LAG Baden-Württemberg – 21 Sa 43/20

Datenschutz – Informationsanspruch – Kopieanspruch

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg,  Urteil vom 17.03.2021, 21 Sa 43/20

Leitsätze des Gerichts

  1. Der Informationsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antragsteller konkret mitteilt, welche Informationen er im Rahmen von lit. a bis h der Norm für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehrt.
    Dasselbe gilt für den Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.
  2. Eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Geltendmachung von Ansprüchen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO bedarf es nicht. Es genügt grundsätzlich die Behauptung des Antragstellers, die Verantwortlichen iSd. Art. 4 Nr. 1, 2, 7 DSGVO würden personenbezogene Daten seiner Person verarbeiten.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 05.06.2019 – Az: 3 Ca 4960/18 – in den Ziffern 3 und 4 des Tenors teilweise abgeändert, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Informationen

a) über die Empfänger, denen von der Beklagten die bei ihr verarbeiteten Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers bisher offengelegt worden sind,

b) über die Herkunft der bei der Beklagten verarbeiteten Verhaltens- und Leistungsdaten des Klägers, soweit diese nicht beim Kläger selbst erhoben worden sind, insbesondere über die Herkunft solcher verarbeiteten Verhaltens- und Leistungsdaten,

– die im bei der Beklagten betriebenen CMS System,

– die im bei der Beklagten vorhandenen E-Mail-System im Rahmen des E-Mail-Verkehrs zwischen dem Kläger und Herrn F. L. im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2017,

– und die in den den Kläger betreffenden BPO-Fällen mit den Aktenzeichen AL-…-… und AL-…-…

erhoben worden sind,

c) über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling und bei Bestehen einer solchen Entscheidungsfindung aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger,

zu erteilen, soweit jeweils nicht die in den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 Satz 2 und 34 Abs. 1 BDSG geregelten Ausnahmen vorliegen,

und soweit diese Informationen sich nicht in der Personalakte des Klägers befinden.

Die Verpflichtung der Beklagten erstreckt sich nicht auf die bei der Beklagten vorhandenen IT-Systeme

– My Feedback

– My Contribution

– Employee Satisfaction

– My Points

– bei Lead IT die Performance Bewertung.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie einer verkörperten Zusammenstellung der von der Beklagten verarbeiteten Verhaltens- und Leistungsdaten des Klägers, insbesondere

– eine Kopie einer verkörperten Zusammenstellung der verarbeiteten Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers im bei der Beklagten betriebenen CMS System,

– eine solche des E-Mail-Verkehrs zwischen dem Kläger und Herrn F. L. im Zeitraum 01.012016 bis 31.12.2017 im bei der Beklagten vorhandenen E-Mail System,

– und eine solche in den den Kläger betreffenden BPO-Fällen mit den Aktenzeichen AL-…-… und AL-…-…,

zur Verfügung zu stellen, soweit jeweils nicht die in den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 Satz 2 und 34 Abs. 1 BDSG geregelten Ausnahmen vorliegen und soweit diese Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers sich nicht in dessen Personalakte befinden.

Die Verpflichtung der Beklagten erstreckt sich nicht auf die bei ihr betriebenen IT-Systeme

– My Feedback

– My Contribution

– Employee Satisfaction

– My Points

– bei Lead IT die Performance Bewertung.

3. Im Übrigen werden die Klaganträge Ziffer 5 und 6 vom 01.02.2019 abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und die Kosten der vorliegenden Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Revision wird sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte (noch) verpflichtet ist, dem Kläger bestimmte Informationen gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. 2. Alt. DSGVO über bei der Beklagten verarbeitete verhaltens- und leistungsbezogene Daten des Klägers zu erteilen und darüber hinaus über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Kopien der leistungs- und verhaltensbezogenen Daten des Klägers, die Gegenstand der Verarbeitung bei der Beklagten waren, zur Verfügung zu stellen.
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Betreffend den unstreitigen und erstinstanzlich streitigen Vortrag der Parteien betreffend die Auskunftsansprüche und Ansprüche auf zur Verfügungstellung von Kopien über verarbeitete Daten wird gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den von den Parteien nicht angegriffenen, vollständigen und zutreffend wiedergegebenen unstreitigen und streitigen Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 5. Juni 2019 (Seiten 3, 4 und 9, 10, Bl. 460, 461 und 466, 467 der Akten-ArbG) einschließlich der dort enthaltenen Bezugnahme auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
3
Mit Urteil vom 5. Juni 2019 hat das Arbeitsgericht den Anträgen des Klägers
4
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung im Schreiben vom 13.08.2018 zum 28.02.20219 nicht enden werde,
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2. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für die Dauer dieses Rechtsstreits in der Funktion … auf der Ebene 3 weiter zu beschäftigen,
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4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers zu erteilen, im Hinblick auf
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– die Zwecke der Datenverarbeitung,
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– die Empfänger, gegenüber denen die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt habe oder noch offenlegen werde,
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– die Speicherdauer oder falls dies nicht möglich ist, Kriterien für die Festlegung der Dauer,
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– die Herkunft der personenbezogenen Daten des Klägers, soweit die Beklagte diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben habe und
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– das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung,
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5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von ihr vorgenommenen Verarbeitung seien, zur Verfügung zu stellen,
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vollumfänglich stattgegeben und ist insoweit den Klagabweisungsanträgen der Beklagten nicht gefolgt.
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Den Klagantrag Ziffer 3,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31. Mai 2028 auf Grund der Regelung im Arbeitsvertrag vom 13. Januar/15. Februar 2012 enden würde,
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hat es als unzulässig abgewiesen und ist insoweit dem entsprechenden Antrag der Beklagten gefolgt.
17
Betreffend die vom Kläger zur Entscheidung gestellten Klaganträge Ziffer 4 und 5, ursprünglich als Klaganträge Ziffer 5 und 6 im Schriftsatz des Klägers vom 01. Februar 2019 (Bl. 297, 298 der Akten-ArbG) gestellt, führt das Arbeitsgericht im Wesentlichen aus, dass diese Anträge hinreichend bestimmt seien, dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis an ihnen nicht fehle und die Bearbeitungsfristen zur Auskunftserteilung für die Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor der Kammer abgelaufen gewesen seien. Auch habe der Kläger sein Auskunftsersuchen hinreichend präzisiert, auf welche Informationen und Verarbeitungsvorgänge sich sein Auskunftsersuchen beziehe. Die Beklagte verarbeite unstreitig personenbezogene Daten des Klägers im Sinne der DSGVO. Im Hinblick darauf könne der Kläger gemäß den Vorschriften der DSGVO Auskunft über diese Daten und die von ihm verlangten Informationen verlangen. Diesen Ansprüchen stünden Rechte Dritter nicht entgegen. Allein die Etablierung eines Hinweisgeberprozesses (BPO) bei der Beklagten und die Behauptung der Beklagten, dass für dessen Funktionieren das Vertrauen potenzieller Hinweisgeber unerlässliche Voraussetzung sei, genüge nicht, um den Anspruch des Klägers entfallen zu lassen. Daraus ergebe sich nicht, ob im Einzelfall Rechte und Freiheiten Dritter den Auskunftsansprüchen des Klägers entgegenstünden. Die Auskunft und Herausgabe von Daten sei auch nicht ausgeschlossen, weil Zeugen des Hinweisgeberprozesses Repressalien des Klägers ausgesetzt wären. Dafür gebe es keine tragenden Anhaltspunkte. Dass der Kläger versucht habe, Kontakt zu Zeugen aufzunehmen, sei so lange rechtlich unbedenklich, wie damit keine Drohungen, Beeinflussungen oder Ähnliches verbunden seien. Die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, der Kläger habe damit versucht, psychischen Druck und Angst bei den Mitarbeitern zu erzeugen, habe sie durch keine weiteren Umstände belegt. Die von der Beklagten zum Gegenstand ihrer Kündigungsentscheidung gegenüber dem Kläger gemachten Vorfälle unterstelle sie dem Kläger für sein weiteres Verhalten. Gerade die geschilderten Vorfälle ließen jedoch ein systematisches Vorgehen des Klägers nicht erkennen; die bloße Angst von Mitarbeitern vor dem Kläger stelle kein überwiegendes Interesse an einer Geheimhaltung dar. Auch die Tatsache, dass es möglich sei, dass Auskunft über E-Mails erteilt werden müsse, die dem außerdienstlichen und nicht dem dienstlichen Bereich zuzuordnen seien, beschränke den Anspruch des Klägers nicht von vornherein. Auch hier müssten die Interessen Dritter den Auskunftsanspruch des Klägers überwiegen. Jedenfalls habe eine Güterabwägung stattzufinden, die Vortrag erfordere, den die Beklagte nicht geleistet habe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs einen unverhältnismäßigen Aufwand für sie darstelle, nachdem die entsprechende Vorschrift in der DSGVO für die vorliegenden Auskunftsansprüche keine Anwendung finde. Selbst wenn die Vorschrift anwendbar wäre, könne sich die Beklagte vorliegend nicht darauf berufen, da dies dem Schutzweck der DSGVO zuwiderliefe, wenn gerade besonders viele Daten über einen besonders langen Zeitraum über den Kläger erhoben würden und die Beklagte gerade deshalb nicht verpflichtet wäre, Auskunft über die erhobenen Daten zu erteilen. Das Auskunftsersuchen des Klägers sei auch nicht exzessiv im Sinne der DSGVO, insbesondere liege kein Fall häufiger Wiederholung des Ersuchens im Falle des Klägers vor. Ein missbräuchlicher Charakter des Auskunftsersuchens sei nicht feststellbar.
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Gegen diese, der Beklagten am 17. Juni 2019 zugestellte Entscheidung (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 486 der Akten-ArbG) richtet sich ihre am 16. Juli 2019 per Telekopie und am 17. Juli 2019 im Original beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Schriftsatz einer Verbandsvertreterin im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG eingegangene Berufung (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 1 und 3 der Akten), die sie mit am 17. September 2019 in Telekopie und im Original beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Verbandsvertreterin (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 40 und 64 der Akten) begründet hat. Zuvor war ihr auf den beim Landesarbeitsgericht am 14. August 2019 per Telekopie und am 15. August 2019 im Original beim Landesarbeitsgericht eingegangenen schriftlichen Antrag ihrer Prozessbevollmächtigten (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 37 und 37 der Akten) die Berufungsbegründungsfrist mit gerichtlicher Verfügung vom 14. August 2019 bis einschließlich 17. September 2019 verlängert worden (vgl. gerichtliche Verfügung Bl. 39 der Akten).
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung betreffend die Klaganträge Ziffer 5 und 6 des Klägers vom 1. Februar 2019 vor,
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diesen Klaganträgen fehle bereits die nötige Bestimmtheit, so dass sie im Falle des Obsiegens des Klägers nicht vollstreckungsfähig seien. So sei zunächst schon bei den vom Kläger in seinen Anträgen formulierten Begriffen „Personalakte“, „Leistungsdaten“ und „Verhaltensdaten“ nicht erkennbar, über welche Dokumente oder Daten sie dem Kläger im Einzelnen Auskunft zu erteilen bzw. Kopien zur Verfügung zu stellen habe. Auch aus den vom Kläger vorgelegten Schriftsätzen konkretisierten sich seine Anträge im Hinblick auf diese von ihm genannten Begriffe nicht. Weil der Kläger in seinen Schriftsätzen konkrete IT-Systeme der Beklagten bezeichne, sei schon ersichtlich, dass es ihm durchaus möglich sei, seine Anträge zu präzisieren. In den von ihm genannten IT-Systemen „My Feedback“, „My Contribution“, „Employee Satisfaction“ und „My Points“ seien keine Daten des Klägers mehr vorhanden, da über diese Daten regelmäßige Löschroutinen liefen. Bei dem CMS-System handle es sich um ein Speichersystem für die BPO-Akte. Das Einsichtsrecht des Klägers in die BPO-Akte sei durch die Ausnahmetatbestände der DSGVO und des BDSG im Hinblick auf die entgegenstehenden Interessen Dritter zu beschränken. Nur durch den Schutz der Identität von Hinweisgebern könne sie sicherstellen, dass die Mitarbeiter Vertrauen in das bei ihr installierte Hinweisgebersystem zur Meldung möglicher Missstände hätten und dieses auch tatsächlich nutzten. Den Zeugen und Hinweisgebern sichere sie im Rahmen dieses Verfahrens Vertraulichkeit zu und nur so könne ein funktionierendes Hinweisgebersystem sichergestellt werden. Der vom Kläger formulierte Auskunftsanspruch und die Geltendmachung des Rechts auf Erhalt von Kopien in Bezug auf zwischen dem Kläger und Herrn L. versandte E-Mails sei nicht vom Auskunftsanspruch der DSGVO gedeckt. Es sei im übrigen nicht klar, in welche E-Mails der Kläger Einsicht begehre. Unter den vom Kläger formulierten Anspruch fielen sämtliche E-Mails zwischen ihm und Herrn L. im Zeitraum von einem Jahr und fünf Monaten und der geltend gemachte Zeitraum liege darüber hinaus schon drei Jahre zurück. Darüber hinaus sei nach Art. 14 Abs. 5 DSGVO ihre Informationspflicht ausgeschlossen. Eine Offenlegung der zugrunde liegenden Daten würde ihr Verarbeitungsziel, nämlich das der internen Ermittlungen betreffend die die Person des Klägers gemachten Hinweise im Hinweisgebersystem auch ernsthaft gefährden. Eine Offenlegung von E-Mail-Verkehr, in dem etwa die Abstimmung zum Umgang mit dem Fall des Klägers bewertet werde, würde ihrem Verarbeitungszweck zuwiderlaufen. Jedenfalls würde die Auswertung der E-Mails zwischen dem Kläger und Herrn L. einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für sie, die Beklagte, darstellen, da jede E-Mail auf entgegenstehende Rechte Dritter geprüft und für jede einzelne E-Mail einzeln entschieden werden müsse. Im Übrigen habe sie die Auskunftsansprüche des Klägers mit Schreiben vom 26. Juni 2020 an den Kläger bereits erfüllt.
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Die Beklagte beantragt betreffend die Informations- und Kopieansprüche des Klägers,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 05.06.2019, Az: 3 Ca 4960/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt insoweit,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er trägt zweitinstanzlich im Wesentlichen vor,

seine Klaganträge seien hinreichend bestimmt. Der von ihm verwandte Begriff der „Personalakte“ finde sich etwa in § 83 Abs. 1 und 2 BetrVG wieder. Bei der Personalakte handle es sich um eine chronologische Sammlung von Unterlagen, die ein umfassendes Bild über die Person des Arbeitnehmers, seine Herkunft, Ausbildung, beruflichen Werdegang und seine Befähigungen und Leistungen zeichne. Ebenso wenig seien die Begriffe „Leistungsdaten“ und „Verhaltensdaten“ unbestimmt. Leistungsdaten gäben Auskunft darüber, welche Arbeiten der Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitspflicht geleistet habe. Verhaltensdaten dokumentierten jedes Tun oder Unterlassen des Arbeitnehmers im betrieblichen, aber auch außerbetrieblichen Bereich, das für das Arbeitsverhältnis erheblich sein könne. Im Übrigen sei bei datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen ein besonders großzügiger Maßstab für die Bestimmtheit eines Klageantrags geboten. Dafür spreche eine verfassungskonforme Auslegung des Prozessrechts. Vorsorglich komme es ihm im Wesentlichen, aber nicht ausschließlich, auf seine personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten an, die von der Beklagten (möglicherweise) in folgenden IT-Systemen gespeichert würden: Compliance Management-System, Employee Satisfaction, LEAD-System, My Feedback, My Contribution, My Points. Darüber hinaus begehre er insbesondere Auskunft über bzw. eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten im E-Mail-Verkehr zwischen Herrn F. L. und ihm im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezember 2017, von den ihn betreffenden BPO-Fällen mit den BPO-Aktenzeichen AL-…-… und AL-…-… und von etwaigen Performance-Bewertungen der Beklagten betreffend seine Person im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2012 und 31. Dezember 2018.
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Der Beklagten gehe es im Hinblick auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch nur scheinbar um schützenswerte Interessen Dritter. Er, der Kläger, habe in gleicher Weise ein Aufklärungsinteresse wie die Beklagte und sei berechtigt/verpflichtet, ihn entlastenden Sachverhalt zu ermitteln und daran interessiert, diesen Sachvortrag im Rechtsstreit vortragen zu können. Die Beklagte habe im Hinblick darauf kein Recht, ihm den Umgang mit Dritten zu verbieten. Insoweit komme der Beklagten auch kein schützenswertes Interesse zu, dass er keinen Kontakt mit Zeugen aufnehmen könne. Er akzeptiere im Übrigen, dass es auf der Grundlage der gegenwärtigen Rechtslage einen Interessenwiderspruch zwischen dem Schutz von Whistleblowern und dem Auskunftsanspruch nach der DSGVO gebe. Die Beklagte hingegen sei nicht in der Lage Sachverhalt vorzutragen, der ansatzweise mit diesem Interessenwiderspruch zu tun habe. Ungeachtet dessen übersehe die Beklagte, dass sie im Rahmen des Auskunftsanspruchs in erster Linie verpflichtet sei, Auskunft zu erteilen, welche Daten gespeichert seien. Im Rahmen der zur Verfügung gestellten Kopien obliege es der Beklagten, eine diesem Interessenwiderspruch gerecht werdende Selektion vorzunehmen. Gegebenenfalls sei im Vollstreckungsverfahren aufzuklären, ob die Beklagte berechtigt sei, Kopien von Daten zurückzuhalten, weil dies im Interesse des Schutzes Dritter geboten sei.
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Mit dem Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2020 an ihn habe die Beklagte seinen Anspruch auf Erteilung der Datenkopien nicht erfüllt, da dieses Schreiben lediglich eine Auskunft, aber keine Datenkopie im Sinne der DSGVO beinhalte. Im Übrigen sei die Auskunft der Beklagten bereits unrichtig, nachdem im IT-System „My Feedback“ für 2017 Berichte den Kläger betreffend weiterhin gespeichert seien.
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Die Beklagte trägt zu Letzterem noch vor,

mit Schreiben an den Kläger vom 16. März 2021 habe sie ihr Schreiben an den Kläger vom 26. Juni 2020 ergänzt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. März 2019 (Bl. 447, 448 der Akten-ArbG) und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 17. März 2021 (Bl. 217, 218 der Akten) verwiesen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 17. März 2021 führte eine Vertreterin der Beklagten aus, dass es sich bei dem vom Kläger in seinen Schriftsätzen genannten Herrn L. wohl um Herrn L. handle. Der Kläger berichtigte daraufhin seine Ausführungen im Schriftsatz vom 4. Juni 2020 dahingehend, dass es ihm um den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und Herrn L. gehe. Auf Frage des Gerichts teilte der Kläger weiter mit, dass er auf seinem aktuellen Arbeitsplatzrechner den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und Herrn L. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aufrufen könne. Letzterem widersprach die Beklagte nicht.
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Über die Berufung der Beklagten gegen Ziffer 1 und 2 des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 5. Juni 2019 (Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 13. August 2018 und der Stattgabe des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs) und die Anschlussberufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Befristungskontrollklage durch das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht mit Endurteil vom 21. April 2020 unter dem Aktenzeichen 8 Sa 37/19 entschieden. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Bezüglich der Einzelheiten dieser Entscheidung wird vollinhaltlich auf Bl. 143 bis 154 der Akten 8 Sa 37/19 verwiesen. Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Klaganträge Ziffer 5 und 6 des Klägers vom 1. Februar 2019, über die das arbeitsgerichtliche Urteil in den Ziffern 3 und 4 des Urteilstenors entschieden hat, hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 21. April 2020 (vgl. Sitzungsprotokoll vom 21. April 2020, Bl. 139 der Akten 8 Sa 37/19) abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 8 Sa 18/20 fortgeführt. Gem. Ziffer 3 des 4. Nachtrags zum Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg 2020 für den richterlichen Dienst vom 7. Juli 2020 ist der vorliegende Rechtsstreit der Kammer 21 zugewiesen worden und wird seither unter dem aktuellen Aktenzeichen 21 Sa 43/20 geführt.
Entscheidungsgründe

32
Die Klaganträge Ziffer 5 und 6 des Klägers vom 1. Februar 2019 sind zulässig aber nur teilweise begründet. Die Berufung der Beklagten ist deshalb ihrerseits nur teilweise begründet.
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A. Zulässigkeit der Berufung
34
1. Die Berufung der Beklagten ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. a ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 2 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist durch eine Vertreterin eines Arbeitgeberverbands gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG eingelegt und nach noch innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist bei Gericht formgerecht eingegangenem Fristverlängerungsantrag einer Verbandsvertreterin innerhalb der daraufhin mit gerichtlicher Verfügung verlängerten Frist, wiederum mit Schriftsatz einer Verbandsvertreterin, begründet worden. Die Berufung der Beklagten setzt sich insbesondere hinreichend mit den Argumenten auseinander, mit denen das Arbeitsgericht den Klaganträgen des Klägers Ziffer 5 und 6 vom 01.02.2019 entsprochen hat.
35
2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
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B. Begründetheit der Berufung
37
Die zulässigen Klaganträge Ziffer 5 und 6 des Klägers vom 01.02.2019 sind nur teilweise begründet.
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I. Zulässigkeit der Klaganträge
39
Die Klaganträge Ziffer 5 und 6 vom 01.02.2019 sind zulässig.
40
1. Grundsätze
41
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klagschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und sogleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klagantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, da er den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH 14. Dezember 1998 – II ZR 330/97 in NJW 1999, 954 mwN.). Vermeidbare Ungenauigkeiten dürfen danach grundsätzlich nicht in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 14. Februar 2017 – 9 AZB 49/19 Rn. 10-12 und vom 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 Rn. 16 – juris). Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht. Soweit ist auch das Rechtsstaatsprinzip zu beachten, da der Schuldner wissen muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert es aber gerade auch das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch in der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Das kann es rechtfertigen, auch das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit zu entheben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob gegen die aus einem Titel folgende Verpflichtung verstoßen wurde (BAG 15. April 2009 aaO. Rn. 18 mwN.).
42
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegend streitgegenständlichen Anträge ergibt sich deren Zulässigkeit. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinen geltend gemachten Informationsansprüchen gemäß Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO Auskunft über alle Daten geltend machen kann, die seine Person betreffen und die von der Beklagten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet werden oder worden sind. Was unter Verarbeiten zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 4 Nr. 2 DSGVO hinreichend deutlich, ohne dass der Kläger dies näher bestimmen müsste. Ebenfalls ist die vom Kläger in der Formulierung des geltend gemachten Informationsanspruchs gemachte Einschränkung dahingehend, dass er von der Beklagten – nur – Information über die seine Person betreffenden Daten geltend macht, die sein Verhalten und seine (Arbeits)Leistung betreffen haben will, hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die von ihm insoweit gewählten Begriffe stellen eine Datenkategorie im Sinne des Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. lit. b DSGVO dar. Die von ihm insoweit gewählten Begriffe des „Verhaltens“ und der „Leistung“ sind ihrerseits hinreichend bestimmt. Diese sind nach der Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG hinreichend konkretisiert (vgl. hierzu etwa BAG 11. März 1986 – 1 ABR 12/84 und BAG 27. Mai 1986 – 1 ABR 48/84 Rn. 63 für die Frage, was unter Verhalten zu verstehen ist; BAG 23. April 1985 – 1 ABR 2/82 – juris zur Frage, was unter der Leistung eines Arbeitnehmers zu verstehen ist). Dies gilt auch, soweit der Kläger leistungs- und verhaltensbezogene Daten von seiner Person nicht zur Auskunft verlangt, die in seiner Personalakte enthalten sind. Dass bei der Beklagten eine (elektronische) Personalakte des Klägers geführt wird, ist zwischen den Parteien unstreitig. Insoweit ist für die Beklagte ohne Weiteres erkenntlich, dass er nicht die Daten zu Auskunft und zur Fertigung einer Kopie verlangt, die sich in dieser den Parteien bekannten, elektronischen Personalakte des Klägers befinden, in die der Kläger im Sinne des § 83 BetrVG Einsicht nehmen kann.
43
Eine weitergehende konkretere Benennung der von ihm verlangten Daten ist dem Kläger nicht möglich und deshalb auch eine weitergehende Konkretisierung von dem, was er von der Beklagten will, nicht zumutbar. Dies deshalb, weil der Kläger gerade nicht weiß oder nicht mehr ohne Weiteres wissen kann, welche verhaltens- und leistungsbezogene Daten seiner Person die Beklagte verarbeitet hat. Würde man dem Kläger insoweit eine weitere Konkretisierung zur Herbeiführung einer hinreichenden Vollstreckbarkeit seiner Forderungen abverlangen, würde sich sein in Art. 15 Abs. 1 DSGVO weit gefasster Auskunfts- und Informationsanspruch derart gegen ihn wenden, dass ihm die Unkenntnis der von der Beklagten für seine Person verarbeiteten Daten diese Ansprüche rauben würde. Damit könnte effektiver Rechtsschutz betreffend seine Ansprüche gemäß Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO gerade nicht erreicht werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Arbeitnehmer eine Verpflichtung hat, die personenbezogenen Daten, die für ihn erkennbar von der Beklagten verarbeitet werden, selbst zu dokumentieren, um sie später als Grundlage für seinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber einsetzen zu können. Würde man diese Verpflichtung des Arbeitnehmers bejahen, würde er Auskunft über etwas begehren können, was ihm ohnehin schon bekannt ist. Das wäre widersinnig. Soweit der betreffenden Person vom Arbeitgeber bereits Auskünfte im Rahmen seiner Informationspflicht gem. den Art. 13 und 14 DSGVO erteilt worden sind, sind die Auskunftsverpflichteten berechtigt, bei einem Auskunftsersuchen hierauf Bezug zu nehmen (siehe hierzu noch unten). Im Hinblick darauf ist es dem Arbeitnehmer weder möglich noch zumutbar, konkrete Angaben über die Daten zu machen, die ihn konkret interessieren. Es genügt, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, dass er über Daten, die seine Person betreffen und die der Arbeitgeber im Sinne des Art. 15 Abs. 1 1. HS DSGVO verarbeitet hat, Auskunft verlangt. Ansonsten würde sein Recht aus Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO leerlaufen. Im Hinblick darauf ist es unvermeidbar, dass ein eventueller Streit über die Vollständigkeit der Auskunftserteilung des Arbeitgebers, jedenfalls teilweise, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird.
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Dasselbe gilt für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO. Auch hier ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, genauere Angaben dazu zu machen, von welchen personenbezogenen Daten er eine Kopie zur Verfügung gestellt haben will. Dies ist nämlich seinerseits abhängig davon, welche personenbezogene Daten des Klägers/Arbeitnehmers der Arbeitgeber verarbeitet hat. Wenn der Kläger danach – wie vorliegend – aufführt, dass es ihm insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf Kopien von verarbeiteten Leistungs- und Verhaltensdaten seiner Person in bestimmten IT-Systemen, in bestimmten Kommunikationssystemen und in bestimmten Akten ankomme, stellt dies keine prozessual notwendige – wenn auch mögliche – Präzisierung seines Klagantrags, sondern eine Kundgabe seines besonderen Interesses an der Kenntnis bestimmter verarbeiteter personenbezogener Daten dar.
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3. Der Kläger hat aus Sicht der erkennenden Kammer kein besonderes Rechtsschutzinteresse an den von ihm gestellten Anträgen darzulegen. Alleinige Voraussetzung des Auskunfts-, Informations- und des Zurverfügungstellungsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1 2. HS und Abs. 3 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten der die Ansprüche geltend machenden Person durch den Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nrn. 1, 2 und 7 DSGVO. Insoweit genügt für das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses die Behauptung des Klägers, dass dies der Fall sei. Vorliegend ist im Übrigen zwischen den Parteien sogar unstreitig, dass die Beklagte Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers verarbeitet hat.
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4. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der zur Entscheidung gestellten Klaganträge bestehen nicht.
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II. Begründetheit der Klaganträge
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Beide Klaganträge sind nur teilweise begründet.
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1. Grundsätze
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Auszugehen ist bei der Auslegung von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zunächst davon, dass der Normzweck in der Transparenz und der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten liegt (Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO). Darüber hinaus ergibt sich aus Sicht der erkennenden Kammer aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO, dass ein Arbeitgeber, der Daten seines Arbeitnehmers im Sinne des Art. 4 DSGVO verarbeitet, diesem eine „Kopie“ der in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Angaben zur Verfügung stellen muss. Aus Sicht der erkennenden Kammer geht der Anspruch auf Erteilung einer Kopie im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO aufgrund des Gesetzeswortlauts deshalb nicht über die Auskünfte hinaus, über die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß Art. 15 Abs. 1 2. HS DSGVO (vor dem „und“) Auskunft zu erteilen hat (ebenso: LAG Niedersachen 9. Juni 2020 – 9 Sa 608/19 – Rn. 66 – juris; Wybitul/Brams in NZA 2019, 672; Paal/Pauly DS-GVO BDSG 3. Aufl. 2021 zu Art. 15 Rn. 33; Plath-Kamlah DS-GVO/BDSG 3. Aufl. 2018 zu Art. 15 Rn. 26; a.A: wohl OLG Köln 26. Juli 2019 – 20 U 75/18 – juris; Schulte/Welge in NZA 2019/1110; Kühling/Büchner DS-GVO 3. Aufl. 2020 zu Art. 15 Rn. 39, 39 a).
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Nachdem der Normzweck in der Transparenz und der Rechtmäßigkeitskontrolle der Verarbeitung der Daten durch die betroffene Person liegt und eine Vielzahl von Daten eines Arbeitnehmers beim Arbeitgeber verarbeitet sein können, über die dieser Auskunft zu erteilen hat, ist davon auszugehen, dass der Auskunftsersuchende gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO die verarbeiteten Daten in einem einheitlichen Dokument erhalten soll. Dieses Dokument wiederum muss nicht notwendig aus nur einer einzigen Kopie, sondern kann auch aus einer Mehrzahl oder gar Vielzahl von Kopien bestehen. Dies bedeutet hingegen nicht, dass Ablichtungen/Ausdrucke der papierenen oder elektronischen Dokumente, in denen sich die personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers befinden, zur Verfügung zu stellen sind. Entscheidend für den Auskunftsanspruch und den damit verbundenen Anspruch auf Verkörperung der zu erteilenden Auskünfte ist lediglich, dass der Arbeitgeber die von ihm verarbeiteten Daten des Arbeitnehmers diesem zusammengefasst zur Verfügung stellt. Ob er von den Dokumenten, in denen die Daten enthalten sind, tatsächlich Kopien oder Ausdrucke im technischen Sinne auf einem Kopierer oder mittels Drucker fertigt und daraufhin Passagen, die Rechte Dritter beeinträchtigen oder die keine personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers beinhalten, möglicherweise schwärzt oder ob er personenbezogene Daten des Arbeitnehmers, die in Dokumenten enthalten sind, bündelt und dem Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber gebündelten Daten und nicht auch die (gegebenenfalls geschwärzten) Dokumente zur Verfügung stellt, obliegt der Entscheidung des Arbeitgebers. Entscheidend allein ist, dass der Arbeitnehmer zu Transparenzzwecken und zur Prüfung der Rechtmäßigkeit aller von ihm durch den Arbeitgeber verarbeiteten Daten diese zusammengefasst zur Prüfung zur Verfügung erhält (in diesem Sinne wohl auch ArbG Bonn 16. Juli 2020 – 3 Ca 2026/19 – juris).
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Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 9. Juni 2020 (Az: 9 Sa 608/19 – juris Rn. 66) beschränkt sich der Auskunfts- und Zurverfügungstellungsanspruch des Arbeitnehmers nicht nur auf solche Dokumente, die der Arbeitnehmer im Prozess konkretisiert hat. Ebenso wenig muss der Arbeitnehmer zur Schlüssigkeit seiner Anträge darlegen, ob und gegebenenfalls welche Dokumente über vom Verantwortlichen verarbeitete Daten seiner Person er bereits von diesem erhalten hat. Vielmehr genügt es, wenn der Arbeitnehmer vorträgt, dass sein Arbeitgeber personenbezogene Daten seiner Person im Sinne der Art. 4 Nr. 2, 15 Abs. 1 1. Halbsatz DSGVO verarbeitet hat (anderer Ansicht: LAG Niedersachsen a.a.O. – m.w.N.). Ansonsten müsste er die Dokumente/Daten, die der Verantwortliche von der betroffenen Person verarbeitet hat, bereits kennen, was auch im Hinblick auf die Art. 13 und 14 DSGVO nicht notwendig der Fall ist, wenn der Verantwortliche diesen Informationspflichten nicht nachkommt oder die Ausnahmetatbestände der Informationspflichten gem. Art. 13 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 5 DSGVO vorliegen. Es liegt vielmehr nach Geltendmachung der Ansprüche durch die betroffene Person am Verantwortlichen darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass er der betroffenen Person über alle oder bestimmte verarbeitete Daten dieser Person bereits Auskunft erteilt und/oder Kopien im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO erteilt hat und insoweit Ansprüche nicht mehr bestehen.
53
Gegen den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann der Arbeitgeber hingegen Einwände gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO erheben, wobei er für das Vorliegen von dessen Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig ist. Hingegen ist aus Sicht der erkennenden Kammer Art. 14 Abs. 5 b DSGVO bei Ansprüchen nach Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht, auch nicht analog, anwendbar. Während Art. 14 DSGVO im Gegensatz zu Art. 13 DSGVO die Informationspflicht regelt, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person selbst erhoben werden, also die aktive Pflicht des Verantwortlichen besteht, die erforderliche Transparenz außerhalb der Direkterhebung des Art. 13 DSGVO herzustellen, handelt es sich bei Art. 15 DSGVO um das Auskunftsrecht der von der Datenerhebung betroffenen Person im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Im Hinblick darauf, dass die betroffene Person die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und die Richtigkeit der von ihr verarbeiteten Daten prüfen können soll, geht Art. 15 DSGVO insoweit über die Informationspflicht des Verantwortlichen im Sinne der Art. 4 Nr. 7, 13 und 14 DSGVO hinaus. In diesem Zusammenhang regelt Art. 15 DSGVO hingegen nicht, wie in den Art. 13 Abs. 4 und 14 Abs. 5 DSGVO vorgesehen, die dort enthaltenen Ausnahmen, sondern regelt als Ausnahme ausschließlich, dass das Recht auf Erhalt einer Kopie die Rechte und Freiheiten anderer Person nicht beeinträchtigen darf. Als solche Rechte kommen die im Erwägungsgrund 63 S. 5 DSGVO genannten Rechte des Arbeitgebers am geistigen Eigentum und das Urheberrecht an Software in Frage. Darunter fallen insoweit auch Geschäftsgeheimnisse wie etwa Kunden- oder Lieferantendaten, Preisinformationen, Rezepturen, Informationen über interne Unternehmensabläufe, Werbekonzepte, Entwürfe, Kalkulationen, Bilanzen und Marktanalysen (vgl. hierzu etwa Schulte/Welge: Der datenschutzrechtliche Kopieanspruch im Arbeitsrecht in NZA 2019, Seite 1110 ff.). Diese nicht an die Einschränkungen der Art. 13 Abs. 4 und 14 Abs. 5 DSGVO heranreichende Ausnahme ist aus Sicht der erkennenden Kammer der Überprüfbarkeit der Verarbeitung über die personenbezogenen Daten der betroffenen Person durch diese geschuldet. Wenn der Verantwortliche eine Vielzahl von persönlichen Daten der betroffenen Person verarbeitet, würde dies bei einer analogen Anwendung, insbesondere der Vorschrift des Art. 14 Abs. 5 b DSGVO, dazu führen, dass gerade eine umfassende personenbezogene Datenerhebung zur Folge hätte, dass der Verarbeitende weder aktiv eine Auskunft, noch eine Auskunft in Folge der Initiative der von der Datenverarbeitung betroffenen Person schulden würde. Dies liefe hingegen Sinn und Zweck des Art. 15 DSGVO und des Datenschutzes an sich zuwider, wenn gerade der Verantwortliche, der besonders viele personenbezogene Daten einer betroffenen Person verarbeitet, eine Überprüfung seiner Datenverarbeitung durch die betroffene Person vermeiden könnte. Der Normzweck des Art. 15 DSGVO, der in der Transparenz und der Rechtmäßigkeitskontrolle der Verarbeitung durch die von der Verarbeitung betroffene Person liegt (siehe oben) wäre dadurch konterkariert. Im Hinblick darauf kann der Verarbeitende gegen seine Inanspruchnahme aus Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 3 DSGVO nicht einwenden, dass die Erteilung von Auskünften oder die zur Verfügung zu stellenden Kopien einen unverhältnismäßigen Aufwand für ihn erfordern würde. Falls ihm eine Auskunftserteilung und/oder die Zurverfügungstellung von Kopien hingegen objektiv oder schuldhaft unmöglich sein sollte, ist eine entsprechende Anwendung der Regelung in § 275 Abs. 1 BGB in Betracht zu ziehen.
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Im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO besteht hingegen ein Auskunftsrecht und ein Recht auf Zurverfügungstellung von Kopien nicht, wenn durch die Auskunft Informationen vom Verarbeiter offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen überwiegender berechtigter Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Dasselbe gilt, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 und des § 27 Abs. 2 DSGVO vorliegen. Der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz DSGVO und, nachdem der Kopieanspruch des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht weitergeht als der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz DSGVO auch dieser, kann vom Verarbeiter darüber hinaus dauerhaft gem. Art. 12 Abs. 5 Satz 2 b DSGVO verweigert werden, wenn die betroffene Person den Antrag häufig und/oder exzessiv stellt oder der Antrag offenkundig unbegründet ist, wobei der Verantwortliche gem. Satz 3 dieser Norm die Offenkundigkeit der Unbegründetheit des Antrags oder dessen exzessiven Charakter darzulegen und zu beweisen hat.
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2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich, dass der Kläger die im Tenor des vorliegenden Urteils wiedergegebenen, im Vergleich zu seinen Anträgen eingeschränkten, Ansprüche gegen die Beklagte hat.
56
a) Der Kläger hat Anspruch gegen die Beklagte auf die in I. 1. a) bis c) des Urteilstenors titulierten Informationen gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 2. Alt. lit. c), lit. g) und lit. h) DSGVO.
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aa) Über die Empfänger aller Verhaltens- und Leistungsdaten des Klägers, die bei der Beklagten verarbeitet wurden, hat die Beklagte dem Kläger Auskunft zu erteilen. Nachdem der Kläger den Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO nicht einfordert, sondern nur mittelbar über den Zurverfügungstellungsanspruch gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO einführt, hat die Beklagte allerdings keine konkrete Zuordnung zu leisten, welche konkreten Verhaltens- und/oder Leistungsdaten des Klägers sie wem offengelegt hat. Sie ist vielmehr lediglich gehalten, die Empfänger zu benennen, denen sie Verhaltens- und/oder Leistungsdaten des Klägers überhaupt offengelegt hat. Eine konkrete Zuordnung ist nicht beantragt und auch im Hinblick auf § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch das Gericht nicht auszusprechen. Die geforderte Auskunft wird dadurch der Beklagten auch nicht unmöglich, weil die Beklagte die Empfänger kennt bzw. kennen muss, denen sie Verhaltens- und/oder Leistungsdaten des Klägers offengelegt hat.
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bb) Dasselbe gilt für die vom Kläger gemachten Informationsansprüche gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 2. Alt. lit. g) DSGVO. Auch hier ist von der Beklagten Auskunft über die Herkunft der von ihr verarbeiteten streitgegenständlichen Daten des Klägers zu erteilen, hingegen eine Zuordnung der Daten mit ihrer Herkunft nicht herzustellen. Ob diese Auskünfte dem Kläger ohne Verbindung mit den konkret verarbeiteten Daten von Nutzen sind ist hingegen unbeachtlich, nachdem auch insoweit § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO vom Gericht zu beachten war.
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Insbesondere sind die Auskünfte auch für die verarbeiteten verhaltens- und/oder leistungsbezogenen Daten des Klägers zu erteilen, die in von der Beklagten betriebenen bzw. bei ihr vorhandenen IT-Systemen verarbeitet wurden.
60
(a) Betreffend Daten im CMS-System (als Speichersystem für die BPO-Akte) und die in den BPO-Akten, die der Kläger mit zwei konkreten Aktenzeichen benannt hat, bestreitet die Beklagte nicht, dass darin leistungs- und/oder verhaltensbedingte Daten des Klägers verarbeitet sind. Danach hat sie dem Kläger Auskunft zu erteilen über deren Herkunft, soweit sie nicht beim Kläger erhoben worden sind. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, sie habe sämtlichen Hinweisgebern und Zeugen Vertraulichkeit zugesichert und nur durch den Schutz der Integrität von Hinweisgebern könne sie sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter Vertrauen in das BPO-System zur Meldung möglicher Missstände in den Betrieben der Beklagten hätten und dieses auch tatsächlich nutzten und nur so ein funktionierendes Hinweisgebersystem sichergestellt werden könne, dringt sie nicht durch. Zwar ist der Informationsanspruch des Arbeitnehmers gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 2. Alt. DSGVO gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO durch Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt (siehe oben). Hingegen führt auch das Vorliegen eines Geheimhaltungsgrundes nicht zwangsläufig zum Recht, dem Auskunftsersuchenden die Information zu verweigern. Das Recht auf Information wird gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur eingeschränkt, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegend berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Danach kann die Beklagte nicht mit dem bloß abstrakten Hinweis auf ihr Hinweisgebersystem den Informationsanspruch gänzlich verweigern. Nur „soweit“ schützenwerte Interessen Dritter bestehen und diese in der gebotenen Einzelfallabwägung gegenüber dem Auskunftsanspruch als gewichtiger einzustufen wären, wäre eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs anzunehmen (so wörtlich auch Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18 – juris Rn. 208). Die für die Einzelfallabwägung maßgeblichen Tatsachen, die den Informationsanspruch des Klägers einschränken könnten, sind hingegen von der Beklagten nicht vorgetragen. Der bedingungslose Schutz der Anonymität, den die Beklagte Hinweisgebern gewährt, genügt nicht, um die Kammer davon zu überzeugen, dass die Geheimhaltungsinteressen des Hinweisgebenden das Informationsinteresse des Klägers an Kenntnis von der Herkunft der über ihn verarbeiteten verhaltens- und/oder leistungsbedingten Daten ohne Weiteres überwiegen würden. Danach ist die Beklagte gehalten, über die Herkunft der Daten Auskunft zu erteilen, soweit nicht bei jedem konkret erkennbaren Datum ( als Singular von Daten ) Rechte und Freiheiten anderer Personen im Sinne von Art. 15 Abs. 4 DSGVO oder überwiegende Geheimhaltungsinteressen gem. den §§ 34 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG beeinträchtigt sind. Diese Prüfung hat die Beklagte in jedem konkreten Fall vorzunehmen. Nur insoweit ist ihre Verpflichtung zur Offenbarung jeglicher Angabe der Herkunft der erhobenen Daten kraft Gesetzes von vornherein eingeschränkt. Anderweitige Einschränkungen wären darüber hinaus im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO, §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2 BDSG vorzunehmen. Der Kammer ist dabei bewusst, dass auch diese Ausnahmen zur Verlagerung von Streitigkeiten in das Vollstreckungsverfahren führen können, wahrscheinlich sogar häufig führen werden. Hingegen kann nur so dem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers aus Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO hinreichend Rechnung getragen werden, ohne die Rechte/Pflichten des verantwortlich datenverarbeitenden Arbeitgebers zu verletzen.
61
Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Information über die Herkunft von verhaltens- und/oder leistungsbedingten Daten im CMS-System/BPO-Akten in ihrem Schreiben vom 26. Juni 2020 nicht erfüllt. Sie hat im dortigen Anhang 1 die Herkunft der dort genannten Umstände nicht mitgeteilt. Neben den allgemein gehaltenen Hinweisen auf den Schutz von Hinweisgebern hat sie nämlich nicht konkret mitgeteilt, welche Rechte/Freiheiten/Geheimhaltungsinteressen des konkreten Hinweisgebers dadurch verletzt sein sollen und wenn ja, inwieweit diese Interessen des einzelnen Hinweisgebers die konkreten Interessen des Klägers an der Kenntnis von der Herkunft verarbeiteter verhaltens- und personenbezogenen Daten seiner Person überwiegen sollen.
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(b) Auch bei dem in den Betrieben der Beklagten vorhandenen und genutzten E-Mail-System ist davon auszugehen, dass verhaltensbedingte und/oder leistungsbedingte Daten des Klägers verarbeitet sind. Der Kläger behauptet dies jedenfalls konkludent und die Beklagte trägt insoweit – entgegen ihren Angaben für andere IT-Systeme – nicht vor, dass dort keine derartigen Daten über die Person des Klägers (mehr) enthalten seien. Nachdem die Beklagte mit ihrem Einwand eines unverhältnismäßigen Aufwands im Sinne des Art. 14 Abs. 5 b DSGVO nicht durchdringt (siehe oben), steht dem Kläger der Informationsanspruch auch bezüglich der streitgegenständlichen Daten in diesem System zu, allerdings auch hier beschränkt auf die Herkunft der Daten, ohne eine Verbindung der konkreten Daten mit ihrer Herkunft herstellen zu müssen. Soweit der Kläger insoweit einen bestimmten E-Mail-Verkehr herausgreift, nämlich den zwischen ihm und Herrn L. (zuletzt) im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017, ergibt sich nichts anderes. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass der Kläger hierauf selbst derzeit nicht zugreifen kann, nachdem an seinem aktuellen Arbeitsplatz bei der Beklagten dieser E-Mail-Verkehr für ihn selbst nicht mehr aufrufbar ist. Soweit die Beklagte betreffend diesen Anspruch ein Schriftsatzrecht im Berufungstermin im Hinblick darauf, dass der Kläger den Zeitraum dieses E-Mail-Verkehrs im Berufungstermin auf weitere sechs Monate erweiterte, beantragt hat, war dem nicht nachzukommen, weil dieser E-Mail-Verlauf und möglicherweise darin enthaltene Verhaltens- und/oder Leistungsdaten der Person des Klägers bereits Gegenstand des (zulässigerweise) weit gefassten Antrags des Klägers sind und die Beklagte bereits deshalb davon ausgehen musste, dass auch der „erweiterte“ Zeitraum des E-Mail-Verkehrs zwischen ihm und Herrn L. Gegenstand seines Antrags bereits von Beginn an war. Zwischen den Parteien ist darüber hinaus unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger Auskünfte über die Herkunft der in diesem E-Mail-System verarbeiteten verhaltens- und leistungsbezogenen Daten des Klägers nicht erteilt hat. Solche Auskünfte sind auch in ihrer schriftlichen Auskunft an den Kläger datiert vom 26. Juni 2020 (Anlage BK 1 – Bl. 191 bis 196 der Akten) nicht ersichtlich. Auch betreffend diese Informationsauskunftsansprüche gelten die oben genannten Einschränkungen gem. den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 Satz 2 und 34 Abs. 1 BDSG.
63
cc) Zuletzt hat der Kläger auch Anspruch auf Informationen gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 2. Alt. lit. h DSGVO über das Bestehen einer automatischen Entscheidungsfindung bei der Beklagten einschließlich Profiling und bei Bestehen einer solchen Entscheidungsfindung Anspruch auf aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger. Dazu hat die Beklagte, soweit für das Gericht ersichtlich, keine Ausführungen gemacht und auch dem Kläger nicht erkennbar Auskünfte erteilt und insoweit auch keine Erfüllung eingewandt.
64
dd) Die angeführten Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger erstrecken sich hingegen nicht auf die bei der Beklagten vorhandenen IT-Systeme My Feedback, My Contribution, Employee Satisfaction, My Points und bei Lead-IT-Performancebewertung. Insoweit war die Klage (ebenfalls) abzuweisen.
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In ihrem Schreiben an den Kläger vom 26. Juni 2020 hat die Beklagte dem Kläger die Auskunft erteilt, dass in diesen Systemen keine vom Kläger beanspruchten Daten mehr vorhanden seien, da diese gelöscht seien. Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Beklagte keine Auskunft über deren Herkunft mehr erteilen kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zwar nicht mehr über die Daten verfügt, hingegen noch Auskunft darüber erteilen kann, welche Herkunft die verarbeiteten, aber nicht mehr verfügbaren Daten hatten, bestehen nicht. Insoweit hat sie den Informationsauskunftsanspruch des Klägers im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Soweit der Kläger auf die von der Beklagten schriftsätzlich begründeten Einwände unter Verweis auf ihr Informationsschreiben an den Kläger vom 26. Juni 2020 „schon“ acht Monate später und „bereits“ zwei Tage vor dem Berufungstermin reagiert hat und eine falsche Auskunft der Beklagten betreffend das IT-System „My Feedback“ beanstandet, die von der Beklagten im Berufungstermin am 17. März 2021 erläutert wurde und dem Kläger insoweit von der Beklagten eine aktualisierte Auskunft unter dem Datum 16. März 2021 erteilt wurde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar traf die dem Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 26. Juni 2020 erteilte Auskunft – jedenfalls objektiv – insoweit nicht zu. Trotzdem hat die Beklagte in diesem Schreiben dem Kläger eine – objektiv falsche – Auskunft erteilt. Damit ist Erfüllung eingetreten. Dass die Auskunft objektiv falsch war, bringt den Erfüllungseinwand nicht zu Fall, denn die Beklagte hat eine konkrete Auskunft erteilt, nämlich dass keine verhaltens- und leistungsbedingten Daten des Klägers in diesem System mehr gespeichert seien. Ob diese objektiv falsche Auskunft zu Weiterungen/anderen Anträgen führen kann, ist vorliegend hingegen nicht streitgegenständlich. Im Hinblick darauf ist Erfüllung vor der erneuten aktualisierten Auskunft der Beklagten an den Kläger vom 16. März 2021 (Bl. 220 der Akten) eingetreten und war dem Kläger auf seinen Antrag hin kein Schriftsatzrecht zu dieser aktualisierten Auskunftserteilung der Beklagten einzuräumen.
66
b) Der Kläger hat gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihm eine Kopie einer verkörperten Zusammenstellung der von der Beklagten verarbeiteten Verhaltens- und Leistungsdaten des Klägers zur Verfügung stellt.
67
aa) Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass bei der Beklagten verhaltens- und personenbezogene Daten des Klägers im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet worden sind. Das zeigt sich bereits an der dem Kläger von der Beklagten unter dem Datum 26. Juni 2020 erteilten Auskunft, aus der sich ergibt, dass sie behauptet, Daten seien gelöscht worden und im Übrigen daraus, dass der Kläger die Verarbeitung von verhaltens- und leistungsbezogenen Daten seiner Person behauptet und die Beklagte dies nicht bestreitet.
68
bb) Der Kläger ist nicht gehindert, den Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO gegen die Beklagte geltend zu machen, obwohl er keinen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO, sondern (nur) einen Informationsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. 2. Alt. DSGVO erhoben hat (siehe oben). Dies deshalb, weil er mit der Zurverfügungstellung einer Kopie seiner personenbezogenen Daten, die bei der Beklagten verarbeitet (worden) sind, zugleich die Daten begehrt, die Gegenstand einer Auskunftserteilung der Beklagten nach Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO sind. Einer gesonderten Geltendmachung zur Auskunft bedarf es insoweit nicht, nachdem der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO nach Ansicht der erkennenden Kammer mit dem Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO korrespondiert bzw. Letzterer nicht über den Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO hinausgeht.
69
Danach ergibt sich ein umfassender Anspruch des Klägers auf die Zurverfügungstellung einer Kopie seiner bei der Beklagten verarbeiteten verhaltens- und leistungsbedingten Daten im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.
70
cc) Allerdings liegt es an der Beklagten, wie sie die Kopie bzw. eine Mehrzahl an Kopien der vom Kläger geforderten und bei ihr verarbeiteten einzelnen Daten gestaltet. Nachdem der Gesetzeswortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht von einer Ablichtung oder einem Ausdruck von verarbeiteten Daten spricht und der Gesetzeszweck des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO in der Transparenz und der Rechtmäßigkeitskontrolle der Verarbeitung liegt, besteht aus Sicht der erkennenden Kammer kein Anspruch der von der Datenverarbeitung betroffenen Person gegen den Verantwortlichen auf den Abdruck/Ausdruck/die elektronische Datei in der Form, in der die entsprechenden Daten der betroffenen Person beim Verantwortlichen verarbeitet worden sind. Bildhaft gewendet hat im vorliegenden Rechtsstreit der Kläger danach keinen Anspruch gegen die Beklagte auf den Ausdruck von E-Mails, in denen verhaltens- und/oder leistungsbezogene Daten über seine Person enthalten sind, keinen Anspruch auf den Ausdruck von Aktenauszügen der über die Person des Klägers geführten BPO-Akten oder der im von der Beklagten im Betrieb eingesetzten CMS-System gespeicherten verhaltens- und personenbezogenen Daten des Klägers. Vielmehr liegt es an der Beklagten, die in ihren IT-Systemen oder sonstigen elektronischen und/oder gegenständlichen/papierenen Systemen vorhandenen/gespeicherten verhaltens- und/oder leistungsbedingten Daten des Klägers ausfindig zu machen (im Sinne des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs.1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO) und diese dann dem von der Datenerhebung betroffenen Kläger verkörpert zusammengefasst zur Verfügung zu stellen. Ob sie von den einzelnen zu erteilenden Auskünften jeweils einfach Ablichtungen/Ausdrucke fertigt und diese dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt oder ob sie zunächst alle Auskünfte im Sinne des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO zusammenstellt und von einer von ihr gefertigten Zusammenstellung eine Ablichtung/einen Ausdruck dem Kläger zur Verfügung stellt, liegt an ihr. Dass der Kopieanspruch des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht über den Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Alt. DSGVO hinausgeht, ist oben bereits in den Grundsätzen dargelegt.
71
dd) Betreffend von der Beklagten erhobene Verhaltens- und/oder Leistungsdaten des Klägers im bei ihr betriebenen CMS-System und in den die Person des Klägers betreffenden BPO-Akten mit den vom Kläger genannten Aktenzeichen gilt nichts anderes. Bezüglich der von der Beklagten behauptetermaßen entgegenstehenden Interessen Dritter wird auf die Ausführungen unter B. II. 2. a) bb) (a) der Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils (Seiten 17 bis 19) verwiesen. Dies schließt es hingegen nicht aus, dass die Beklagte im konkreten Fall dem Kläger keine Kopien von Daten Dritter erteilt, wenn die Voraussetzungen der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 1 BDSG vorliegen (siehe auch hier B. II. 2. a) bb) (a) der Entscheidungsgründe).
72
ee) Dasselbe gilt für das bei der Beklagten vorhandene E-Mail-System und die vom Kläger ganz konkret geltend gemachte Korrespondenz zwischen ihm und Herrn L. in diesem E-Mail-System im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017. Auch insoweit wird vollinhaltlich auf die Entscheidungsgründe (B. II. 2. a) bb) (a)) des vorliegenden Urteils verwiesen.
73
ff) Die Verpflichtungen der Beklagten erstrecken sich auch bezüglich des Anspruchs nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht auf die bei der Beklagten vorhandenen IT-Systeme My Feedback, My Contribution, Employee Satisfaction, My Points und bei Lead-IT die Performancebewertung. Insoweit wird vollinhaltlich auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen B. II. 2. a) dd) dieses Urteils (Seiten 20, 21) verwiesen.
74
C. Nebenentscheidungen
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1. Nachdem die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg hat, tragen die Parteien die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz im Verhältnis ihres Obsiegens/Unterliegens gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da sowohl der im vorliegenden zweitinstanzlichen Rechtsstreit streitgegenständliche Informations- als auch der streitgegenständliche Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie nur eingeschränkt begründet ist, ist nur von einem hälftigen Obsiegen des Klägers auszugehen, was zu einer hälftigen Kostenquote führt.
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2. Betreffend die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz ergibt sich für die auch dort streitgegenständlichen Informations- und Zurverfügungstellungsansprüche nichts anderes. Darüber hinaus ist für die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu berücksichtigen, dass das Landesarbeitsgericht im Rechtsstreit 8 Sa 37/19 nur über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens befunden hat und zwar über die Kosten der Bestandsschutzstreitigkeiten und des Weiterbeschäftigungsanspruchs (Kündigungsschutzklage, Befristungskontrollklage des Klägers und dessen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch). Hingegen obliegt es betreffend die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz nunmehr der Kammer des Landesarbeitsgerichts, die über die erstinstanzlich mit den Bestandsschutzanträgen einheitlich entschiedenen Auskunfts- und Zurverfügungsstellungsansprüche zu entscheiden hat, auch über die gesamten Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu entscheiden. Im Hinblick darauf, dass der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage und seinem Weiterbeschäftigungsantrags obsiegt hat, hingegen mit seiner Befristungskontrollklage unterlegen ist und seinen allgemeinen Feststellungsantrag im Kammertermin am 27. März 2019 beim Arbeitsgericht zurückgenommen hat (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27. März 2019, Bl. 447 der Akten-ArbG) entspricht es unter Berücksichtigung eines hälftigen Obsiegens und Unterliegens bei den Auskunfts- und Zurverfügungsstellungsansprüchen, dass die Kosten des gesamten Rechtsstreits erster Instanz gem. den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO hälftig zu tragen sind.
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3. Die Revision ist für beide Parteien gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

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