Verhaltensbedingte Kündigung wegen der Weitergabe von angeblichen Geschäftsgeheimnissen
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.04.2011, 5 Sa 1388/10
Leitsätze:
- Für ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis ist Voraussetzung, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung vorliegt.
- Informationen aus einem Vergabeverfahren, die den unterlegenen Mitbewerbern nach § 101 a Abs. 1 GWB mitzuteilen sind, können nicht von einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers erfasst sein.
- Eine auf die Weitergabe solcher Informationen gestützte verhaltensbedingte Kündigung ist rechtsunwirksam.
Tenor:
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung des Klägers durch die Beklagte.
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Der am geborene verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 01.08.2003 bei der Beklagten beschäftigt, wo er zuletzt als Hauptsachbearbeiter in der Funktion als Teamleiter des Teams allgemeine Dienste in der Abteilung Verwaltung, Finanzen und Betrieb zu einem Bruttomonatslohn von 4.873,10 € (Vergütungsgruppe III/Stufe 3) tätig war.
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Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Mitwirkung an einem Vergabeverfahren zum externen Objektschutz im Jahre 2008.
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Nach einer ersten Bewertungsrunde der auf die Aufschreibung eingegangenen Bewerbungen erhielt die Firma I am 23.04.2009 die beste Bewertung.
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Im Anschluss daran entschied der Leiter der Abteilung Verwaltung, Finanzen und Betrieb (VFB), eine erneute Bewertungsrunde hinsichtlich der Bieterunterlagen durchzuführen. Die zweite Bewertung am 28.04.2009 ergab, dass das Angebot der Firma A das beste Angebot gemacht habe.
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Daraufhin wurde den Mitbewerbern am 29.04.2009 eine Absage übermittelt.
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Mit Schreiben vom 14.05.2009 erhielt die Firma A den Zuschlag. Am 03.06.2009 kam es nach vorangegangenem Telefonat zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der abgewiesenen Firma Herrn M . Mit Email vom 04.06.2009 (Bl. 35 d. A.) wandte sich Herr M an den Geschäftsführer der Beklagten Herrn B und führte darin aus, dass die Vergabekommission der ersten Bewertung zu dem Ergebnis gekommen sei, seinem Unternehmen erneut den Zuschlag zu erteilen. Dieses Ergebnis sei jedoch von Herrn R verworfen worden. Die Bewertung sei geändert und das Unternehmen A , welches bereits im Vorfeld wegen des absoluten Dumpingpreises als unseriös aussortiert worden sei, habe den Zuschlag erhalten.
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Die Beklagte hörte darauf am 18.06.2009 sowohl den Kläger als auch den Mitarbeiter R , der ebenfalls Mitglied des Vergabeteams war, zu dem Verdacht an, Interna aus dem Vergabeverfahren an den Zeugen M weitergegeben zu haben, was beide Mitarbeiter bestritten. Die Beklagte ließ zudem einen Revisionsbericht erstellen, der mit Datum vom 31.07.2009 (Bl. 46 ff d. A.) vorgelegt wurde.
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Mit Schreiben vom 17.08.2009 (Bl. 90 ff d. A.) unterrichtete die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat über eine beabsichtigte Änderungskündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 25.08.2009 erhob der Personalrat Bedenken gegen die Änderungskündigung und stimmt auch der mit der Änderungskündigung verbundenen Herabgruppierung in die Vergütungsgruppe V/Stufe 6 nicht zu. Mit Schreiben vom 27.08.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2010 und bot dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.04.2010 zu geänderten Bedingungen an. Demnach sollte der Kläger ab dem 01.04.2010 im Geschäftsbereich G als Teamleiter beschäftigt werden und nach Vergütungsgruppe V/Stufe 6 vergütet werden. Der Kläger nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung an. Zugleich wies er durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 01.09.2009 die Änderungskündigung gemäß § 174 BGB zurück, da ihm nicht bekannt sei, ob die Unterzeichner Herr B und Frau W zur Kündigung berechtigt seien und entsprechende Vollmachten nicht vorgelegt wurden.
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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung begehrt. Er habe keine Informationen aus dem Vergabeverfahren an den Zeugen M weitergegeben. Auch für eine Verdachtskündigung fehlten die den Verdacht begründenden Tatsachen. Der Personalrat sei im Übrigen unzureichend und auch unzutreffend unterrichtet worden. Ferner sei die Kündigung wegen fehlender Vollmacht nach § 174 BGB rechtsunwirksam.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.2009 ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, die Änderungskündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Der Kläger habe Betriebsgeheimnisse aus dem Vergabeverfahren zum externen Objektschutz weitergegeben und somit das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Jedenfalls bestehe der dringende Verdacht der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen. Der Personalrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden.
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Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 10.08.2010 (Bl. 167 ff d. A.) Bezug genommen.
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Nach Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, das nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger dem Zeugen geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Vergabeverfahren weitergegeben habe. Der Zeuge M habe ausdrücklich bekundet, dass er von der Tatsache, dass seine Firma in der ersten Bewertungsrunde vorne gelegen haben und sodann eine zweite Bewertungsrunde durchgeführt worden sei, bei der die Firma A den Zuschlag erhalten habe, bereits vor den Gesprächen mit dem Kläger Kenntnis gehabt habe. Auch die Kenntnisse über die Preise der einzelnen Bieter habe er von seinen eigenen Mitarbeitern, nicht aber vom Kläger erhalten. Nach den Angaben des Zeugen könne nur davon ausgegangen werden, dass er vom Kläger die zusätzliche Information erhalten habe, dass in der zweiten Runde eine andere Bewertung und Gewichtung der Kriterien erfolgt sei. Insbesondere sei das flexible Bewertungskriterium, das zum Beispiel die Weiterbildung der Mitarbeiter, die Qualität oder die Ersatzbestellung von ausfallenden Mitarbeitern betreffe, in der zweiten Runde durch Herrn R anders bewertet worden sei, so dass ein vormals schon ausgeschiedener Bieter, die Firma A , wieder im Rennen gewesen sei. Allein die Weitergabe der Information, dass in einer zweiten Bewertungsrunde im Bereich eines bestimmten Leistungskriteriums veränderte Punktzahlen vergeben worden seien, sei nicht geeignet, einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darzustellen. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass der Zeuge ausdrücklich erklärt habe, dass er keine Kenntnis darüber erlangt habe, wie sich die veränderte Punktevergabe im Einzelnen gestaltet habe.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.
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Zur Begründung macht die Beklagte geltend, der Kläger habe in pflichtwidriger Weise Betriebsgeheimnisse an den Zeugen M weitergegeben. Der Zeuge habe den Inhalt des durch die Beklagten angebotenen Beweises im Wesentlichen bestätigt. Ob der Kläger dem Zeugen das Bewertungsergebnis vom 23.04.2009 oder nur Teile hiervon, nämlich das Ausscheiden der Firma A mitgeteilt habe, sei rechtlich nicht relevant. Ebenso sei nicht relevant, ob der Kläger dem Zeugen die veränderte Gewichtung der Bewertungskriterien oder aber zusätzlich auch Einzelheiten zur Punktevergabe mitgeteilt habe. Zudem sei die Kündigung auch als Verdachtskündigung sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe bei Ausspruch der Verdachtskündigung davon ausgehen dürfen, dass der Kläger dem Zeugen nicht nur das positive Ergebnis der ersten Bewertungsrunde für die Firma des Zeugen, sondern auch die veränderte Gewichtung der Bewertungskriterien
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mitgeteilt habe. Beide Informationen seien geheimhaltungsbedürfte Informationen und mithin ein Betriebsgeheimnis. Dies ergebe sich nach Auffassung der Beklagten aus den einschlägigen Vergabevorschriften. Insbesondere ergebe sich dies aus dem Umkehrschluss aus § 101 a GWB, der die Informationspflichten nach dem Ende der Bewertung regele im Verhältnis zu der grundsätzlich geltenden Vertraulichkeit. Deshalb habe der Kläger dem Zeugen weder offenbaren dürfen, dass seine Firma in der ersten Bewertungsrunde den Zuschlag erhalten hätte, noch dass die Firma A in dieser ersten Runde bereits ausgeschieden war und die in der zweiten Runde der beabsichtigte Zuschlag für die Firma A durch Änderung der Bewertung der Kriterien zustande gekommen sei. Angesichts drohender zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche sei eine Sanktion in Gestalt der ausgesprochenen Änderungskündigung notwendig und angemessen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2010 – 11 Ca 8343/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger macht geltend, unverständlich sei, wie die Beklagte zu der Auffassung gelange, der Zeuge habe bekundet, dass er erstmals durch den Kläger erfahren habe, dass ein vormals schon ausgeschiedener Anbieter, die Firma A gleichwohl in der zweiten Bewertungsrunde Berücksichtigung gefunden habe. Die Beklagte gebe die Zeugenaussage insoweit offenkundig und zutreffend wieder. Vielmehr habe das Arbeitsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers sozial nicht gerechtfertigt sei. Von besonderer Bedeutung sei, dass der Zeuge ausdrücklich bekundet habe, dass er von der Tatsache, dass seine Firma in einer ersten
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Bewertungsrunde vorne gelegen habe und sodann eine zweite Bewertungsrunde durchgeführt worden sei, bei der die Firma A den Zuschlag erhalten habe, bereits vor dem Gespräch mit dem Kläger Kenntnis gehabt habe. Auch die Kenntnis über die Preise der einzelnen Bieter habe er von eigenen Mitarbeitern, nicht aber vom Kläger erhalten.
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Unabhängig von den Erwägungen des Arbeitsgerichts sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil eine Vollmachturkunde nicht vorgelegt worden sei, und weil das personalvertretungsrechtliche Mitwirkungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Im Personalrat sei ohne nähere Einzelangaben lediglich pauschal mitgeteilt worden, der Kläger habe vertrauliche Informationen an Externe weitergegeben und daher Betriebsgeheimnisse verletzt. Um welche konkreten vertraulichen internen Informationen es sich gehandelt haben solle und wann der Kläger diese angeblich in welcher Form an Herrn M weitergegeben habe, ergebe sich aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten nicht. Soweit die Beklagte sich in dem Anhörungsschreiben darauf berufen habe, Herr M habe die Preisdifferenz der Anbieter gekannt, so sei weder dem Anhörungsschreiben noch sonstigen Unterlagen zu entnehmen gewesen, welche Preisdifferenz dies gewesen sein solle und ob Herr M tatsächlich jemals geäußert habe, um welche konkrete Preisdifferenz es sich tatsächlich gehandelt habe. Insoweit sei der Personalrat nicht nur unzureichend, sondern auch unzutreffend unterrichtet worden. Denn die Beklagte habe auf Grund des Revisionsberichts gewusst, dass der Kläger Herrn M anlässlich des Telefonats am 04.05.2009 nicht über die Preisdifferenz unterrichtet habe. Der Personalrat habe darüber hinaus auch nicht auf sein Recht zur Erörterung verzichtet.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf den der Beklagten nachgelassenen Schriftsatz vom 21.03.2011, verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers in vollem Umfang stattgegeben.
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Die Kündigung ist aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden Gründen rechtsunwirksam, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
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1. Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG liegt nicht vor. Weder eine Tatkündigung, noch eine Verdachtskündigung ist gerechtfertigt. Eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung des Klägers oder ein dahingehender Verdacht kann nicht festgestellt werden.
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a. Aus der Beweisaufnahme folgt, anders als es die Beklagte zunächst behauptet hatte, nicht, dass der Kläger die Preise der Mitbewerber Herrn M mitgeteilt hätte. Bereits das Arbeitsgericht hat diesbezüglich zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge bei seiner Vernehmung bekundet hat, dass er die Kenntnisse über die Preise der einzelnen Bieter bereits zuvor gehabt habe und nicht vom Kläger erhalten habe.
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Nach den Bekundungen des Zeugen war das wirklich Neue aus dem Gespräch mit dem Kläger, dass die Bewertung der Kriterien geändert und dadurch ein vormals schon ausgeschiedener Anbieter wieder im Rennen war.
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Die Mitteilung dieser Informationen begründet, anders als die Beklagte meint, keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund.
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b. Es spricht bereits viel dafür, dass die Beklagte von sich aus verpflichtet gewesen wäre, die Änderung bei der Anwendung der Bewertungskriterien allen Bietern gemäß § 101 a GWB bzw. gemäß der Vorgängervorschrift § 13 VgV mitzuteilen. Denn es handelte sich um eine gravierende Änderung im Verlauf des Vergabeverfahrens. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 14.03.2011 sogar vorgetragen, es habe eine gesetzliche Verpflichtung bestanden, die Beurteilungsweise entsprechend der Intervention des Herrn R abzuändern. In jedem Fall lag darin eine gravierende Änderung der Anwendung der mitgeteilten Vergabekriterien vor, über die die Bieter nicht im Unklaren gelassen werden durften.
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Denn das Vergabeverfahren soll sicher stellen, dass eine transparente und nachvollziehbare Vergabeentscheidung getroffen wird. Der Missstand, dass Vergaben auf Grund individueller Interventionen an einzelne Bieter ohne Rücksicht auf die Vorteilhaftigkeit für den Auftraggeber erfolgen, soll unterbunden werden. Den Bietern sind die Gründe anzugeben, weshalb sie nicht zum Zuge gekommen sind. Zweck der Informationspflicht des § 101 a GWB ist es, dem Bieter die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzverfahrens zu erleichtern. Deshalb reicht es auch nicht, Pauschalbegründungen bei der Begründung der Vergabeentscheidung zu verwenden. Entscheidend kommt es darauf an, dass der unterlegene Bieter eine aussagekräftige Begründung für die Nichtberücksichtigung seines Angebots erhält (siehe Zeiss in Juris PK – Vergaberecht, 3. Auflage 2011, § 101 a GWB Rn. 29 ff).
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Dabei ist eine Information über die Platzierung der jeweiligen Angebote wenn nicht geboten, jedenfalls aber empfohlen (siehe Glahs in : Kommentar zum Vergaberecht 3. Auflage 2011, § 101 a GWB Rn. 27). Dies ergibt sich bereits im Übrigen aus der Gesetzesbegründung zu § 101 a GWB, auf die die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21.03.2011 Bezug genommen hat. Es heißt dort unter anderem (BT-Drucksache 16/10117, Seite 21 f):
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„In der Praxis hat sich z. B. gezeigt, dass die Angabe auch der Platzierung der jeweiligen Angebote der Unternehmen hilfreich sein kann. Aus der Angabe der Platzierung kann das Unternehmen Rückschlüsse für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages ziehen.“
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Angesichts des massiven Eingriffs, den der Vorgesetzte des Klägers Herr R in das laufende Vergabeverfahren vorgenommen hatte, gab es ein berechtigtes Interesse der Bieter, hierüber im Rahmen des § 101 a GWB informiert zu werden, um nachprüfen zu können, ob diese Intervention und die daraus resultierende Veränderung der Platzierung ein sachlich gerechtfertigter oder ein unerlaubter Eingriff in das Vergabeverfahren war.
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Dies gilt auch für die Bewertung und die mit dem Eingriff verbundene veränderte Bewertung und Gewichtung der zuvor mitgeteilten Vergabekriterien. Anders als die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21.03.2011 meint, folgt bereits aus dem von der Beklagten angeführten Beschluss des OLG Dresden vom 07.05.2010, dass eine Information nach § 101 a GWB dadurch rechtlich einwandfrei wird, dass die angekündigten Wertungskriterien im Einzelnen aufgeführt werden und jeweils mitgeteilt wird, dass und in welchen Punkten die Bieter schlechtere Wertungsergebnisse als dasjenige Unternehmen erzielt haben, das den Zuschlag erhalten soll.
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Gleiches folgt aus der ebenfalls von der Beklagtenseite angeführten Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 29.08.2008, wonach die Begründung verständlich präzise und wahrheitsgemäß den Grund für die Erfolglosigkeit des Angebots nennen muss.
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Zu dieser präzisen und wahrheitsgemäßen Information der Bewerber hätte es gehört, die Veränderungen bei der Anwendung der Bewertungskriterien mitzuteilen, um diesen die Nachprüfung zu ermöglichen, ob ein sachlich gerechtfertigter oder ein sachwidriger Eingriff in das Bewerbungsverfahren vorlag.
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Anlass, den Eingriff in das Bewerbungsverfahren im Detail weiter aufzuklären und insoweit der Beklagtenseite Gelegenheit zu geben, noch einen weiteren Schriftsatz im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten bei der Durchführung des Vergabeverfahrens vorzutragen, bestand nicht. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine solche Änderung im Laufe des Vergabeverfahrens auf Intervention des Vorgesetzten des Klägers Herrn R stattgefunden hat. Die Beklagte selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zudem dahingehend argumentiert, dass die Intervention des Herrn R sogar gesetzlich geboten gewesen sei. Unterstellt man dies als zutreffend, wäre es erst recht geboten gewesen, die Bieter über die zunächst rechtswidrig durchgeführte erste Runde des Bewertungsverfahrens zu informieren.
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In tatsächlicher Hinsicht war zudem jegliches neues Vorbringen gemäß § 67 Absatz 4 ArbGG innerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorzubringen.
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c. Selbst wenn im vorliegenden Fall eine Informationspflicht der Beklagten über die Informationen, die Gegenstand des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und Herr M waren, nicht angenommen wird, kann dem Kläger jedenfalls nicht als kündigungsrelevanter Vorwurf oder Verdacht vorgehalten werden, er habe ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart.
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Zutreffend geht im Grundsatz die Beklagte davon aus, dass ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nur vorliegt, wenn es sich um nicht offenkundige Tatsachen handelt, die nur einem engen Personenkreis bekannt sind, nach dem Willen des Arbeitgebers geheim gehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht (siehe BAG Urteil vom 27.09.1988 – 3 AZR 59/87 -, NZA 1989, Seite 467; BAG Urteil vom 13.01.1987 – 1 AZR 267/85 -, NZA 1987, Seite 515 ff; Personalbuch/Kreitner, 17. Auflage 2010 Stichwort Betriebsgeheimnis Rn. 2).
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Ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung der Informationen, die der Kläger dem Zeugen M weitergegeben hat, besteht jedenfalls nicht. Denn das Vergabeverfahren soll nach dem gesetzgeberischen Willen ein transparentes Verfahren sein, das den unterlegenen Bewerbern die Möglichkeit geben soll, vor dem abschließenden Zuschlag die Rechtmäßigkeit der Vergabe nachprüfen zu können. Das Vergabeverfahren ist gerade kein Geheimverfahren, mit welchem die Gründe der Vergabe verschleiert oder unterdrückt werden dürfen. Von daher musste es ureigenes Interesse der Beklagten sein, dem Eindruck eines sachwidrigen Eingriffs in das laufende Vergabeverfahren vorzubeugen und die Gründe für die Änderungen offenzulegen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts war die Beklagte zudem in besonderer Weise dazu angehalten, ihre Mittel sparsam und in transparenten Verfahren zu vergeben.
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Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, Änderungen bei der Anwendung der Vergabekriterien und daraus folgende Änderungen der Platzierung geheim zu halten, kann danach nicht anerkannt werden. Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass der betriebsinterne Revisionsbericht der Beklagten vom 31.07.2009 ergeben hatte, dass die von der Beklagten vorgenommene Anwendung der Vergabekriterien problematisch war, weil die abschließende Bewertung aus den Einzelwertungen der verschiedenen Aspekte nicht hergeleitet werden können. Es hieß hierzu in dem Revisionsbericht wörtlich:
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„Es wird empfohlen, eine transparente und nachvollziehbare interne Wertung vorzunehmen, wenn die Gesamtbewertung nicht im Bereich der Subjektivität verbleiben soll“.
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Angesichts dieser massiven Kritik an dem von der Beklagten durchgeführten Vergabeverfahren kann sich die Beklagte nicht auf ein berechtigtes und schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse berufen. Denn die Vertraulichkeitsinteressen des Arbeitgebers bei der Durchführung von Vergabeverfahren decken nicht das Bestreben, gravierende Fehler im Vergabeverfahren geheim halten zu dürfen.
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Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht folglich nicht.
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Damit liegt kein verhaltensbedingter Grund – weder Tat noch Verdacht – für eine Änderungskündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vor, so dass die ausgesprochene Änderungskündigung schon aus diesem Grunde rechtsunwirksam ist.
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2. Unabhängig vom Vorstehenden ist die Kündigung auch wegen teils unzureichender, teils unzutreffender Anhörung des Personalrats rechtsunwirksam.
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Bei der Anhörung muss der Arbeitgeber alle Kündigungsgründe nennen, auf die er die Kündigung stützen will; dabei müssen die konkreten Tatsachen genannt werden. Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen um sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (siehe BAG Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 -, NZA 2009, Seite 1136 ff; BAG Urteil vom 06.02.1997 – 2 AZR 265/96 – AP Betriebsverfassungsgesetz 1972 § 102 Nr. 85).
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Bewusst unrichtige und unvollständige Sachverhaltsangaben gegenüber dem Betriebsrat, durch die bei diesem ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entsteht, machen die Betriebsratsanhörung und auch die danach erfolgte Kündigung rechtsunwirksam (siehe BAG Urteil vom 09.03.1995 – 2 AZR 461/94 -, AZR 1995 Seite 678 ff). Unter Anwendung dieser Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Anhörung des Personalrats zum einen nicht ausreichend bestimmt, in einem anderen Punkt, nämlich bezüglich der Informationen über Preisdifferenzen der Anbieter unrichtig.
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Die Beklagte hatte in der Anhörung lediglich pauschal angegeben, der Kläger habe vertrauliche Informationen an Externe weitergegeben und daher Betriebsgeheimnisse verletzt bzw. einen Vertraulichkeitsbruch begangen. Um welche Angaben es sich im Einzelnen handeln sollte, war in der Anhörung des Personalrats nicht angegeben. Auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten, dass die dem Personalrat als Anlage weitere Unterlagen, insbesondere das Anhörungsprotokoll zur Verfügung gestellt wurde, ergibt sich hieraus nicht, hinsichtlich welcher konkreter Informationen die Beklagte dem Kläger eine unbefugte Weitergabe anlasten und die Kündigung hierauf stützen wollte. Als einziges konkretes Beispiel wird in der Anhörung des Personalrats aufgeführt, dass der Geschäftsführer Herr M beispielsweise über die Preisdifferenz der Anbieter informiert gewesen sei und in diesem Zusammenhang Herrn F als diejenige Person benannt hatte, von der er die Information erhalten habe (Seite 4 der Personalratsanhörung – Blatt 66 der Akte).
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Damit wurde der Eindruck erweckt, dass der Kläger die Preisdifferenz der Anbieter als vertrauliche Information an Externe weitergegeben habe.
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Damit hatte die Beklagte den angeblichen Vorwurf, Preisdifferenzen an Herrn M weitergegeben zu haben, in den Mittelpunkt ihrer Vorwürfe gerückt, indem sie dies als einziges Beispiel für ihre ansonsten unbestimmt gebliebenen Vorwürfe anführte.
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Tatsächlich entsprach aber gerade dieser Vorwurf nicht der Wahrheit und dies war der Beklagten bei Abfassung des Anhörungsschreibens auch bekannt. Denn in dem zuvor erstellten Revisionsbericht vom 31.07.2009, der bei Anhörungsbeginn am 17.08.2009 bereits vorlag, ergab sich, dass der Vorwurf, Preisinformationen weitergegeben zu haben, sich nicht aufrecht erhalten ließ. Es hieß in dem Revisionsbericht bereits auf Seite 5 (Bl. 51 d. A.) ausdrücklich:
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„Informationsquelle und Zeitpunkt bezüglich der erlangten Preisinformation lassen sich nicht nachweisen“.
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Diese wesentliche Information durfte die Beklagte gegenüber dem Personalrat nicht unterschlagen und erst recht nicht durch die Nennung des Beispiels der Weitergabe von Preisinformationen den gegenteiligen Eindruck beim Personalrat erwecken.
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Die Kündigung ist daher auch aus diesem Grund rechtsunwirksam.
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3. Insgesamt war die Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam. Zutreffend hat das Arbeitsgericht dies festgestellt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten musste daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da ein Einzelfall auf das Basis höchstrichterlicher Rechtsprechung zu entscheiden war und auch kein Fall von Divergenz vorlag.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf die in § 72a ArbGG genannten Voraussetzungen Bezug genommen.
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Dr. Griese Schmitz K.-H. Müller
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Vorinstanz: Arbeitsgericht Köln, 11 Ca 8343/09