Kein Sonderkündigungsschutz für den Datenschutzbeauftragten nach dem sächsischen Landesdatenschutzgesetz
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2006, 2 Sa 702/05
Tenor:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Revision ist nicht zugelassen.
Die Parteien streiten auf die Berufung der bei dem Arbeitsgericht Dresden unterlegenen Beklagten unverändert darüber, ob die dem Kläger angesonnene Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten
mit Schreiben vom 02.12.2004, dem Kläger zugegangen am 06.12.2004, erklärt zum 30.06.2005, ungerechtfertigt ist.
Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Dort ist das auch für die Entscheidung des
Berufungsgerichts erhebliche Vorbringen beider Parteien ersichtlich vollständig und richtig beurkundet. Änderungen im tatsächlichen Bereich haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Unverändert geblieben sind auch die Rechtsauffassungen
der Parteien.
Wegen ihres Vorbringens und ihrer Rechtsauffassungen wird auf den gesamten
Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Denn die – ihrerseits zulässige – Kündigungsschutzklage ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts unbegründet.
Es ist nicht festzustellen, dass die dem Kläger angesonnene Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt ist.
1. Sozial ungerechtfertigt ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb (oder hier: in der Verwaltung) entgegenstehen, bedingt ist.
Kündigungsgrund ist hier – und im Rahmen der Anhörung des Personalrats diesem auch mitgeteilt – zumindest auch, dass der Kläger zu einem Zeitpunkt zum Datenschutzbeauftragten bestellt wurde, als diese Möglichkeit im sächsischen Datenschutzrecht noch nicht vorgesehen war und deshalb eine Änderung erforderlich werde.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer mithin zumindest auch personenbedingten Kündigung ist auch das Änderungsangebot der Beklagten zu berücksichtigen, das dem Kläger seinen bisherigen Arbeitsplatz unter Abzug der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter erhält. Denn der Kläger hat das Angebot unter dem Vorbehalt seiner Rechtfertigung angenommen.
Es gilt somit ein zweistufiges Prüfungsverfahren für die Änderungskündigung, und zwar auch für die – wie eben hier – personenbedingte Änderungskündigung:
In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob Gründe in der Person des Arbeitnehmers das Angebot bedingen. Bei einer personenbedingten Kündigung muss zunächst ein an sich geeigneter Kündigungsgrund vorliegen (vgl. zusammenfassend für die ordentliche Änderungskündigung etwa von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG § 2 Rdnr. 63 f. m. z. Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen).
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die dem Arbeitnehmer vorgeschlagene Änderung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf den Kündigungsgrund dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Hier ist also das Änderungsangebot in die Prüfung mit einzubeziehen. Bei der personenbedingten Änderungskündigung ist zu prüfen, ob das Änderungsangebot geeignet und erforderlich ist, die durch den Kündigungsgrund eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen (vgl. erneut zur örtlichen Änderungskündigung von Hoyningen-Huene/Linck, a. a. O. Rdnr. 65).
Eine personenbedingte Änderungskündigung kann sich grundsätzlich nur auf eine Änderung der Tätigkeit beziehen und kommt in Sonderheit dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer aus bestimmten Gründen seine bisherige Tätigkeit nicht oder nicht im bisherigen Umfang fortsetzen kann (vgl. erneut von Hoyningen-Huene/Linck, a. a. O. Rdnrn. 70, 70 a, m. N.).
2. Diesem Prüfungsmaßstab hält die dem Kläger im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung angesonnene Änderung der Arbeitsbedingungen hier stand.
a) Die arbeitsrechtliche Kündigung vollzieht lediglich nach, dass die Ernennung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten spätestens aufgrund des Widerrufs des früheren Oberbürgermeisters der Beklagten mit Schreiben vom 27.03.2002 mit Ablauf des 31.03.2002 sein Ende gefunden hat.
Dieser Widerruf der Bestellung war als „actus contraius“ nicht an die Voraussetzungen des Bundesdatenschutzgesetzes, insbesondere nicht an dessen Voraussetzungen für einen Widerruf in § 4 f Abs. 3 Satz 4 geknüpft. Denn das Bundesdatenschutzgesetz gilt wegen seiner Regelung in § 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 nur für öffentliche Stellen des Bundes und unter bestimmten Voraussetzungen für öffentliche Stellen der Länder. Nicht gilt es für die Gemeinden in den Ländern. Jedenfalls gilt es nicht für die Beklagte, weil der Datenschutz im Freistaat Sachsen durch Landesgesetz geregelt ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG), und zwar auch nicht als (früheres) Rahmenrecht. Das Sächsische Datenschutzgesetz vom 11.12.1991 (GVBl. S. 401) sah gemeindliche Datenschutzbeauftragte nicht vor.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des geltenden Sächsischen Datenschutzgesetzes vom 25.08.2003 (GVBl. S. 330) „können“ bestimmte Stellen – darunter wegen § 2 Abs. 1 des Gesetzes auch Gemeinden – einen Datenschutzbeauftragten bestellen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes bedarf die Bestellung der Schriftform. Bindungen für den Widerruf der Bestellung bestehen nicht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes ist lediglich angeordnet, dass der Datenschutzbeauftragte „wegen“ der Erfüllung seiner Aufgaben nicht benachteiligt werden darf.
Bestellt worden nach dem geltenden Datenschutzgesetz ist der Kläger nicht. Diese Bestellung hätte der Schriftform bedurft. Eine Bestellung ergibt sich demgemäß auch nicht konkludent daraus, dass der Kläger einmal vor Geltung des neuen Datenschutzgesetzes in einer der Schriftform genügenden Weise bestellt worden ist. Denn diese Bestellung erfolgte nicht auf der Grundlage des geltenden Rechts.
Selbst wenn die zurzeit der Geltung des alten Datenschutzgesetzes erfolgte Ernennung fortwirken würde, hätte die Beklagte – da sie einen Datenschutzbeauftragten bestellen kann und nicht bestellen muss – auch die Möglichkeit, von einer Bestellung abzusehen. Kann sie aber schon von einer Bestellung eines Datenschutzbeauftragten absehen, ist es ihr auch nachgelassen, die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten zu widerrufen. Ob dies ermessensfehlerfrei zu geschehen hat, ist letztlich eine Frage des öffentlich-rechtlichen Datenschutzrechts und keine spezifisch arbeitsrechtliche.
Allerdings entscheidet nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Bei dieser Prüfung ergibt sich hier, dass die Ernennung widerrufen werden konnte. Der Kläger hatte keine der Formvorschrift des geltenden Datenschutzgesetzes genügende Bestellung nach dessen Inkrafttreten. Eine Bestellung resultiert aus einer Zeit, in der seine Bestellung nicht einmal vorgesehen war. Gemessen daran ist es der Beklagten nachzulassen, von der Bestellung Abstand zu nehmen. Arbeitsrechtlich betrachtet ist dem Kläger lediglich eine einmal zugewiesene Arbeitsaufgabe wieder entzogen worden (was i. e. S. schon keinen datenschutzrechtlichen Widerruf darstellt).
Der Kläger konnte auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte von seiner Bestellung lediglich unter Berücksichtigung der sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz sowie aus dem neuen Sächsischen Datenschutzgesetz ergebenden Bindungen Abstand nehmen würde. Denn zum Zeitpunkt seiner Bestellung galten die entsprechenden Regelungen noch nicht und § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG gilt für den Kläger bis heute nicht. Die strittige Frage eines sich aus jener Regelung ergebenden Sonderkündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte (vgl. dazu LAG Niedersachsen 16.06.2003 – 8 Sa 1968/02 – NZA-RR 2004, 354; APS/Preis § 4 f BDSG Rdnr. 15; Gola BDSG § 4 f Rdnr. 39; Berger-Delhey ZTR 1995, 14 ff.; Ostrowicz RDV 1995, 112 ff.; Ehrich NZA 1993, 248 ff.; ders. DB 1991, 1981, 1984 ff.) stellt sich hier demgemäß nicht.
Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger gegen die Wirksamkeit des Widerrufs bislang nicht gewandt hat. Mit Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29.07.2004 – 3 Sa 1123/03 – hat er sich (neben einer Entgeltforderung) lediglich seine Weiterbeschäftigung als behördlicher Datenschutzbeauftragter der Stadtverwaltung der Beklagten erstritten. Dieses Urteil verhält sich zur Rechtswirksamkeit des Widerrufs nicht. Der Prozesssieg des Klägers beruht einzig und allein darauf, dass das Landesarbeitsgericht – mit Recht – das Fehlen einer Kündigung (die jetzt erklärt und Streitgegenstand ist) bemängelt hat.
b) Die dem Kläger vorgeschlagene Änderung der Arbeitsbedingungen entspricht im Hinblick auf den Kündigungsgrund auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Änderungskündigung passt das Arbeitsverhältnis der Parteien lediglich dem Umstand an, dass der Kläger nicht (mehr) Datenschutzbeauftragter ist. Der Kern des Beschäftigungsverhältnisses – die eigentliche Arbeitsaufgabe des Klägers – bleibt unberührt.
In Sonderheit bezieht sich die Änderungskündigung auch lediglich auf die Tätigkeit des Klägers. Der Wegfall der dafür entrichteten Stellenzulage ist nur ein Reflex. Auch ist der Erhalt der Stellenzulage nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung nicht das eigentliche Prozessziel des Klägers. Ihm geht es um die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter und die damit verbundene Wahrnehmung seiner Person in der Stadtverwaltung. Es überwiegt mithin eindeutig das ideelle das finanzielle Interesse.
3. Die Kündigung ist auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam.
a) Die im Rahmen der Anhörung vor Ausspruch der Kündigung dem Personalrat mitgeteilten Gründen für die Kündigung decken sich jedenfalls mit den Gründen, die die Kündigung aus den vorstehenden Erwägungen heraus auch tragen.
b) Die Kündigung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des geltenden Sächsischen Datenschutzgesetzes unwirksam. Zum einen betrifft diese Regelung nur einen unter der Geltung des Gesetzes und formgerecht bestellten Datenschutzbeauftragten. Zum anderen kommt es insoweit nicht auf das Vorliegen von Kündigungsgründen an, was die Beklagte vorzutragen und im Streitfall zu beweisen hätte. Vielmehr ist es aufgrund der sprachlichen Wendung in dem Benachteiligungsverbot („wegen“) Sache des Klägers, darzulegen und im Streitfall nachzuweisen, dass ihm gerade wegen seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter gekündigt worden ist (vgl. APS/Preis § 4 f BDSG Rdnr. 16).
An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch. Denn die Kündigung ist genau genommen gerade nicht amtsbezogen, sondern auch deshalb erklärt, weil die Beklagte den Kläger – mit Recht – nicht (mehr) als Datenschutzbeauftragten erkennt.
4. Der auf die Berufung im Ergebnis erfolgten Klageabweisung steht das vom Kläger erstrittene vorgenannte rechtskräftig gewordene Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen. Dieses Urteil hatte vorgreiflich weder über die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragen zu befinden und hat hierüber auch nicht befunden. Noch hat das Urteil sich zur Frage der Rechtswirksamkeit einer noch zu erklärenden (der hier streitgegenständlichen) Kündigung verhalten noch überhaupt verhalten können. Die Abweisung der Kündigungsschutzklage führt auch nicht zu einem gegenüber dem ersten landesarbeitsgerichtlichen Urteil widersprüchlichen Ergebnis. Denn das den Beschäftigungsanspruch ausurteilende Urteil schließt das Entstehen von Einwendungen, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die es ergangen ist, nicht aus (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO, der eine derartige Situation voraussetzt).
II.
Der Kläger hat aufgrund der das arbeitsgerichtliche Urteil abändernden Berufungsentscheidung die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er mit der Abweisung seiner Klage unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt. Zu entscheiden ist ein Einzelfall auf der Grundlage datenschutzrechtlicher Bestimmungen, die über den Zuständigkeitsbereich
des Sächsischen Landesarbeitsgerichts hinaus keine Geltung haben. Die Auslegung und Anwendung der Regelungen in § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG steht mangels Anwendbarkeit auf den Streitfall nicht in Rede.
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Vorinstanz: ArbG Dresden, Urteil vom 23.06.2005, 5 Ca 6290/04