Diskriminierung wegen des Alters – Kündigungsfrist
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 23.04.2010, 19 Sa 1309/09
Orientierungssatz
Die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist mit dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrecht zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und dem daraus folgenden Verbot der Altersdiskriminierung nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Januar 2010 (C-555/07 (Kücükdeveci)), an welchen die Kammer gebunden ist, nicht vereinbar. Da die Regelung einer unionskonformen Auslegung nicht zugänglich ist, ist sie unangewendet zu lassen, um die volle Wirksamkeit des Diskriminierungsverbots zu gewährleisten.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2009 – 2 Ca 9217/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagten) handelt es sich um ein Vertriebsunternehmen, das zuletzt noch eine Arbeitnehmerin, nämlich die Klägerin, beschäftigt hat. Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin), die am XX.XX.19XX geboren ist, war bei der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12. September 1984 seit dem 01. Oktober 1984 als kaufmännische Angestellte und Sachbearbeiterin im Bereich des Vertriebs beschäftigt. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten die Buchführung und der Ausgleich von Rechnungen. Der Arbeitsvertrag, wegen dessen weiterer Regelungen auf Bl. 6 – 8 d. A. Bezug genommen wird, enthält folgende Regelungen zur Kündigungsfrist und zum Spesenersatz:
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„Während der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses gilt einmonatige Kündigungsfrist, jeweils zum Monatsende (Probezeit). Danach kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 6 Wochen zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres schriftlich gekündigt werden.
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Bei Dienstreisen richtet sich der Spesensatz nach den gesetzlichen Bestimmungen. Für Außendienst steht Ihnen ein Firmenfahrzeug zur Verfügung. Für den Fall, dass Sie Ihren privaten Pkw zu Geschäftsfahrten benutzen, gewähren wir Ihnen den jeweils gültigen steuerfreien Pauschalsatz (z. Zt. DM 0,42/km). Hiermit sind alle im Zusammenhang Ihres Fahrzeugs stehenden Kosten abgegolten.“
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Das Bruttomonatsgehalt der zuletzt in Teilzeit beschäftigten Klägerin betrug € 1.300,00 brutto.
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Bis März 2008 war der Vater der Klägerin Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten. Er hatte unter seiner Einzelfirma „A“ (im Folgenden: H) im Jahr 1989 mit der Beklagten einen Mietvertrag über Hard- und Software abgeschlossen. Der Mietzins wurde per Dauerauftrag von dem bei der B eingerichteten Geschäftskonto der Beklagten an die H überwiesen. Der Vater der Klägerin hatte ferner als Geschäftsführer der Beklagten für diese ab 01. Juli 2007 bei Herrn C (G) für die Zeit ab 07. Juli 2007 einen Lagerraum gemietet. Der Mietzins betrug zunächst € 150,00 zuzüglich MWSt., ab 01. November 2007 € 100,00 zuzüglich MWSt. Der Vater der Klägerin hatte darüber hinaus der Beklagten ein Darlehen über € 9.000,00 gewährt, für das die Beklagte an die H Zinsen zahlte. Zudem hatte er sich gegenüber Banken für Forderungen gegen die Beklagte selbstschuldnerisch verbürgt. Am 19. März 2008 schlossen der Vater der Klägerin und der jetzige Geschäftsführer der Beklagten einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag, mit dem der Vater der Klägerin dem jetzigen Geschäftsführer die Geschäftsanteile an der Beklagten verkaufte und unter der Bedingung übertrug, dass eine Erklärung der D vorgelegt werde, nach welcher der Vater der Klägerin aus allen Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft umfassend entlassen sei und bestehende Sicherheiten an ihn freigegeben würden. Am 19. März 2008 fand eine Gesellschafterversammlung statt, in welcher der Vater der Klägerin mit Wirkung zum 31. März 2008 als Geschäftsführer abbestellt und der jetzige Geschäftsführer E zum Geschäftsführer ab 01. April 2008 bestellt wurde. Der Vater der Klägerin sollte zunächst die Geschäfte fortführen. In der Folgezeit kam es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen dem Vater der Klägerin und dem neuen Geschäftsführer. Anfang Juni 2008 stellte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin Herrn F als „Mitarbeiter ohne Arbeitsvertrag“ vor und teilte mit, dieser solle ab 01. Januar 2009 die Geschäftsführung übernehmen. Am 20. Juni 2008 erteilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Vater der Klägerin Hausverbot. Kurze Zeit danach führte der Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin ein Gespräch über Loyalität. Die Klägerin erklärte in diesem Gespräch, mit der Loyalität gegenüber der Beklagten keine Schwierigkeiten zu haben und mit den Auseinandersetzungen zwischen der Beklagten und ihrem Vater nichts zu tun haben zu wollen. Mit Schreiben vom 01. Juli 2008 teilte die Klägerin im Namen der Beklagten der B mit, dass die Daueraufträge der Beklagten mit sofortiger Wirkung ihre Gültigkeit verlieren sollten. Dennoch wurde unter dem 15. Juli 2008 und dem 15. September 2008 der Dauerauftrag über die Mietzahlungen für die Hard- und Software an die H in Höhe von jeweils € 238,00 ausgeführt, nachdem der Vater der Klägerin gegenüber der B am 05. Juni 2008 die Untervollmacht der Klägerin für dieses Konto widerrufen hatte. Unter dem Datum vom 08. Juli 2008 verbuchte die Klägerin zwei Zinsrechnungen der H vom 15. Juli 2008. Die entsprechende die Überweisung vom Konto der B erfolgte am 04. August 2008, wobei streitig ist, ob die Klägerin diese Überweisung veranlasst hat. Am 30. September 2008 beglich die Klägerin zwei an die Beklagte gerichteten Rechnungen der G (C) vom 17. September 2008 für die Miete des Lagerraums über je € 119,00. Im November 2008 bat der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin, verschiedene Ämter aufzusuchen, um die Möglichkeit der Bezuschussung ihrer Stelle auszuloten. Dieser Bitte kam die Klägerin am 27. November 2008 nach. Die Fahrten unternahm sie mit ihrem Privatfahrzeug. Am 28. November 2008 entnahm die Klägerin aus der Barkasse einen Betrag in Höhe von € 50,00 und stellte hierüber eine Quittung aus, in der als Verwendungszweck „Zuschuss für entstandene Nebenkosten“ angegeben ist. Danach ging die Klägerin in den Urlaub. Mit Schreiben vom 03. Dezember 2008, der Klägerin am 05. Dezember 2008 zugegangen, kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Dagegen richtet sich die Klägerin mit der am 19. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 08. Januar 2009 zugestellten Klage.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei bereits formal nicht ordnungsgemäß, weil sie den Sitz und den Namen des Geschäftsführers nicht erkennen lasse und die Namensunterschrift nicht lesbar sei. Ferner sei die Kündigung als außerordentliche Kündigung mangels Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht wirksam. Dazu hat sie behauptet, dass der Geschäftsführer der Beklagten von den Überweisungen und Buchungen schon längere Zeit unterrichtet gewesen sei. Sie habe dem Geschäftsführer monatlich eine betriebswirtschaftliche Auswertungen, die Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben und die einzelnen Buchungsposten vorgelegt. Der Geschäftsführer habe diese an sich und zur Kenntnis genommen. Sie hat die Ansicht vertreten, es fehle zudem an einem wichtigen Grund für die Kündigung. Sie hat bestritten, die Überweisung der Zinsrechnungen veranlasst zu haben. Sie habe die Zinsrechnungen bei ihrem Eingang am 15. Juli 2008 nur verbucht; der Datumsstempel vom 08. Juli 2008 beruhe darauf, dass sie den Stempel nicht umgestellt gehabt habe. Sie hat behauptet, Herr F habe sie angewiesen, die Miete an die G zu überweisen. Schließlich hat sie die Ansicht vertreten, die Barentnahme sei wegen der im Interesse der Beklagten unternommenen Sonderfahrten am 27. November 2008 berechtigt gewesen. Sie hat behauptet, die Entnahme habe betrieblicher Übung entsprochen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03. Dezember 2008 nicht vor dem 31. Juli 2009 aufgelöst worden ist;
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2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;
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3. hilfsweise zum Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, der Geschäftsführer habe der Klägerin die Anweisung erteilt, zukünftig keine Zahlungen mehr an ihren Vater oder mit ihm verbundene oder in Geschäftskontakt stehende Unternehmen zu leisten. Dieser Weisung zuwider habe die Klägerin die Überweisungen an die H, insbesondere die Überweisung vom 04. August 2008, und an die G veranlasst. Soweit die Miete für die Hard- und Software aufgrund des Dauerauftrags erfolgt sei, habe die Klägerin den Geschäftsführer nicht darüber informiert; sie habe ihm regelmäßig nur betriebswirtschaftliche Auswertungen, aber keine Aufstellungen über einzelne Buchungen, Einnahmen oder Ausgaben vorgelegt. Es treffe nicht zu, dass Herr F die Klägerin angewiesen habe, die Miete für den Lagerraum an die Firma G zu überweisen. Selbst wenn das der Fall gewesen sei, sei Herr F dazu nicht berechtigt gewesen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, Geld aus der Kasse zu nehmen. Aufgrund der Feststellungen des Geschäftsführers sei das Vertrauensverhältnis zur Klägerin in erheblichem Maße gestört. Eine Abmahnung sei entbehrlich, weil die Klägerin im Unternehmen eine herausragende Position innegehabt habe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, dass die Kündigung der Beklagten vom 03. Dezember 2008 als außerordentliche fristlose Kündigung mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam sei. Es könne dahinstehen, ob der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin die Anweisung gegeben habe, keine Zahlungen mehr an ihren Vater oder mit ihm verbundene oder mit ihm in Geschäftskontakt stehende Unternehmen zu leisten, da der Verstoß gegen eine Anweisung des Geschäftsführers die fristlose Kündigung ohne eine vorangegangene Abmahnung nicht rechtfertige. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass eine Verhaltensänderung der Klägerin in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden konnte. Eine etwaige Pflichtverletzung sei nicht so schwerwiegend, dass ihre Rechtswidrigkeit der Klägerin ohne weiteres erkennbar gewesen und dass die Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei. Zudem sei hinsichtlich der Überweisungen vom 15. Juli und 15. September 2008 davon auszugehen, dass diese aufgrund Dauerauftrags erfolgt seien. Der Vorwurf, die Klägerin habe die Stornierung der Daueraufträge nicht überwacht, sei nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Die Beklagte habe nicht substantiiert und unter Beweisantritt dargelegt, dass die Klägerin die Überweisung vom 04. August 2008 veranlasst habe. Zudem sei nicht die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB dargelegt. Die fristlose Kündigung könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin € 50,00 „gegen Quittung“ aus der Kasse genommen habe. Ein Arbeitnehmer sei zwar nicht berechtigt, Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber quasi im Wege der „Selbstbedienung“ durch Entnahme aus einer im Betrieb vorhandenen Barkasse durchzusetzen. Da die Beklagte zum Vortrag der Klägerin, dass dieses Verhalten üblich gewesen sei, nicht Stellung genommen habe, sei nicht davon auszugehen, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Die außerordentliche fristlose Kündigung sei gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Die ordentliche Kündigung beende das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2009. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei wegen des Verstoßes gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz nicht anwendbar. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
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Das Urteil ist der Beklagten am 03. Juli 2009 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 27. Juli 2009 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 03. Oktober 2009 am Montag, den 05. Oktober 2009 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
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Die Beklagte meint, dass eine Abmahnung wegen der besonderen Loyalitätspflicht der Klägerin und der daraus folgenden Schwere des Vertrauensbruchs nicht erforderlich gewesen sei.
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Nachdem die Parteien sich über die Erteilung eines Endzeugnisses durch Teilvergleich vom 23. April 2010 geeinigt haben, beantragt die Beklagte,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2009 – 2 Ca 9217/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze vom 24. Juli 2009 (Bl. 116 d.A.), vom 05. Oktober 2009 (Bl. 130 – 138 d. A.), vom 06. November 2009 (Bl. 141 d.A.) und vom 23. November 2009 (Bl. 149 – 154 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 23. April 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2009 – 2 Ca 9217/08 – ist gem. § 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b, c ArbGG statthaft und auch darüber hinaus zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.
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II. In der Sache hat die Berufung, die sich nach Abschluss des Teilvergleichs vom 23. April 2010 nur noch gegen die Entscheidung über den Feststellungsantrag richtet, keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 03. Dezember 2008 nicht vor dem 31. Juli 2009 geendet hat. Die Kündigung der Beklagten vom 03. Dezember 2008 ist nicht durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB gerechtfertigt. Sie ist jedoch gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, die das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Juli 2009 beendet hat.
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1. Die Kündigung der Beklagten vom 03. Dezember 2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet. Die Kündigung ist als außerordentliche Kündigung unwirksam. Sie ist nicht durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB gerechtfertigt.
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a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 15/07 – Rn 17, AP BGB § 626 Nr. 214 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 22) .
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Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind. Als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung gilt insbesondere der Ausspruch einer Abmahnung. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen werde. Deshalb setzt eine Kündigung wegen Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Das gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips. Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren hat. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und deren Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2007 – 2 AZR 180/06 – Rn 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20) .
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kündigung der Beklagten vom 03. Dezember 2008 nicht als außerordentliche Kündigung wirksam. Die außerordentliche Kündigung ist weder wegen der Überweisungen an die H, noch wegen der Überweisung an die G noch wegen der Barentnahme rechtfertigt.
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aa) Die Überweisungen an die H vom 15. Juli, 15. September und 4. August 2008 rechtfertigen die außerordentliche Kündigung weder unter dem Gesichtspunkt des weisungswidrigen Verhaltens noch unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Unterrichtungspflicht.
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(1) Von einem weisungswidrigen Verhalten kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte nicht substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass die Klägerin die Überweisungen an die H veranlasst hat. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Überweisungen vom 15. Juli und 15. September 2008 auf dem bereits eingerichteten Dauerauftrag beruhten, der trotz des Schreibens der Klägerin an die B nicht gelöscht worden war. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten, so dass dieser Vortrag der Klägerin als unstreitig anzusehen ist. Die Beklagte hat auch nicht unter Beweisantritt konkret dargelegt, dass die Klägerin die Überweisung vom 04. August 2008 veranlasst hat.
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(2) Die Beklagte hat auch nicht substantiiert und unter Beweisantritt dargelegt, dass die Klägerin im Zusammenhang mit den Überweisungen an die H ihre Rücksichtnahmepflicht verletzt.
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(a) Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Zu den hieraus herzuleitenden Pflichten der Vertragspartner gehört im Arbeitsverhältnis die Schadensabwendungspflicht, nach der der Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Im Zusammenhang damit besteht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bemerkbare oder voraussichtbare Schäden oder Gefahren dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.
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(b) Eine Verletzung dieser Anzeigepflicht ist nach dem Vortrag der Parteien nicht festzustellen. Die Klägerin hat behauptet, monatlich den Geschäftsführer umfassend durch Vorlage der einzelnen Buchungen und der Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben informiert zu haben, also auch über die Überweisungen an die H. Die Beklagte, welche für das Bestehen der Kündigungsgründe darlegungs- und beweisbelastet ist, hat zwar behauptet, dass die Klägerin weder über einzelne Buchungen noch über einzelne Einnahmen und Ausgaben informiert habe. Diesen Vortrag hat sie jedoch nicht unter Beweis gestellt.
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(3) Die Kündigung wäre aber auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass die Klägerin weisungswidrig die Überweisung vom 4. August 2008 veranlasst hätte und den Geschäftsführer nicht von der Ausführung des Dauerauftrags unterrichtet hätte. In diesem Fall fehlte es am Ausspruch einer Abmahnung. Diese war nicht entbehrlich. Es sind keine Umstände ersichtlich, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin ihr Verhalten trotz Abmahnung nicht geändert hätte. Auch unter Berücksichtigung der Position der Klägerin als Buchhalterin und einzige Arbeitnehmerin der Beklagten und Tochter des früheren Geschäftsführers wäre das Verhalten nicht als grobe Pflichtverletzung anzusehen, zumal die Forderungen der H unstreitig berechtigt waren.
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bb) Die Kündigung kann auch nicht auf die Überweisung an die G, welche die Klägerin unstreitig vorgenommen hat, gestützt werden. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, der Geschäftsführer habe die Klägerin angewiesen, keine Überweisungen an mit der H in Geschäftskontakt stehenden Unternehmen vorzunehmen, rechtfertigte die weisungswidrige Überweisung ohne vorherige Abmahnung die Kündigung, wie oben dargelegt, nicht.
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cc) Schließlich ist die Kündigung auch nicht durch die Barentnahme vom 28. November 2008 gerechtfertigt. Die Klägerin hat zwar durch die Entnahme eines Betrages von € 50,00 aus der Kasse verletzt. Auch wenn ihr wegen der mit ihrem privaten Fahrzeug unternommenen Dienstfahrten ein Fahrtkostenerstattungsanspruch zustand und sie als Buchhalterin über die Kasse verfügen durfte, war sie jedenfalls ohne vorherige Abrechnung der Fahrtkosten nicht berechtigt, ihre Ansprüche durch eine Entnahme aus der Kasse zu befriedigen. Die Kündigung ist jedoch wegen des Fehlens einer Abmahnung nicht gerechtfertigt. Es handelt sich nicht um einen groben Verstoß, mit dessen Hinnahme die Klägerin nicht rechnen konnte. Die Klägerin hat das Geld nicht heimlich entwendet, sondern eine Quittung in die Kasse gelegt, so dass die Entnahme ersichtlich war. Ihr hat ein Fahrtkostenanspruch zugestanden, wenn auch unklar ist, in welcher Höhe. Sie hat schließlich dargelegt, dass solche Entnahmen während ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses geduldet worden sei. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Daher ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin nach entsprechender Abmahnung ihr Verhalten nicht ändern würde.
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2. Die wirksame außerordentliche fristlose Kündigung vom 03. Dezember 2008 kann gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, welche das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2009 beendet.
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a) Die Voraussetzungen für eine Umdeutung liegen vor. Eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn eine ordentliche Kündigung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar geworden ist und wenn eine ordentliche Kündigung wirksam ist (vgl. BAG 15. November 2001 – 2 AZR 310/00 – AP BGB § 140 Nr. 13 = EzA BGB § 114 Nr. 24, zu B. I. 1. d.Gr.) . Das ist hier unstreitig der Fall. Die Klägerin richtet sich mit ihrem Antrag nicht gegen eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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b) Die ordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB am 31. Juli 2009 beendet.
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aa) Es gilt gesetzliche Regelung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach dem Anstellungsvertrag der Parteien gilt nach Ende der Probezeit eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres. Diese Frist entspricht der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrags geltenden Grundkündigungsfrist für Angestellte von 6 Wochen zum Quartalsende nach dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926, so dass schon für die Grundkündigungsfrist von einer deklaratorischen Verweisung auszugehen ist. Eine Regelung über verlängerte Kündigungsfristen enthält der Anstellungsvertrag nicht, so dass insoweit die gesetzlichen Fristen des § 622 Abs. 2 BGB gelten.
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bb) Das Arbeitsverhältnis bestand im Kündigungszeitpunkt mehr als 20 Jahre, sodass es mit der Frist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB erst zum 31. Juli 2009 aufgelöst werden konnte. Zwar sind nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, bei der Berechnung der nach Satz 1 maßgebenden Beschäftigungsdauer nicht zu berücksichtigen, so dass nach dieser Vorschrift für die Klägerin nur eine Beschäftigungsdauer von 19 Jahren zu berücksichtigen wäre und sich somit eine Kündigungsfrist von 6 Monaten (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB) ergäbe. Die Ausnahmevorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist aber mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und darf von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Das folgt aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Januar 2010 (C-555/07 [ Kücükdeveci ] – NZA 2010, 85).
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(1) Der Europäischen Gerichtshof hat entschieden, dass das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen sei, dass es einer Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden. Es obliege dem nationalen Gericht, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten die Beachtung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG sicherzustellen, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt.
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Der Europäische Gerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Regelung, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden, mit dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten habe, und dem daraus folgenden Verbot der Altersdiskriminierung nicht vereinbar sei. Dieser allgemeine Grundsatz sei in der Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert worden. Es obliege dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Altersdiskriminierung anhängig sei, im Rahmen seiner Zuständigkeit den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Die Notwendigkeit, die volle Wirksamkeit des Verbots der Altersdiskriminierung zu gewährleisten, bedeute, dass das nationale Gericht eine in den Anwendungsbereich des Unionsrecht fallende nationale Bestimmung, die es mit diesem Verbot für unvereinbar halte und die einer unionskonformen Auslegung nicht zugänglich sei, unangewendet zu lassen.
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(2) Die Kammer ist an diese Entscheidung gebunden. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs beruht auf der Auslegung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft iSd Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG und hält sich im Rahmen der dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG übertragenen Zuständigkeiten. Mit der auf das Verbot der Altersdiskriminierung gestützten Begründung hat der Gerichtshof die ihm durch die deutschen Zustimmungsgesetze zu den Europäischen Verträgen übertragenen Kompetenzen nicht überschritten ( vgl. BAG 26. April 2006 – 7 AZR 500/04 – Rn. 17 ff., BAGE 118, 76 = AP TzBfG § 14 Nr. 23 = EzA TzBfG § 14 Nr. 28 ).
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(3) Die Unvereinbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB hat zur Folge, dass die Gesetzesvorschrift im Streitfall nicht mehr angewendet werden darf.
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(a) Es ist erforderlich, die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unangewendet zu lassen, um die volle Wirksamkeit des Verbots der Diskriminierung wegen Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG zu gewährleisten. Die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsrist nicht berücksichtigt werden, ist mit dem Verbot der Altersdiskriminierung nicht vereinbar. Sie ist wegen ihres klaren und eindeutigen Wortlauts einer unionskonformen Auslegung nicht zugänglich. Sie ist daher unangewendet zu lassen. Die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB beseitigt die Altersdiskriminierung, ohne die Anwendbarkeit der Kündigungsfristenregelung im Übrigen zu beeinträchtigen.
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(b ) Es ist nicht erforderlich, die Aufhebung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB durch den Gesetzgeber oder eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Da es nicht um die Verfassungswidrigkeit, sondern um die Vereinbarkeit einer nationalen Bestimmung mit unmittelbar anzuwendendem europäischen Gemeinschaftsrechts geht, steht dem auch Art. 100 GG nicht entgegen (vgl. BAG 26. April 2006 – 7 AZR 500/04 – Rn. 37 ff., BAGE 118, 76 = AP TzBfG § 14 Nr. 23 = EzA TzBfG § 14 Nr. 28).
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(4) Die Anwendbarkeit folgt auch nicht ausnahmeweise aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes.
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(a) Die Beklagte kann sich nicht auf gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutz berufen. Zur zeitlichen Begrenzung des Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht der Gemeinschaft verstoßenden nationalen Norm ist wegen des Grundsatzes der einheitlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht allein der Europäische Gerichtshof zuständig. Die Einschränkung der zeitlichen Wirkung einer im Vorabentscheidungsverfahren getroffenen Entscheidung muss überdies in dem Urteil selbst enthalten sein, durch das über das Auslegungsersuchen entschieden wird (vgl. BAG 26. April 2006 – 7 AZR 500/04 – Rn. 40, BAGE 118, 76 = AP TzBfG § 14 Nr. 23 = EzA TzBfG § 14 Nr. 28, EuGH 27. März 1980 – Rs. 61/79 [ Denkavit Intaliana ] – EuGHE 1980, 1205, Rn. 18; EuGH 2. Februar 1988 – Rs. 24/86 [Blaizot] – EuGHE 1988, 379, Rn. 28) . Der Europäische Gerichtshof hat die zeitlichen Wirkungen seines Unanwendbarkeitsausspruchs trotz ausdrücklicher Frage im Vorlageersuchen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 nicht begrenzt.
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(b) Selbst wenn nach einem zeitlich nicht beschränkten Unanwendbarkeitsausspruch des Europäischen Gerichtshofs die Gewährung von Vertrauensschutz nach nationalem Recht durch ein nationales Gericht in Betracht kommen könnte, bestände hierfür keine Veranlassung. Die Beklagte konnte im Streitfall nicht in schutzwürdiger Weise auf die Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vertrauen. Vielmehr war die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Gemeinschaftsrecht bereits frühzeitig und deutlich vor Ausspruch der Kündigung im arbeitsrechtlichen Schrifttum in Zweifel gezogen worden und die Auffassung vertreten worden, die Regelung sei wegen des Verstoßes unanwendbar ( Preis NZA 2006, 491, 408, Reichold/ Hahn/ Heinrich NZA 2005; Annuß BB 2006, 325; ErfK/Müller-Glöge § 622 Rn. 2; APS/Linck § 622 BGB Rn. 54b ). Bei Ausspruch der Kündigung lag überdies die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. November 2005 (C-144/04 [Mangold] ABl. EU Nr. C 36, 10) sowie die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht von 26. April 2006 (– 7 AZR 500/04 – Rn. 17 ff., BAGE 118, 76 = AP TzBfG § 14 Nr. 23 = EzA TzBfG § 14 Nr. 28) vor. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte keine ordentliche Kündigung, sondern eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat und dass schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen der Verlängerung der Kündigungsfrist um einen Monat nicht dargelegt und nicht ersichtlich sind.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91a ZPO.
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Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen, bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.