem Kläger mangels eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen die Beklagte mehr zu.

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Die Parteien haben gem. §§ 64 Abs.6 ArbGG, 92 ZPO die Kosten des Rechtsstreits jeweils anteilig zu tragen, da sie teils gewonnen haben und teils unterlegen sind.

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Ein gesetzlich begründeter Anlass für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war nicht ersichtlich.

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