Kündigung während der Probezeit – Kein besonderer Kündigungsschutz für den Datenschutzbeauftragten
LAG Hannover, Urteil vom 16.06.2003, 8 Sa 1968/02
Leitsätze
- Ein genereller Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist mit § 4f Abs 3 S 3 und 4 BDSG nicht vereinbar.
- Mit dem beendeten Arbeitsverhältnis ist auch die Bestellung als Datenschutzbeauftragter automatisch beendet. Einer ausdrücklichen Abberufung bedarf es nicht.
Tenor
- Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2002 (2 Ca 189/02) und 2 Ca 320/02) werden kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die Weiterbeschäftigung des Klägers, eine weitere außerordentliche Kündigung sowie die Wirksamkeit einer Abberufung als Datenschutzbeauftragter.
Der am 00.00.1947 geborene Kläger ist entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 16.08.2001 seit dem 01.10.2001 als Qualitätsmanagementbeauftragter zu einem Bruttomonatseinkommen von 6.392,– $E$ beim Beklagten beschäftigt.
Unter Abschnitt I. Ziff. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien, dass die ersten sechs Monate als Probezeit gelten.
Mit Schreiben vom 01.10.2001 wurde der Kläger mit Wirkung ab dem 01.10.2001 zusätzlich zum Datenschutzbeauftragten der Beklagten bestellt.
Der Kläger war sowohl für die Qualitätsmanagementplanung als auch für die Weiterentwicklung und konsequente Ausweitung der Qualitätsmanagementwerkzeuge verantwortlich. Hierzu sollte er u. a. ein bereits vorhandenes Orga-Buch überarbeiten bzw. updaten und ein Qualitätsmanagementhandbuch erstellen, in welchem die laufend sich ändernden Prozesse zu jedem Zeitpunkt beschrieben werden. In welchem Umfang ein solches QM-Handbuch erstellt wurde und wer für Verzögerungen verantwortlich sein soll, ist zwischen den Parteien streitig. Der Aufbau eines Qualitätssicherungssystems bedarf einer Zeit von mehr als sechs Monaten. Bis Januar 2002 war das Updaten des Orga-Handbuches nicht erledigt.
Während der Tätigkeitsdauer ist der Kläger nicht auf eine eventuell schlechte Leistung angesprochen worden. Am 26.03.2002 wurde der Kläger zum damaligen Geschäftsführer der Beklagten P. gerufen, der ihm ohne Vorankündigung eine Aufhebungsvereinbarung zur Unterzeichnung vorlegte. Da der Kläger nicht unterzeichnet hatte, erhielt er am Abend des 26.03.2002 eine auf den 22.03.2002 datierte Kündigung innerhalb der Probezeit zum 30.04.2002 sowie eine Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der am 15.04.2002 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage (2 Ca 189/02) und begehrt die Weiterbeschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragter.
Bereits am 10./11.04.2002 diskutierte der damalige Geschäftsführer P. eine Datenschutzvereinbarung mit ehemaligen Leitern der Rechenzentren der Berufsgenossenschaften und den örtlichen Datenschutzbeauftragten auf deren Sitzung. Der Kläger meldete sich zur Teilnahme an, die jedoch vom damaligen Geschäftsführer P. abgelehnt wurde.
Mit Schreiben vom 05.06.2002 erklärte die Beklagte vorsorglich eine fristlose Kündigung und widerrief vorsorglich die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der am 25.06.2002 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage (2 Ca 320/02).
Der Kläger hält die Kündigungen für unwirksam, weil sie einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) seien und hat hierzu gemeint:
Er sei unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich zum nebenamtlichen Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Deshalb sei mit der Kündigung vom 22./26.03.2002 keine Enthebung von seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter erfolgt. Vielmehr sei er als Datenschutzbeauftragter ggf. in Teilzeit weiterhin zu beschäftigen, da sonst der Schutz des Datenschutzbeauftragten während der Probezeit leerliefe.
Der Kläger hat behauptet:
Die Maßnahmen für das Qualitätsmanagementhandbuch bzw. die Prozessdarstellungen hätten eine Freigabe durch den Geschäftsführer erfordert, die Herr P. trotz mehrerer Aufforderungen nicht erteilt habe. Wegen ständiger Änderungswünsche des damaligen Geschäftsführers sei die Überarbeitung des Orga-Handbuchs unvollständig geblieben. Die Beklagte begründe die Kündigung mit der Tätigkeit des Klägers als Datenschutzbeauftragter.
Der Kläger hat beantragt,
es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 22.03.2002, zugegangen am 26.03.2002, rechtsunwirksam
ist und dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.04.2002 hinaus unverändert fortbesteht und der Kläger als Qualitätsmanagement-Beauftragter weiter zu beschäftigen ist (2 Ca 189/02)
sowie
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.06.2002 nicht aufgelöst wurde. Gleichzeitig wird beantragt, den mit der Kündigung ausgesprochenen Widerruf der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten als rechtsunwirksam zu erklären (2 Ca 320/02).
Die Beklagte hat jeweils beantragt:
Die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet:
Die Leistungen des Klägers, der primär für das Qualitätsmanagement zuständig gewesen sei, hätten von Anfang an nicht überzeugt. Er habe nicht die vorhandenen Mängel beseitigt. Die Beklagte habe nicht den Eindruck gehabt, als ob der Kläger in irgend einer Form am Qualitätsmanagement-Buch gearbeitet habe. Der Kläger habe auf Nachfragen nach Fortschritten seiner Arbeit geschwiegen. Trotz wiederholter Erinnerungen und Aufforderungen habe der Kläger nur dürftigste Ansätze geliefert. Im Orga-Handbuch habe der Kläger 4-stellige Kostenstellen in 5-stellige updaten sollen, was er unterlassen und stattdessen 4- und 5-stellige Kostenstellen gemischt habe.
Es habe Konflikte mit Kollegen und Kunden gegeben, weil er Post der anderen Mitarbeiter durchgesehen habe. Die Euroumstellung per 31.12.2001 sei eine Aufgabe des Klägers gewesen, die er nicht habe durchführen können.
Am 02.04.2002 habe der damalige Geschäftsführer P. den Kläger vorsorglich mit sofortiger Wirkung als Datenschutzbeauftragter abberufen. Am 03.04.2002 sei dem Kläger durch den Geschäftsführer untersagt worden, wegen seiner Kündigung die Kunden der Beklagten zu belästigen. Der Kläger habe im Telefonat vom 25.05.2002 trotz dieses Verbots sich gegenüber dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer K. beklagt, dass der Beklagte ihn hindere, für Herrn K. als Datenschutzbeauftragter tätig zu werden. Einziger Zweck des Anrufs sei gewesen, auf diesem Wege auf den ehemaligen Geschäftsführer P. Druck auszuüben, um den Kläger wieder einzustellen. Der Beklagte hat gemeint, dass dies eine Treuelosigkeit und Illoyalität sei, die ohne Abmahnung zu einer außerordentlichen Kündigung berechtige.
Das Arbeitsgericht Hannover hat durch die dem Kläger am 04.12.2002 zugestellten Urteile vom 09.10.2002 die Klage jeweils vollumfänglich abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2002 wirksam beendet worden sei.
Die Kündigungen stellten keinen Verstoß gegen § 4 f Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG dar und ein Arbeitgeber dürfe kündigen, soweit die Kündigung nicht auf amtsbezogene Gründe gestützt werde, jedenfalls solche nicht tragender Beweggrund gewesen seien. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit habe der
Kläger nicht ausreichend widerlegt.
Wegen der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitgegenstandes und dessen rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht wird auf die Urteile Bezug genommen (Bl. 124 – 130 des Verfahrens 2 Ca 189/02 sowie Bl. 45 – 48 d.A. 2 Ca 320/02).
Gegen diese Urteile richten sich die am 17.12.2002 beim Landesarbeitsgericht eingelegten und am 31.01.2003 begründeten Berufungen.
Der Kläger meint:
Es liege keinerlei Pflichtverletzung vor, die eine Kündigung rechtfertigen würde. Die Kündigung sei als Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 4 f Abs. 3 BDSG zu sehen.
Der Kläger behauptet:
Die Koordination der Formularentwicklung habe gar nicht in den Bereich des Qualitätsmanagement gehört und sei vom Kläger arbeitsvertraglich nicht geschuldet. Die Erstellung des QM-Handbuches sei nicht nebenbei zu erledigen
gewesen. Es sei ihm völlig freigestellt gewesen, wie er sich die Arbeitszeit bezüglich der Aufgaben als Qualitätsmanager und als Datenschutzbeauftragter einteile. Bis Januar 2002 habe er jeweils 50 % seiner Arbeitszeit für die Aufgaben des Qualitätsmanagement-Beauftragten und die des Datenschutzbeauftragten aufgewendet.
Mit am 10.06.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz behauptet der Kläger:
Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis allein wegen seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter beendet, weil sie sich gerade durch die Ernsthaftigkeit, mit der der Kläger sein Amt versehen habe, gestört gefühlt habe.
Der Kläger habe am 20.03.2002 erfahren, dass der Geschäftsführer im Rahmen einer Sitzung zum Thema Datenschutzvereinbarung sprechen werde. Er habe den Kläger hierüber nicht informiert. Das Verhältnis sei nachhaltig belastet worden, als der Kläger festgestellt habe, dass die Beklagte datenschutzwidrige vertragliche Verpflichtungen mit der Firma Interkom eingegangen sei und er dies zuletzt am 07.03.2002 angeprangert habe. Herr L. und Herr P. hätten ihr Mißfallen hierzu geäußert. Beständiger Anlass zum Unmut seien auch die berechtigten Mahnungen des Klägers bezüglich der Sicherheitsmängel in den beiden Rechenzentren in München gewesen. Ab Januar 2002 habe er sich zu 90 % auf den Datenschutz konzentrieren müssen.
Der Kläger beantragt:
- Es wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2002 – 2 Ca 189/02 – festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 22.03.2002, zugegangen am 26.03.2002, rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.04.2002 hinaus unverändert fortbesteht und der Kläger als Qualitätsmanagement-Beauftragter weiter zu beschäftigen ist;
- Es wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2002 – 2 Ca 320/02 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.06.2002 nicht aufgelöst wurde;
- Der mit der Kündigung ausgesprochene Widerruf der Bestellung des Berufungsklägers zum Datenschutzbeauftragten wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2002 – 2 Ca 320/02 – für rechtsunwirksam erklärt.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufungen zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile nach Maßgabe der Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2003, 16.05.2003 sowie 15.06.2003, auf die Bezug genommen wird (Bl. 181 – 185, Bl. 200 –203 sowie 231 – 235 d. A.).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufungen des Klägers sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.
Die Berufungen sind jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen.
1.
Die Kündigung der Beklagten vom 22.03.2002, zugegangen am 26.03.2002, hat das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2002 beendet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Kündigung wirksam ist.
a)
Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes finden mangels Erfüllung der Wartefrist des § 1 KSchG keine Anwendung.
b)
Die Kündigung verstößt auch nicht gegen § 4 f Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG. Gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 3 BDSG darf der Beauftragte für den Datenschutz wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht benachteiligt werden. Die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz kann gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG in entsprechender Anwendung von § 626 BGB widerrufen werden.
Bei der Beurteilung, ob durch diese Regelungen ein besonderer Kündigungsschutz für den Datenschutzbeauftragten geschaffen worden ist, ist eine kontroverse Diskussion entstanden.
Eine ordentliche Kündigung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten wird wegen des vom Gesetzgeber gewollten „stärkeren Schutzes“ des Datenschutzbeauftragten von großen Teilen der Kommentarliteratur für unzulässig gehalten (Schierbaum/Kiesche, Der betriebliche Datenschutzbeauftragte, CR 1992, 726, 728; Dr. Herb, CR 1994, 486, m.w.N.). Der Arbeitgeber soll deshalb an einer ordentlichen Kündigung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten gehindert sein, weil diese durch die Regelung ausgeschlossen sei (Wohlgemuth, Neuere Entwicklungen im Arbeitnehmerdatenschutz, BB 1992, 281, 284). Hierbei wird betont, dass die damalige Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes von 1990 als Stärkung des Kündigungsschutzes interpretiert werden müsse (Berger-Delhey, Besonderer Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten, ZTR 1995, 14, 16 m.w.N.).
Es wird außerdem die Auffassung vertreten, dass der betriebliche Datenschützer vor einer ihn benachteiligenden Entlassung speziell durch den nur bei wichtigem Grund zulässigen Widerruf seiner Bestellung geschützt sei (Gola/Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002 Rdnr. 53 zu § 4 f). Weiterhin wird angenommen, dass sich aus § 4 f Abs. 3 ein besonderer Kündigungsschutz ergebe (noch zur alten Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 4 BDSG 1990: Dr. Ehmann, CR 1994, 485, Anm. zum Urteil des Arbeitsgerichts Dresden).
Die Gegenmeinung hierzu hält einen solchen generellen Ausschluss der ordentlichen Kündigung mit § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG nicht vereinbar (so für die alte Regelung in § 36 Abs. 3 Satz 4 BDSG 1990, Ehrich, Der betriebliche Datenschutzbeauftragte, DB 1991, 1981, sowie NZA 1993, 248 und CR 1993, 226; ArbG Dresden, Urteil vom 09.02.1994, 3 Ca 7628/03, CR 1994, 484). Es müsse vom Schutzzweck der Regelung her beantwortet werden, welche Kündigungen ausgeschlossen sein sollen. Gesetzwidrig sein Kündigungen die wegen der Amtsausübung ausgesprochen werden, soweit nicht ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliege (Dr. Ostrowicz, Kündigungsschutz versus Abberufungsschutz des Datenschutzbeauftragten, RDV 1995, 115, 116; LAG Berlin, Urteil vom 27.10.1997, 17 Sa 87/97, RDV 1998, 73, 74).
Dieser Gegenmeinung ist zuzustimmen, weil eine Differenzierung erforderlich ist. Bei einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung können nur solche Kündigungsgründe in Betracht kommen, die mit der Amtsführung nichts zu tun haben. Ein genereller Kündigungsschutz ist abzulehnen, weil eine gesetzliche Regelung für einen Ausschluss jeglicher ordentlicher Kündigung nicht vorliegt.
Bei Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG ist weder nach der grammatikalischen noch nach der systematischen Überprüfung ein absolutes Kündigungsverbot für ordentliche Kündigungen zu entnehmen.
Anders als in der ausdrücklichen Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, wonach „eine Kündigung eines Mitgliedes des Betriebsrates etc. unzulässig ist, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist berechtigen…“ hat der Gesetzgeber im § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG eine solche Formulierung – trotz umfangreicher Novellierung des Gesetzes im Jahre 2002 – nicht übernommen.
Auch eine Regelung wie der Gesetzgeber sie im § 58 Abs. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) getroffen hat, wurde nicht ansatzweise übernommen. Nach dieser Norm ist dann, wenn der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer des zur Bestellung verpflichteten Betreibers ist, die Kündigung des Arbeitsvertrages unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Anhand dieser Formulierung wird deutlich, dass der Gesetzgeber für den Immissionsschutzbeauftragten (ebenso wie für den Störfallbeauftragten gemäß § 58 d BImSchG) einen besonderen Kündigungsschutz explizit geregelt hat. Eine entsprechend deutliche Formulierung fehlt im § 4 f Abs. 3 BDSG.
Auch die historische Auslegung bestätigt die Gegenmeinung. Denn der Gesetzgeber hat bereits in der Begründung zum Gesetz in der Bundesdrucksache 11/4306, S. 52 zum Satz 4 der Regelung des § 36 Abs. 3 BDSG 1990 ausgeführt, dass dieser einen stärkeren Schutz gegen die Abberufung des Beauftragten beinhalte und damit seine Unabhängigkeit gegenüber der Leitung der speichernden Stelle festige „die Bestellung eines Arbeitnehmers zum Beauftragten endet – ohne dass dies einer ausdrücklichen Regelung bedarf – auch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“. Aus dieser Klarstellung –mag sie auch wie die Kritiker meinen, erst durch Kompromisse entstanden sein ist für die Interpretation auch der aktuellen Norm des § 4 f Abs. 3 BDSG eine eindeutige Vorgabe erkennbar. Sie bezieht sich auf den betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Vor dem Hintergrund eines ansonsten ohne arbeitsvertragliche Regelungen weiter bestehenden Bestellungsverhält-nisses zum Datenschutzbeauftragten gibt diese Stellungnahme in der Bundestagsdrucksache einen wichtigen Hinweis zum gesetzgeberischen Willen. Daraus wird deutlich, dass eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses trotz Verbesserung und „Stärkung“ des Schutzes des betrieblichen Datenschutzbeauftragten gerade vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen werden sollte. Soweit die Literaturstimmen, die eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausschliessen wollen, entgegen dieser Äußerung aus dem Gesetzgebungsverfahren auf einem „erforderlichen“ Schutz bestehen, übersehen sie, dass die Gerichte für Arbeitssachen sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und „gewünschte“ Schutzrege-lungen in die Gesetze hineininterpretieren dürfen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte an die Anwendung der vorhandenen Gesetzebestimmung gebunden, und müssen den zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen respektieren. Sie sind nicht der Adressat für Änderungswünsche nach mehr Schutz für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Solche sind an den Gesetzgeber zu richten.
Auch die teleologische Auslegung führt nicht zu einem ordentlichen Kündigungsverbot der betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG ist es, den Datenschützer, der gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 2 BDSG in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes weisungsfrei ist, zu schützen. Das Benachteiligungsverbot ist eine Konsequenz der Unabhängigkeit (Gola/Schomerus, BDSG,a. a. O., Rdnr. 53 zu § 4 f). Gleichwohl läßt sich aus dem Gedanken des Benachteiligungsverbotes kein so weitreichender Kündigungsausschluss für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses entnehmen. Soweit der Kläger meint, ein solcher Kündigungsausschluss sei erforderlich, weil sonst der Schutz des Datenbeauftragten während der Probezeit leerlaufe, so übersieht er, dass die Probezeit auch dazu da ist, die fachliche Eignung für die konkrete Stelle zu beurteilen. Ein besonderer Kündigungsschutz vom ersten Tag an würde eine solche Probezeitbeurteilung verhindern. Auch die anderen Schutzgesetze, wie z. B. § 15 KSchG für das Betriebsverfassungsgesetz, beginnen nicht am ersten Tag der Beschäftigung, sondern können wegen der Wählbarkeit als Betriebsrat erst nach Ablauf einer entsprechenden Probezeit relevant werden. Ähnlich ist auch der besondere Kündigungsschutz des Schwerbehinderten gemäß § 90 Abs. 1 Ziff. 1 SGB IX erst nach Ablauf von sechs Monaten relevant.
Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (EU-Datenschutz-Richtlinie). Denn in dieser Richtlinie, die der Gesetzgeber bei der Novellierung des BDSG beachten musste, gibt es keinen festgeschriebenen Kündigungsschutz für den Datenschutzbeauftragten.
c)
Die Kündigung verstößt auch nicht deshalb gegen § 4 f Abs. 3 Satz 3 und 4 BDSG, weil die Beklagte den Kläger mit dem Ausspruch der Kündigung für sein Verhalten „abstraft“.
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aus anderen Gründen als amtsbezogenen Gründen möglich (s. o. zu b)). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in der Zeit vom 01.10.2001 bis 31.03.2001 in einer vertraglich vereinbarten Probezeit befand. Für diese Zeit ist der Maßstab für eine Überprüfung der Kündigung – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung findet -, ein anderer als bei einem langjährigen Mitarbeiter.
Der Beklagten muß die Gelegenheit erhalten bleiben, sich innerhalb der Probezeit ein Urteil über die Leistungsfähigkeit des Klägers als Qualitätsmanagement-Beauftragter zu bilden und bei Nichteignung Konsequenzen ggf. durch Ausspruch einer Kündigung in der Probezeit zu ziehen. Eine andere Beurteilung ergibt sich nur dann, wenn die Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigung Verhaltensweisen des Klägers, die im Zusammenhang mit der Erledigung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter stehen, sanktioniert. Hierzu hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen, dass der Ausspruch der Kündigung wegen der Tätigkeit des Klägers als Datenschutzbeauftragter erfolgt ist.
aa)
Soweit der Kläger behauptet, die persönlichen Beziehungen seien durch die Ernsthaftigkeit, mit der der Kläger sein Datenschutzamt versah, gestört worden und das Zerwürfnis gehe allein auf verschiedene Ereignisse im Zusammenhang mit der Datenschutztätigkeit zurück, so liegt darin kein ausreichender Vortrag für eine Kündigung aus amtsbezogenen Gründen. Es handelt sich vielmehr um Wertungen, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sind.
bb)
Die vom Kläger zum 20.03.2002 vorgetragene Behauptung, er habe keine offizielle Informationen über beabsichtigte Gespräche zu einer Datenschutzvereinbarung gehabt, stellt allenfalls ein Indiz für eine möglicherweise unzureichende Einbindung des Klägers als Datenschutzbeauftragten dar. Daraus läßt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass die wenige Tage vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 22./26.03.2002 erfolgte unzureichende Information ein Anzeichen für die „Abstrafung“ des Klägers sein sollte.
cc)
Soweit der Kläger vorträgt, er sei an der Teilnahme am 10./11.04.2002 betreffend die Besprechung einer Datenschutzvereinbarung und damit an der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Datenschutzbeauftragter gehindert gewesen, so ist auch dies kein ausreichender Sachvortrag, für die Behauptung, dass der Kläger wegen der Art der Ausübung seiner Datenschutztätigkeit gekündigt worden ist. Denn diese Besprechung fand erst in der Freistellungszeit, also nach Ausspruch der Kündigung statt.
dd)
Die vom Kläger behaupteten Feststellungen über datenschutzwidrige vertragliche Verpflichtungen der Beklagten sind zwar wegen des zeitlichen Zusammenhangs ein Indiz für einen möglichen Zusammenhang zwischen der Offenbarung durch den Kläger und dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Dieses Indiz ist aber nicht ausreichend, um eine Kündigung wegen der Datenschutztätigkeit des Klägers anzunehmen. Die Beklagte hat ihrerseits den Sachverhalt erläutert und sachliche Gründe dargelegt.
Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, woraus sich ergeben soll, dass es durch seine Mitteilung vom 07.03.2002 zum Kündigungsentschluss der Beklagten gekommen ist.
ee)
Soweit der Kläger behauptet, dass beständiger Anlass zum Unmut berechtigte Mahnungen des Klägers bezüglich der Rechenzentren in München gewesen seien, so liegt auch hierin kein ausreichender Tatsachenvortrag, der den Schluss auf die Haupttatsache, einer Kündigung wegen der Datenschutzaktivitäten des Klägers, zuließe. Dies gilt auch für die Behauptung des Klägers, dass H. L. und der ehemalige Geschäftsführer P. ihr Missfallen hierzu geäußert hätten. Die Äußerung des Missfallens über eine bestimmte Verhaltensweise stellt noch keinen ausreichenden Hinweis auf einen Kündigungsentschluss der Beklagten dar.
ff)
Auch die Gesamtschau der Einzelbehauptungen läßt für die Kammer nicht den vom Kläger beabsichtigten Schluss einer gezielten Kündigung wegen der Tätigkeiten als Datenschutzbeauftragter zu. Dabei verkennt die Kammer nicht die Problematik, dass der Datenschutzbeauftragte sich im Betrieb täglich behaupten muß und daraus Konflikte entstehen. Jedoch ist der Sachverhalt, den der Kläger zu den einzelnen Konfliktpunkten vorträgt, nicht ausreichend um den zwingenden Schluss auf eine Sanktionierung seines Verhaltens durch Ausspruch einer Kündigung zu ziehen.
d)
Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 138 BGB unwirksam. Sittenwidrig ist eine gemäß § 138 BGB während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses erklärte Kündigung des Arbeitgebers nur in besonders krassen Fällen, z. B. wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv beruht (BAG, Urteil vom 24.10.1996, 2 AZR 874/95, Juris).
Hierzu hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, welche verwerflichen Motive des Beklagten vorliegen sollen. Der Vortrag des Klägers besteht in seiner eigenen Einschätzung zur Konfliktsituation mit dem Beklagten. Der Arbeitnehmer hat jedoch Umstände darzulegen und unter Beweis zu stellen, aus denen sich die verwerflichen Motive ergeben. Hierzu ist konkreter Tatsachenvortrag erforderlich.
2)
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Qualitätsmanagement-Beauftragter. Eine Weiterbeschäftigung entsprechend der Entscheidung des Großen Senates scheidet aus, weil das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist (s. a. zu 1)).
3)
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 05.06.2002.
Voraussetzung für einen solchen Feststellungsantrag ist, dass zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Kündigungserklärung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, da das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.04.2002 beendet worden ist (s. a. zu 1.).
4)
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung vom 05.06.2002. Im Zeitpunkt des Zugangs des Widerrufs bestand zwischen den Parteien keine vertragliche Beziehung mehr. Mit dem beendeten Arbeitsverhältnis ist auch die Bestellung des Klägers als Datenschutzbeauftragter automatisch beendet worden. Einer ausdrücklichen Abberufung bedarf es nicht. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass nicht zuletzt um eine Umgehung des § 36 Abs. 3 Satz 4 BDSG 1990 zu verhindern eine Beendigung des zugrunde liegenden Beschäftigungsverhältnisses durch ordnungsgemäße Beendigungskündigung nicht ausreiche um die Bestellung rückgängig zu machen (so Wank im Erfurter Kommentar, 2. Aufl. 2001 Rdnr. 5 zu § 36 BDSG). Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber für den Fall eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Auseinanderfallen im Sinne der Trennungstheorie nicht gewünscht hat. Vielmehr ist nach dem Willen des Gesetzgebers von einer Akzessorietät des Amtes vom Bestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen (so auch Ehrich, Die Bedeutung des § 36 Abs. 3 Satz 4 BDSG für die Kündigung NZA 1993, 248).
Die Stellung des Klägers als Datenschutzbeauftragter ist mit der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 22.03.2002 mit Ablauf des 30.04.2002 beendet worden. Das Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten endet somit automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (s. o. zu 1.). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.
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Vorinstanz: ArbG Hannover, 2 CA 189/02, Urteil vom 09.10.2002