Kündigung im katholischen Krankenhaus nach zweiter Ehe
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2010, 5 Sa 996/09
Tenor:
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.07.2009 – 6 Ca 2377/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
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Tatbestand:
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Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.
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Der am 20.01.1962 geborene Kläger ist auf der Grundlage eines Dienstvertrags vom 12.10.1999 ab dem 01.01.2000 als "Abteilungsarzt der Abteilung der medizinischen Klinik (Innere Medizin)" des St. W.-Krankenhauses in F. beschäftigt. Er führt die Dienstbezeichnung "Chefarzt". Kirchliche Trägerin des Krankenhauses ist die Beklagte.
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Im Dienstvertrag vom 12.10.1999 heißt es unter anderem:
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Grundlage des Vertrages
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Das St. W.-Krankenhaus ist ein katholisches Krankenhaus.
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Mit diesem Krankenhaus erfüllt der Träger eine Aufgabe der Caritas als eine Lebens- und Wesensäußerung der Katholischen Kirche. Mitarbeiter im Krankenhaus leisten deshalb ihren Dienst im Geist christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber und alle Mitarbeiter des Krankenhauses bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft, die vom Dienstgeber und allen Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit fordert und ohne Einhaltung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre keinen Bestand haben kann.
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In Anerkennung dieser Grundlage und unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.93 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 222), der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 05.11.96 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 321), der Satzung des Krankenhauses und dem Organisationsstatut in den jeweils geltenden Fassungen wird folgendes vereinbart:
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…
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§ 10
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Vertragsdauer
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(1) Der Dienstvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
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(2) Die Zeit vom 01. Januar 2000 bis 30. Juni 2000 (6 Monate) gilt als Probezeit.
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Während dieser Zeit kann das Dienstverhältnis beiderseits ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.
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(3) Nach der Probezeit kann das Dienstverhältnis von beiden Parteien mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden.
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(4) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB bleibt unberührt. Als wichtige Gründe zählen u. a. insbesondere:
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1. erhebliche, den Betrieb des Krankenhauses oder der Fachabteilung in Bestand oder Entwicklung gefährdende, hemmende oder schädigende Tatsachen, die in der Person oder in dem Verhalten des Arztes liegen, z. B. Feststellung einer Suchtkrankheit,
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2. ein grober Verstoß gegen kirchliche Grundsätze, z. B. Erklärung des Kirchenaustritts, Beteiligung an einer Abtreibung, Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft.
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(5) Die Kündigung bedarf der Schriftform.
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(6) Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung mit der Erreichung der in § 19 Abs. 3 AVR der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit dem Arzt zustellt wird.
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Die "Grundordnung" des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993" (im Folgenden "GO" genannt) enthält unter anderem folgende Regelungen:
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Artikel 4
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Loyalitätsobliegenheiten
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(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
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(2) Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.
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(3) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bereit sein, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.
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(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.
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Artikel 5
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Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten
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(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.
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(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend an:
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– Verletzungen der gemäß Artikel 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,
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– Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe,
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– Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß c. 1364 § 1 i. V. mit c. 751 DIC), Ver- unehrung der heiligen Eucharistie (c. 1367 CIC), öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Hass und Verachtung gegen Religion und Kirche (c. 1369 CIC), Straftagen gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den cc. 1373, 1374 CIC).
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(3) Ein nach Absatz 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.
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(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Absatz 3 ausgeschlossen, so hängt im Übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.
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(5) Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, können nicht weiterbeschäftigt werden.
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Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (z. B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern).
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Der danach auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirkende "codex iuris canonici" (im Folgenden "cic" genannt) lautet, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung:
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§ 1Ungültig schließt eine Ehe, wer durch das Band einer früheren Ehe gebunden ist, auch wenn diese nicht vollzogen worden ist.
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§ 2Mag auch eine frühere Ehe aus irgendeinem Grund nichtig oder aufgelöst worden sein, so ist deshalb eine neue Eheschließung noch nicht erlaubt, bevor die Nichtigkeit bzw. die Auflösung der früheren Ehe rechtmäßig und sicher feststeht.
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Das Bruttomonatsgehalt des Klägers beträgt derzeit … €. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.
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Die erste Ehefrau des Klägers trennte sich von ihm im August 2005. Die Ehe wurde im März 2008 geschieden. Aus dieser Ehe sind zwei Töchter im Alter von jetzt 17 und 19 Jahren hervorgegangen. Im August 2008 heiratete der Kläger zum zweiten Mal (standesamtlich).
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Nachdem die Beklagte unter Umständen, die zwischen den Parteien teilweise streitig sind, von der zweiten Ehe des Klägers erfahren hatte, hörte sie die bei ihr bestehende Mitarbeitervertretung (MAV) mit Schreiben vom 20.03.2009 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Die MAV antwortete mit Schreiben vom 27.03.2009, dass eine Stellungnahme nicht beabsichtigt wäre.
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Mit Schreiben vom 30.03.2009 kündigte die Beklagte darauf das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.09.2009.
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Mit seiner am 30.03.2009 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht, die er für sozial ungerechtfertigt hält.
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Er hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2009, zugegangen am 30.03.2009, zum 30.09.2009 nicht beendet wird;
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2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verpflichten, ihn über den 30.09.2009 hinaus als Leitenden Arzt der Abteilung Medizinische Klinik (Innere Medizin) am St. W.-Krankenhaus in E. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat sich zur Begründung der Kündigung darauf berufen, dass der Kläger eine im Sinne des katholischen Kirchenrechts ungültige Ehe eingegangen sei und dadurch in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen hätte. Hierzu hat die Beklagte im Einzelnen ausgeführt, der Kläger hätte in einem aus gegebenem Anlass anberaumten Personalgespräch am 25.11.2008 auf Befragen eingeräumt, dass er geschieden sei und mit einer ehemaligen Assistenzärztin seiner Abteilung eine zweite Ehe eingegangen wäre. Die Assistenzärztin hätte inzwischen vorzeitig zum 30.06.2007 gekündigt. Er, der Kläger, hätte allerdings mit Rücksicht auf seine beiden Kinder von einer kirchlichen Annullierung abgesehen, bevor er im August 2008 standesamtlich die zweite Ehe eingegangen wäre. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, am 26.01.2009 sei sie vom Kläger darüber unterrichtet worden, dass er inzwischen doch die kirchenrechtliche Annullierung seiner ersten Ehe beantragt hätte.
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Die Beklagte hat hiernach die Auffassung vertreten, dass das Verhalten des Klägers einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß gemäß Art. 5 Abs. 2 GO darstelle, der von dem Kläger als leitend tätigem Mitarbeiter im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GO begangen worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass schwerwiegende Gründe des Einzelfalles vorlägen, die es ermöglichten, im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GO ausnahmsweise von einer Kündigung abzusehen, seien nicht gegeben und vom Kläger auch nicht vorgetragen. Da der Kläger eine ungültige Ehe im Sinne von § 1 can. 1085 cic eingegangen sei, müsse von einer ungültigen Ehe im Sinne des Kirchenrechts ausgegangen werden. Das er, der Kläger, inzwischen das kirchliche Annullierungsverfahren eingeleitet hätte, könne ihn nicht entlasten.
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Der Kläger hat gemeint, die zweite, nur standesamtlich geschlossene Ehe stelle keinen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Er hat in diesem Zusammenhang auf die Einleitung des Eheannullierungsverfahrens hingewiesen und die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Der Kläger hat weiter gemeint, dass er als Chefarzt weder als leitender Angestellter noch als Verkündungsträger im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GO anzusehen wäre. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es auch Anlass seiner Wiederheirat nicht zu einem öffentlichen Ärgernis im Sinne von Art. 5 Abs. 5 GO gekommen sei und er überdies von seiner früheren Ehefrau böswillig verlassen worden wäre.
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Schließlich, so der Kläger weiter, sei dem damaligen Geschäftsführer Q. bereits im Jahre 2006 bekannt gewesen, dass der Kläger schon damals in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit seiner späteren zweiten Ehefrau gelebt hätte. Hierüber sei im Herbst 2006 auch der weitere Geschäftsführer C. informiert worden.
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Der Kläger hat sich zudem auf eine unzulässige Ungleichbehandlung der Beklagten berufen und behauptet, nach seinem Kenntnisstand würden weitere Chefärzte eingestellt und/oder beschäftigt, obwohl sie ebenfalls geschieden und/oder wiederverheiratet wären.
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Die Beklagte hat bestritten, dass das eheähnliche Verhältnis des Klägers seit dem Jahre 2006 bekannt gewesen sei. Sie hat weiter bestritten, andere Chefärzte, die römisch-katholischen Glaubens wären und eine zweite Ehe eingegangen seien, anders als den Kläger behandelt zu haben.
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Darüber hinaus hat die Beklagte aber vor allen Dingen die Auffassung vertreten, dass die Kündigung des Klägers bereits aus Art. 5 Abs. 3 GO gerechtfertigt wäre und eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 5 Abs. 5 GO nicht in Betracht käme. Auch auf das noch nicht abgeschlossene Ehenichtigkeitsverfahren könne sich der Kläger nicht berufen.
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Mit Urteil vom 30.07.2009 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf – 6 Ca 2377/09 – dem Klagebegehren des Klägers entsprochen.
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In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil sie nicht durch im Verhalten des Klägers liegende Gründe bedingt wäre. Zwar könne sich die Beklagte auf der Grundlage des nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geschützten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen auf die Grundordnung vom 22.09.1993 berufen. Allerdings stehe angesichts des noch nicht abgeschlossenen Ehenichtigkeitsverfahrens eben noch nicht fest, ob tatsächlich eine ungültige Ehe im Sinne von § 1 can. 1055 cic vorläge. Ein – auf jeden Fall festzustellender – Verstoß gegen § 2 can. 1085 cic reiche zur Begründung der Kündigung hingegen nicht aus.
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Die Beklagte hat gegen das ihr am 28.08.2009 zugestellte Urteil mit einem am 25.09.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.11.2009 – mit einem am 30.11.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Sie wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht nochmals ihre Rechtsauffassung, dass die Eingehung der zweiten Ehe des Klägers ein Verstoß gegen § 1 can. 1085 cic darstelle und gemäß Art. 5 Abs. 3 GO einen absoluten Kündigungsgrund auslöse. Der Kläger könne sich gerade nicht auf das noch nicht beendete Ehenichtigkeitsverfahren berufen. Insgesamt wäre damit auch die von der Beklagten vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.07.2009 – 6 Ca 2377/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz.
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Er behauptet erneut, den damaligen Geschäftsführern Q. und C. sei bereits im Jahre 2006 bekannt gewesen, dass der Kläger in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebte, ohne dass sie dies kritisiert hätten.
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Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, dass er gegenüber anderen Chefärzten ungleich behandelt und damit diskriminiert würde. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Anzahl von Chefärzten geschieden sei und eine zweite Ehe eingegangen wären, ohne dass dies die Beklagte zum Anlass genommen hätte, Kündigungen auszusprechen. Wegen der Namen der vom Kläger benannten Ärzte wird auf Blatt 410 und 411 der Akten verwiesen.
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Die Beklagte bestreitet erneut, von der eheähnlichen Lebensgemeinschaft bereits im Jahre 2006 gewusst zu haben.
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Zu den vom Kläger benannten anderen Chefärzten verweist sie darauf, dass ein großer Teil von ihnen nicht römisch-katholischer Konfession wären, andere der benannten Ärzte in Krankenhäusern arbeiteten, die nicht in der Trägerschaft der Beklagten stünden oder aber nicht wieder geheiratet hätten. Allenfalls bei dem in den 80er Jahren verstorbenen Chefarzt Dr. T. könne ein vergleichbarer Sachverhalt angenommen werden. Das gleiche gelte für den Chefarzt Dr. C., der seine Wiederverheiratung aber erst einen Monat vor dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis angezeigt hätte. In diesem Fall sei von einer Kündigung abgesehen worden.
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Das Landesarbeitsgericht hat über die Behauptung des Klägers, der Beklagten seien bereits 2006 Informationen über die nichteheliche Lebensgemeinschaft des Klägers zugegangen, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Q. und des Geschäftsführers C. der Beklagten als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.07.2010 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe :
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I.
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Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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II.
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In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2009 nicht zum 30.09.2009 beendet worden, weil die Kündigung nicht durch im Verhalten des Klägers liegende Gründe bedingt und damit sozial ungerechtfertigt gewesen ist, § 1 Abs. 2 KSchG.
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1. Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 55/09 – DB 2010, 1016; BAG 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
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2. Hiernach war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.2009 zu beenden, weil der Kläger durch die Eingehung einer zweiten Ehe schuldhaft gegen eine ihm obliegende Vertragspflicht verstoßen hat.
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2.1 Allerdings steht dem Kläger – auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG zu. Dieses Grundrecht umfasst auch die Freiheit, eine zweite Ehe einzugehen und berührt damit die Gestaltung des privaten Lebensbereichs eines Arbeitnehmers. Diese Gestaltung steht aber grundsätzlich außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und wird durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, als sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Berührt außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen (BAG 16.09.2004 – 2 AZR 447/03 – AP Nr. 44 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG 23.06.1994 – 2 AZR 617/93 – BAGE 77, 128).
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2.2 Indessen muss sich der Kläger vorhalten lassen, dass er sich in einem kirchlich geprägten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten befindet. Auf dieses Arbeitsverhältnis findet die "Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" (GO) Anwendung. Nach dessen Art. 5 Abs. 2 ist der Eheschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe ein Loyalitätsverstoß, der für eine Kündigung als schwerwiegend anzusehen ist. Mit seiner zweiten Ehe hat der Kläger damit gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen, der zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gehört. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus §§ 1 und 2 can. 1085 cic.
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2.2.1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, das grundgesetzlich verbürgt ist, kollidiert danach mit dem ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Kirchen, in den Schranken der für alle geltenden Gesetze den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis selbst zu regeln und diese spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer für das Arbeitsverhältnis verbindlich machen zu können (Bundesverfassungsgericht 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, 2 – AP Nr. 24 zu Art. 140 GG; BAG 16.09.2004, a. a. O., mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Dieses Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie, die letztlich aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV abzuleiten ist, kommt nicht nur den verfassten Kirchen und deren rechtlich selbstständigen Teilen zugute, sondern allen der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (Bundesverfassungsgericht 04.06.1985, a. a. O.). Bedienen sich die Kirchen, wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich. Auch im Wege des Vertragsschlusses können daher einem kirchlichen Arbeitnehmer besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden. Werden solche Loyalitätspflichten in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch.
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Die Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse steht unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Zu diesem gehören von ihrer Zielsetzung und ihrer rechtspolitischen Bedeutung her auch die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 1 KSchG, 626 BGB. Deren grundsätzliche Geltung für den kirchlichen Dienst steht nach allgemeiner Meinung außer Zweifel. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass diese staatlichen Regelungen in jedem Fall den kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vorgehen. Die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung bilden mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleistet mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche sowohl das selbstständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Daraus folgt: Gewährleistet die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, dass die Kirchen bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen und die Verbindlichkeit kirchlicher Grundpflichten bestimmen können, so ist diese Gewährung bei der Anwendung des Kündigungsschutzrechts auf Kündigung von Arbeitsverhältnissen wegen der Verletzung der sich daraus für die Arbeitnehmer ergebenden Loyalitätsobliegenheiten aus verfassungsrechtlichen Gründen zu berücksichtigen und ihre Tragweite festzustellen. Eine Rechtsanwendung, bei der die vom kirchlichen Selbstverständnis her gebotene Verpflichtung der kirchlichen Arbeitnehmer auf grundlegende Maximen kirchlichen Rechts arbeitsrechtlich ohne Bedeutung bliebe, widerspräche dem verfassungsverbürgten Selbstbestimmungsrecht der Kirche (so ausdrücklich: Bundesverfassungsgericht 04.06.1985, a. a. O.).
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Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als – gegebenenfalls schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit. Soweit diese kirchlichen Vorgaben den anerkannten Maßstäben der verfassten Kirchen Rechnung tragen, was in Zweifelsfällen durch entsprechende gerichtliche Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden aufzuklären ist, sind die Arbeitsgerichte an sie gebunden, es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot oder etwa in dem Begriff der "guten Sitten" ihren Niederschlag gefunden haben. Es bleibt in diesem Bereich somit Aufgabe der staatlichen Gerichtsbarkeit, sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen – insoweit möglicherweise entgegen den Grundsätzen der eigenen Kirche und der daraus folgenden Fürsorgepflicht – an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen. Im Übrigen obliegt es den Arbeitsgerichten, den Sachverhalt festzustellen und unter die kirchlicherseits vorgegebenen, arbeitsrechtlich abgesicherten Loyalitätsobliegenheiten zu subsummieren (Bundesverfassungsgericht 04.06.1985, a. a. O.).
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2.2.2 Hiernach ist festzuhalten, dass der Kläger durch die Eingehung seiner zweiten Ehe gegen das Verbot in Art. 5 Abs. 2 GO verstoßen hat, eine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe abzuschließen.
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Entgegen der im ersten Rechtszug geäußerten Auffassung ist der Kläger als Chefarzt der Abteilung "Innere Medizin" als Verkündungsträger und leitend tätiger Mitarbeiter im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GO anzusehen. Hiernach erweist sich sein Verhalten gemäß Art. 5 Abs. 3 GO generell als Kündigungsgrund, das die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in der Regel ausschließt.
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Nach Darstellung der Beklagten in beiden Rechtszügen hat sie darüber hinaus geprüft, ob von der streitbefangenen Kündigung ausnahmsweise abgesehen werden kann, weil schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen ließe, Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GO. Die Beklagte hat das Vorliegen derartiger Ausnahmetatbestände verneint; hieran ist die erkennende Kammer gebunden, weil es insoweit um die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten auf der Grundlage der vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe geht.
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2.2.3 Der Kläger kann sich zur Begründung seiner entgegengesetzten Rechtsauffassung auch nicht auf das noch schwebende Ehenichtigkeitsverfahren berufen. Da der Kläger durch seine Wiederverheiratung gegen die in can. 1084 cic niedergelegten Grundsätze verstoßen und damit wesentliche kirchliche Grundsätze der katholischen Kirche nicht eingehalten hat, stellt die Eingehung einer Ehe einen Kündigungsgrund dar. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund des vom Kläger eingeleiteten Ehenichtigkeitsverfahren seine erste Ehe mit ex-tunc-Wirkung für nichtig erklärt werden sollte. Dann lag zum Zeitpunkt der Kündigung jedenfalls ein Verstoß gegen § 2 can. 1085 cic vor, der – insoweit entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts – ebenfalls zur Kündigung berechtigten würde.
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3. Gleichwohl erweist sich die streitbefangene Kündigung vom 30.03.2009 im Ergebnis als rechtsunwirksam, weil die bei jeder Kündigung vorzunehmende umfassende Interessenabwägung – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auszugehen hat.
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3.1 Die Beklagte hat zunächst im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet und hierdurch den Kläger in unzulässiger Art und Weise benachteiligt.
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3.1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Unwirksamkeit einer Kündigung nicht unmittelbar aus einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes hergeleitet werden. Dieser Grundsatz ist mit dem Gebot, bei der Prüfung des Kündigungsgrundes die Umstände des jeweiligen Einzelfalles umfassend abzuwägen, nur beschränkt zu vereinbaren. Eine nur mittelbare Auswirkung auf die Interessenabwägung kann der Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings dann haben, wenn der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage (gleichartige Pflichtverletzungen) nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt und daraus zu schließen ist, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit den gekündigten Arbeitnehmern fortzusetzen (BAG 22.02.1979 – 2 AZR 115/78 – EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 23; vgl. auch: LAG Düsseldorf 04.11.2005 – 9 Sa 993/05 – DB 2006, 455).
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3.1.2 Hiernach muss davon ausgegangen werden, dass es der Beklagten zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen, weil sie anderen, mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer, die sich in derselben Situation befinden, keine Kündigung ausgesprochen hat.
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Nach den Feststellungen der Kammer im zweiten Rechtszug steht fest, dass der geschiedene und wiederverheiratet Arzt Dr. T. genauso wenig gekündigt worden ist, wie Herr Dr. C.. Die Beklagte weist zwar im Falle Dr. T. darauf hin, dass es sich um einen lang zurückliegenden Fall aus den 80er Jahren gehandelt hätte und dass eine Kündigung von Herrn Dr. C. unterlassen worden wäre, weil er einen Monat nach Unterrichtung über seine zweite Ehe aus Altersgründen ausschied. Insgesamt zeigt aber schon dieses Verhalten der Beklagten, dass sie in der Vergangenheit die in Art. 5 Abs. 2 und 3 GO aufgeführten Loyalitätspflichtverletzungen nicht als "absoluter Kündigungsgrund" ansah, sondern offensichtlich bereit war, die Verstöße unter bestimmten Umständen zu tolerieren.
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3.1.3 Die Beklagte hat aber vor allen Dingen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil sie zwei weitere für sie tätige Chefärzte, Herrn Dr. I. und Herrn Prof. U. anders behandelt hat als den Kläger, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befanden.
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3.1.3.1 Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Regelbildung auszuschließen. Er kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Betriebsparteien (oder der Arbeitgeber) bei einer Regelung unterschiedliche Gruppen bilden. Eine unterschiedliche Gruppenbildung liegt vor, wenn für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen sind. Dann verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Maßgeblich für das Vorliegen eines hinreichenden Sachgrundes ist dabei vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt: BAG 16.02.2010 – 3 AZR 216/09 – NZA 2010, 701).
99
3.1.2 Danach hat die Beklagte den Kläger durch den Ausspruch der streitbefangenen Kündigung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung benachteiligt, ohne hierfür einen sachlichen Grund angeben zu können.
100
Die Beklagte hat sich vor allen Dingen im zweiten Rechtszug darauf berufen, dass die genannten Chefärzte Prof. U. und Dr. I. nicht römisch-katholischer Konfession wären. Dies kann eine Ungleichbehandlung des Klägers aber schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Beklagte die Verträge mit den Chefärzten Prof. U. und Dr. I. wie den des Klägers gestaltet und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie von vergleichbaren Sachverhalten ausgeht. Es ist insofern eine gewisse Selbstbindung der Beklagten eingetreten.
101
Dies kommt bei dem Dienstvertrag des Dr. I. schon dadurch zum Ausdruck, dass in dem Vertrag als "Grundlage" auch die Grundordnung vom 22.09.1993 als zugrunde gelegt vereinbart wird. Bei Herrn Prof. U., dessen Vertrag bereits aus dem Jahre 1985 stammt, konnte eine Einbeziehung der aus dem Jahre 1993 verabschiedeten Grundordnung nicht erfolgen. Auch in diesem Vertrag wird aber eindeutig das St. W.-Krankenhaus als katholisches Krankenhaus bezeichnet und auf den Leitgedanken der Caritas hingewiesen.
102
Entscheidend für die Frage, ob vergleichbare Sachverhalte vorliegen, erweist sich allerdings die Gestaltung der Verträge als solche. Auch in dem Dienstvertrag mit Herrn Prof. U. wird als möglicher Kündigungsgrund ein "schwerer Verstoß gegen die Moralgesetze der katholischen Kirche" genannt. Im Vertrag von Herrn Dr. I. findet sich darüber hinaus im Rahmen der Aufzählung der Kündigungsgründe für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB, die wortgleich mit der entsprechenden Passage im Dienstvertrag des Klägers übereinstimmt. Danach zählt als wichtiger Grund unter anderem das "Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft".
103
Durch die Gestaltung der genannten Dienstverträge hat die Beklagte zum einen zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitsverhältnisse mit den römisch-katholischen Chefärzten genauso gelebt werden sollen, wie die Arbeitsverhältnisse mit den Chefärzten, die nicht römisch-katholischer Konfession sind. Dies wird zum einen durch die Inbezugnahme der Grundordnung deutlich. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die Grundordnung in Art. 4 durchaus Unterschiede macht, ob es sich um katholische oder nichtkatholische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, so trifft dies zwar zu. Gleichwohl hat die Beklagte durch die oben beschriebene konkrete Gestaltung der Anstellungsverträge selbst aber klar gezeigt, dass es ihr in der Tat um eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ging. Ansonsten hätte z. B. die gleiche Formulierung der wichtigsten Kündigungsgründe in den hier angesprochenen Anstellungsverträgen keinen Sinn gemacht.
104
3.1.2.3 Zwischen den Parteien ist letztlich unstreitig, dass sich die Chefärzte Prof. U. und Dr. I. in einer mit dem Kläger vergleichbaren Situation befinden. Da ihnen gegenüber aber weder eine Kündigung ausgesprochen noch sonstige personelle Maßnahmen ergriffen worden sind, stellt die Kündigung des Klägers eine unangemessene Benachteiligung dar. Der damit verbundene Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz führt dann aber zu der Erkenntnis, dass es der Beklagten auch im Falle des Klägers durchaus zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis mit ihm auch nach Eingehung der zweiten Ehe fortzusetzen.
105
3.2 Die Beklagte hat durch ihre Kündigung darüber hinaus gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen; sie hat überdies ihr Kündigungsrecht verwirkt.
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3.2.1 Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, d. h., die Kündigung nicht ausspricht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (sogenanntes Zeitmoment), wenn er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde unterbleiben und wenn der Arbeitnehmer sich deshalb auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichtet (sogenannten Umstandsmoment). Eine dann gleichwohl erklärte Kündigung aus diesem Grund stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar und wäre nach Treu und Glauben (§ 272 BGB) rechtsunwirksam (BAG 15.08.2002 – 2 AZR 514/01 – AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG 20.08.1998 – 2 AZR 736/97 – RzK I 5 c Nr. 26).
107
Darüber hinaus ist es widersprüchlich und mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, wenn der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund über längere Zeit "auf Vorrat" hielte, um ihn bei passend erscheinender Gelegenheit geltend zu machen und ein beanstandungsfrei fortgesetztes Arbeitsverhältnis zu einem beliebigen Zeitpunkt kündigen zu können. Auch wenn die ordentliche Kündigung im Gegensatz zur außerordentlichen Kündigung keiner bestimmten Frist unterliegt, innerhalb derer sie nach Kenntnis von einem kündigungsrelevanten Vorfall auszusprechen ist, kann ein Vorfall dennoch irgendwann durch Zeitablauf so an Bedeutung verlieren, dass eine ordentliche Kündigung nicht mehr gerechtfertigt wäre (BAG 15.08.2002, a. a. O.; BAG 20.08.1998, a. a. O., jeweils mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).
108
Die erkennende Kammer meint, dass es der Beklagten hiernach verwehrt war, sich auf den Kündigungsgrund der zweiten, nach Kirchenrecht ungültigen Ehe zu berufen, obwohl man jahrelang den gleichwertigen Kündigungsgrund "Leben in eheähnlicher Gemeinschaft" akzeptiert oder toleriert hatte.
109
3.2.2 Nach Durchführung der Beweisaufnahme im zweiten Rechtszug steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Beklagte seit Herbst 2006 von der nichteheähnlichen Lebensgemeinschaft mit der neuen Lebensgefährtin des Klägers Kenntnis hatte.
110
3.2.2.1 Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 vernommene Zeuge Q., der bis zum Ende des Jahres 2006 Geschäftsführer der Beklagten war, hat in seiner Vernehmung angegeben, dass er gegen Ende seiner Dienstzeit von dem weiteren Geschäftsführer C. über das Gerücht informiert worden war, dass der Kläger eine neue Lebensgefährtin haben sollte. Nach dieser – ergiebigen – Aussage war der Beklagten damit seit dem Jahre 2006 bewusst, dass der Kläger nicht mehr mit seiner ersten Ehefrau zusammenlebte und deshalb möglicherweise gegen kirchliche Grundsätze, wie sie in der Grundordnung statuiert sind, verstieß. Hierauf weist auch die Bekundung des Zeugen Q. hin, dass man sich entschlossen hatte, diesen Gerüchten nachzugehen, was letztlich dann wohl doch unterblieben ist.
111
Die Aussage des Zeugen Q. ist glaubhaft. Sie lässt sich ohne weiteres in den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf und den weiteren, zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt einordnen. Überdies war der Zeuge bemüht, zu den einzelnen Verhalten differenziert Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang bekannt er offen und freimütig, dass es jedenfalls mit ihm kein Gespräch über die Trennung von der ersten Ehefrau des Klägers gegeben hatte. Der Zeuge hat darüber hinaus klar und ohne Widersprüche ausgesagt, so dass an seiner Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen.
112
3.2.2.2 Der als Partei vernommene Geschäftsführer C. der Beklagten war hingegen nicht in der Lage, die Behauptungen des Klägers zu bestätigen. Allerdings erweist sich seine Aussage insgesamt als wenig glaubhaft und an einigen Stellen als kaum nachvollziehbar. So hat der Zeuge zunächst vollkommen in Abrede gestellt, über private Lebensumstände des Klägers vor dem November 2008 Kenntnisse gehabt zu haben. Auf Nachfragen des Vorsitzenden und des Klägervertreters konnte er dann allerdings nicht ausschließen, dass es bereits vorher Gerüchte über die Änderung der Lebensumstände des Klägers gegeben haben könnte und er konnte auch nicht vollständig ausschließen, dass diese Gerüchte dem Zeugen Q. bekannt geworden waren. Im Zusammenhang mit der Übersendung von Briefen des Herrn Dr. L. wurde die Aussage des Geschäftsführers C. dann erkennbar vage und unsicher. Der Zeuge sprach jetzt nur noch davon, dass ihm nicht erinnerlich sei, dass in einem der Briefe auf die neue Lebensgefährtin des Klägers hingewiesen worden war.
113
Die erkennende Kammer hatte nach Würdigung beider Zeugenaussagen keine Zweifel, dass der vom Zeugen Q. bekundete Lebenssachverhalt zutreffend wiedergegeben worden ist. Dann aber ist davon auszugehen, dass der Beklagten seit Herbst 2006 Gerüchte über die neue Lebensgefährtin und damit über das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bekannt waren. Es ist weiter davon auszugehen, dass zum damaligen Zeitpunkt zwar beabsichtigt war, diesen Gerüchten nachzugehen, was aber letztlich aus Gründen, die für die Kammer nicht erkennbar geworden sind, unterblieb.
114
3.2.2.3 In Ansehung des so festgestellten Sachverhalts steht dann aber auch fest, dass die Beklagte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren Kenntnis über das mögliche Bestehen eines Kündigungsgrundes im Sinne des Art. 5 Abs. 2 und 3 GO hatte. Sie unterließ es in dieser Zeit gleichwohl, sich genaue Erkenntnisse über den geschilderten Sachverhalt zu verschaffen, um gegebenenfalls eine Kündigung auszusprechen. Das der Verwirkung immanente Zeitmoment ist demgemäß erfüllt.
115
Dasselbe gilt für das kumulativ vorliegende Umstandsmoment. Dem Kläger war bekannt, dass er sich in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft befand, die nach seinem Anstellungsvertrag und der Regelung in der Grundordnung zu einem "absoluten" Kündigungsgrund führen sollte. Er konnte deshalb in Ansehung der Tatsache, dass von Seiten der Beklagten keinerlei Reaktion erfolgte, davon ausgehen, dass sein Verhalten zu keinerlei Beanstandungen führte und dass die Beklagte jedenfalls keine Veranlassung sah, mit personellen Maßnahmen einzuschreiten.
116
3.2.2.4 Das Kündigungsrecht der Beklagten war demgemäß verwirkt, als sie sich nach der Eingehung der zweiten Ehe des Klägers – nunmehr unerwartet – entschloss, die Kündigung auszusprechen.
117
Wie oben unter Ziffer 3.2.2.3 ausgeführt, hatte sich die Beklagte offensichtlich entschlossen, das Verhalten des Klägers, nämlich das Leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft, anzuerkennen, obwohl es im Anstellungsvertrag des Klägers ausdrücklich als Grund zur wichtigen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB angegeben worden war. Der Kläger musste demnach nicht nur damit rechnen, wegen dieses Verhaltens gekündigt zu werden; er durfte überdies darauf vertrauen, dass die Beklagte auch eine zweite Ehe, die ebenfalls als Kündigungsgrund im Anstellungsvertrag genannt war, nicht mit einer Kündigung sanktionieren würde.
118
In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sich die "Tatumstände" geändert hätten. Es ist zwar richtig, dass der Arbeitgeber bei Kenntnis neuer, weiterer Umstände den Kündigungssachverhalt neu bewerten und sich erst dann zur Kündigung entschließen kann (BAG 15.08.2002, a. a. O.). Hiervon ist aber vorliegend gerade nicht auszugehen. Die Beklagte hatte im Anstellungsvertrag mit dem Kläger unter § 14 die möglichen wichtigen Kündigungsgründe beispielhaft aufgezählt. Dabei hatte sie nicht zum Ausdruck gebracht, dass der eine oder andere Kündigungsgrund höhere Wertigkeit haben sollte. Aus der vertraglichen Gestaltung war und ist vielmehr abzulesen, dass jeder der dort aufgeführten Kündigungsgründe den gleichen Stellenwert genießen sollte und eine – wie auch immer geartete – Abstufung nicht vorgesehen war. Wenn die Beklagte dann aber bei einem Kündigungsgrund (Leben in eheähnlicher Gemeinschaft) nicht reagierte, so war sie ohne weitere Warnung nicht berechtigt, bei einem anderen, gleichwertigen Kündigungsgrund (ungültige Ehe) mit der Kündigung zu reagieren. Hier hätte es eines Hinweises an den Kläger bedurft, der ihn in die Möglichkeit versetzt hätte, die von der Beklagten geforderten Verhaltensweisen umzusetzen. In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich auch eine angemessene Reaktion der Beklagten gewesen, ein etwaiges Eheannullierungsverfahren und eine dort ergehende Entscheidung abzuwarten.
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4. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2009 fortbesteht, war und ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger weiterzubeschäftigen. Es ist der Beklagten auch insoweit versagt, sich auf kirchenrechtliche Besonderheiten zu berufen. Es wird insofern auf die Ausführungen oben unter Ziffer 1 bis 3 verwiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die erkennende Kammer hat die Revision für die Beklagte zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
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Vorinstanz: ArbG Düsseldorf, 6 Ca 2377/09
nachfolgende Instanz: BAG – 2 AZR 543/10