LAG Hamm – 10 Sa 960/11

Kündigung wegen Krankheit – Fahrerlaubnis – Langzeiterkrankung – anderweitige Beschäftigung

Landesarbeitsgericht Hamm,  Urteil vom 16.12.2011, 10 Sa 960/11

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 12.05.2011– 2 Ca 1179/10 O – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen

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Tatbestand

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Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

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Der am 14.08.1956 geborene Kläger war seit dem 18.10.1993 bei der Beklagten, einer Spedition mit mehr als 10 Mitarbeitern, aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.10.1993 (Bl. 5 ff. d. A.) als Kraftfahrer zu einem durchschnittlichen Monatsverdienst von ca. 2.900,00 € brutto tätig. Die Beklagte setzt ca. 100 Silozüge und weitere 50 Subunternehmerzüge ein. In ihrem Betrieb beschäftigt sie unter anderem vier Disponenten. Dem Betrieb ist eine Reparaturwerkstatt angegliedert, in der zuletzt ein Meister, fünf Elektromonteure sowie Auszubildende beschäftigt sind.

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Im August 2010 suchte der Kläger seine Augenärztin zu einer Routineuntersuchung auf. Bei dieser Untersuchung wurden Hinweise auf eine ernste Augenerkrankung des Klägers gefunden. Der Kläger wurde daraufhin in der Klinik für Augenheilkunde der Universität M1 näher untersucht und am 07.10.2010 wegen eines Grünen Stars operiert. In einem Überweisungsschreiben der Klinik für Augenheilkunde der Universitätsklinik M1 an die Augenärztin des Klägers vom 10.11.2010 (Bl. 57 d. A.) heißt es unter anderem:

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"Wir bitten um regelmäßige Kontrollen, v. a. Sickerkissenbefund. Der IOD darf nicht über 14 steigen. Aufgrund des fortgeschrittenen Glaukomschadens mit GF-Ausfällen ist das Führen von LKWs nicht zulässig."

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Seit der Feststellung der Augenerkrankung des Klägers kam es zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien über den weiteren Einsatz des Klägers im Betrieb der Beklagten. Die Einzelheiten dieser Gespräche sind streitig. Streitig ist auch, ob das Schreiben der Universitätsklinik M1 vom 10.11.2010 der Beklagten anlässlich dieser Gespräche vorgelegt worden ist und ob der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er wegen seiner Augenerkrankung seine Tätigkeit als LKW-Fahrer nicht mehr ausüben könne.

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Mit Schreiben vom 29.11.2010 (Bl. 4 d. A.), das dem Kläger noch im November 2010 zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die fortdauernde Beeinträchtigung des Sehvermögens des Klägers zum 30.11.2010, hilfsweise zum 31.05.2011.

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Auf die Bitte des Klägers nach einer "kleinen Anerkennung" hinsichtlich seiner langjährigen Tätigkeit erklärte sich die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto bereit. Die Abfindung wurde alsdann abgerechnet und der Nettobetrag an den Kläger ausgezahlt.

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Mit der am 09.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.11.2010 geltend.

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Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage unterbreitete die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 03.03.2011 (Bl. 88 ff. d. A.) ein Angebot auf Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses als Kraftfahrer. Dieses Angebot wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers namens des Klägers mit Schreiben vom 07.03.2011 (Bl. 91 d. A.) mit der Begründung zurück, dass dem Kläger die Erbringung seiner Arbeitsleistung als Kraftfahrer nicht mehr möglich sei, obwohl er nach wie vor im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis sei.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29.11.2010 sei sowohl als fristlose wie auch als fristgemäße Kündigung unwirksam. Hierzu hat er behauptet, dass er seine Tätigkeit als Kraftfahrer weiter erbringen könne. Seine Fahrerlaubnis habe er nicht verloren, obwohl seine Sehkraft beeinträchtigt sei. Insbesondere habe er gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass er nicht in der Lage sei, weiterhin Lastkraftwagen zu fahren. Insofern liege allenfalls ein Missverständnis vor.

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Der Kläger hat weiter behauptet, er könne auch mit anderen Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten eingesetzt werden.

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Insoweit könne er etwa als Beifahrer eingesetzt werden, um neue Fahrer anzulernen und in den Umgang mit den Silowagen der Beklagten einzuweisen.

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Weiter könne er als Fahrer für die Geschäftsführung tätig werden. Nach der Bescheinigung der Klinik für Augenheilkunde der Universitätsklinik M1 sei lediglich festgestellt worden, dass er keine LKWs mehr fahren dürfe.

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Darüber hinaus sei eine Stelle als Fuhrparkleiter zum Zeitpunkt der Kündigung vakant gewesen. Diese Stelle hätte die Beklagte mit dem Kläger – mindestens nach Durchführung entsprechender Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen – besetzen können. Aufgrund seiner 17jährigen Berufserfahrung als LKW-Fahrer verfüge der Kläger über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen, um eine derartige Tätigkeit ordnungsgemäß erbringen zu können.

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Weiter könne der Kläger auch als Disponent tätig werden – wiederum zumindest nach vorherigen Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen –.

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Schließlich könne der Kläger auch in der Werkstatt der Beklagten eingesetzt werden. Er verfüge über eine Berufsausbildung als Elektromonteur und habe eine 17jährige Berufserfahrung als Kraftfahrer. Zu seinen Aufgaben habe auch die Wartung und Überwachung der ihm anvertrauten Fahrzeuge gehört, hierzu sei entsprechender technischer Sachverstand erforderlich, über den er verfüge.

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Letztlich könne der Kläger auch Hausmeistertätigkeiten im weitesten Sinne im Betrieb der Beklagten erbringen.

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Der Kläger hat beantragt,

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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2010 beendet wurde.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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widerklagend den Kläger zu verurteilen,

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an die Beklagte 1.500,00 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger aufgrund seiner Augenerkrankung nicht mehr in der Lage sei, LKW zu fahren und als Kraftfahrer eingesetzt zu werden. Das habe der Kläger am 29.11.2010 in einem mit der Beklagten geführten Gespräch unmissverständlich erklärt. Der Kläger habe weiter erklärt, dass er die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wünsche und sich bereits am 30.11.2010 arbeitslos melden wolle, da er nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Nachdem bereits vor dem Ausspruch der Kündigung über eine Abfindung gesprochen worden sei, habe der Kläger nach Erhalt des Kündigungsschreibens erneut um die Zahlung einer Abfindung gebeten. Daraufhin sei dem Kläger gegenüber erklärt worden, dass darauf zwar kein Anspruch bestünde, man aber bereit sei, eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto zu zahlen. Der Kläger habe hierüber seine Freude zum Ausdruck gebracht.

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Die Kündigung vom 29.11.20120 sei auch deshalb wirksam, weil anderweitige Einsatzmöglichkeiten im Betrieb der Beklagten für den Kläger nicht bestünden. Es seien keine freien Stellen vorhanden, auf denen der Kläger unter Berücksichtigung seiner Augenerkrankung beschäftigt werden könne. Zwar habe man mit dem Kläger über eine Beifahrertätigkeit gesprochen. Eine solche Stelle hätte aber extra für den Kläger eingerichtet werden müssen und sei auch nur Übergangslösung für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gedacht gewesen. Der Kläger habe aber von Anfang an erklärt, dass er eine solche Beifahrertätigkeit nicht verrichten wolle.

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Auch eine freie Stelle als Fahrer für die Geschäftsleitung sei nicht vorhanden gewesen. Eine derartige Stelle hätte eigens für den Kläger eingerichtet werden müssen, aber auch einen derartigen Einsatz habe der Kläger ausdrücklich abgelehnt. Eine derartige Stelle sei auch bis heute im Betrieb der Beklagten nicht geschaffen worden.

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Für eine Tätigkeit als Fuhrparkleiter oder als Disponent komme der Kläger nicht in Betracht. Entsprechende Stellen seien nicht frei gewesen und auch im Laufe der Kündigungsfrist nicht frei geworden. Für eine derartige Tätigkeit benötige die Beklagte jedoch einen ausgebildeten Speditionskaufmann. Über derartige Qualifikationen verfüge der Kläger nicht.

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Auch in der Reparaturwerkstatt der Beklagten seien keine Stellen frei. Dort seien fünf Monteure und ein Meister beschäftigt. Eine Stelle sei dort nicht zu besetzen. Darüber hinaus sei der Kläger auch für diese Tätigkeit nicht qualifiziert.

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Schließlich gebe es auch keine sonstige Monteur- oder Hausmeisterstelle im Betrieb der Beklagten. Die Beklagte beschäftige lediglich einen Mitarbeiter, der sich um die Gartengestaltung kümmere und der seit vielen Jahren im Unternehmen sei und nicht versetzt werden könne.

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Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass sie das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, jedenfalls aber unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist hätte beenden dürfen. Dem Kläger stehe aufgrund seines Verhaltens auf keinen Fall eine Abfindungszahlung zu. Diese setze begriffsnotwendig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Widerklage abzuweisen.

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Durch Urteil vom 12.05.2011 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.11.2010 nicht beendet worden ist. Darüber hinaus hat es die Klage, soweit sie sich gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31.05.2011 wendete, sowie die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung des klagestattgebenden Urteils hat es ausgeführt, die Kündigung vom 29.11.2010 sei als außerordentliche Kündigung unwirksam, weil ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen habe. Die gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung sei jedoch sozial gerechtfertigt, weil der Kläger aufgrund seiner Augenerkrankung seit November 2010 nicht mehr in der Lage sei, einen LKW zu führen. Dies ergebe sich aus dem Schreiben aus der Universitätsklinik vom 10.11.2010. Aus welchen Gründen der Kläger sich trotz der ärztlichen Aussage in der Lage sehe, weiterhin LKW zu fahren, habe er nicht dargelegt. Es sei auch nicht behauptet worden, dass die Aussage der Klinik für Augenheilkunde fehlerhaft sei. Darüber hinaus habe er über seinen Prozessbevollmächtigten das Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses ausdrücklich abgelehnt und unmissverständlich erklären lassen, dass er sich aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme mit den Augen nicht mehr in der Lage sehe, eine Tätigkeit als LKW-Fahrer wahrzunehmen. Andere Einsatzmöglichkeiten für den Kläger im Betrieb der Beklagten seien nicht erkennbar. Jedenfalls seien keine freien Stellen vorhanden, auf denen der Kläger weiterbeschäftigt werden könne. Für einen Einsatz des Klägers als Fuhrparkleiter, als Disponent oder in der Werkstatt fehle es dem Kläger auch an den erforderlichen Qualifikationen. Die Widerklage der Beklagten sei unbegründet, weil der Kläger aufgrund der mit der Beklagten abgeschlossenen Abfindungsvereinbarung nicht ungerechtfertigt bereichert sei.

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Gegen das dem Kläger am 19.05.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 17.06.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.08.2011 mit dem am 03.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

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Nachdem der Kläger durch gerichtliches Schreiben vom 08.08.2011, beim Kläger eingegangen am 09.08.2011, darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der bis zum 02.08.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.08.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 11.08.2011, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

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Unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiterinnen L2-R1 vom 11.08.2011 (Bl. 139 d. A.) und der Mitarbeiterin B2 vom 11.08.2011 (Bl. 140 d. A.) und vom 14.09.2011 (Bl. 162 f. d. A.) ist der Kläger der Auffassung, ihm müsse Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden. Die von seinem Prozessbevollmächtigten diktierte Berufungsbegründung sei am Vormittag des 01.08.2011 geschrieben und zum Postversand fertig gemacht worden. Sie sei noch am selben Tag zum Hauptpostamt in K2, spätestens gegen 17.20 Uhr, gebracht worden. Die Mitarbeiterin B2 habe das Büro bereits um 17.15 Uhr verlassen und die ordnungsgemäß kuvertierte und frankierte Post noch am selben Tage im Hauptpostamt K2 übergeben. Das Hauptpostamt in K2 sei nur wenige hundert Meter vom Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers entfernt. Die Leerungszeiten an dem am Hauptpostamt angebrachten Briefkasten seien von montags bis freitags 14.45 Uhr, 16.30 Uhr und 17.30 Uhr. Das Hauptpostamt habe bis 18.00 Uhr geöffnet. Angesichts dieser Umstände habe der Kläger die Postverzögerung um einen Tag nicht zu vertreten. Die normale Postlaufzeit betrage einen Tag. Im Normalfall hätte die Berufungsbegründung am 02.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingehen müssen. Hierauf habe sich der Kläger verlassen dürfen.

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Es bestehe auch keine Pflicht, von Möglichkeiten des Faxversandes Gebrauch zu machen. Ebenso wenig gebe es eine Pflicht zur Erkundigung über den rechtzeitigen Eingang eines Schriftsatzes beim angerufenen Gericht.

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In der Sache ist der Kläger der Auffassung, auch die von der Beklagten am 29.11.2010 ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe über den 31.05.2011 hinaus fort. Das Arbeitsgericht habe insbesondere nicht ausreichend berücksichtigt, dass alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger im Betrieb der Beklagten bestanden hätten. Dies gelte zunächst für eine Beschäftigung als Fahrer für die Geschäftsleitung. Eine derartige Tätigkeit habe der Kläger nicht strikt abgelehnt. Ebenso wenig habe der Kläger eine Stelle als Beifahrer für anzulernende LKW-Fahrer abgelehnt. Auch eine derartige Stelle hätte von der Beklagten für den Kläger geschaffen werden können, um der Weiterbeschäftigungsverpflichtung nach § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG zu genügen.

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Darüber hinaus sei der Kläger auch in der Werkstatt als Monteur einsetzbar. Der Kläger habe als ausgebildeter Elektroinstallateur eine handwerkliche Vorbildung und könne auf eine 17jährige Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zurückblicken. Ein Einsatz als Monteur in der Werkstatt sei mindestens nach entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen möglich, weil der Kläger bereits eine langjährige Berufserfahrung als Lkw-Fahrer habe. Er könne Wartungsarbeiten wie beispielsweise Öl- und Filterwechsel, Abschmieren, Kontrollen der Bereifung, Bremsen, Beleuchtung, Bremsenstand und Bremsenwirkung vornehmen. Ihm seien auch Arbeiten an Zugmaschinen und Auflieger geläufig. Dazu gehörten insbesondere das Wechseln der Räder, der Austausch defekter Teile wie etwa Spiegel, Beleuchtung, Schmutzfänger und Scheibenwischer sowie Luftanschlüssen und Kompressor. Er könne Luftleitungen erneuern, Ventile wechseln, Materialschläuche kontrollieren, Dichtungen austauschen, Handlaufgeländer und Klappleiterteile wechseln, Domdeckel und Dichtungen erneuern, Materialschieber austauschen oder gangbar machen, Auflockerungstücher wechseln und Kurbelmechanik kontrollieren. Er könne auch weitere Arbeiten in der Waschhalle oder Botentätigkeiten ausführen, die in der Werkstatt anfielen.

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Darüber hinaus behauptet der Kläger, dass die Beklagte in der Werkstatt zum 01.01.2011 eine Stelle neu besetzt habe, weil ein Werkstattmitarbeiter als Kraftfahrer eingesetzt worden sei. Diese Stelle habe mit dem Kläger besetzt werden können.

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Der Kläger beantragt,

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wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

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sowie unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 12.05.2011 – 2 Ca 1179/10 O – festzustellen, dass das zwischen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.11.2010 nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, die Berufung sei schon unzulässig, weil der Kläger die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ihm nicht zu gewähren. Der Kläger habe die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe nicht von normaler Postlaufzeit von einem Tag ausgehen dürfen. Ihm hätten sichere und zumutbare Übermittlungswege zur Verfügung gestanden, um die Berufungsbegründungsfrist in jedem Falle einzuhalten. Er hätte die Berufungsbegründung dem Landesarbeitsgericht auch mit Telefax zusenden können. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Anwaltsbüro des Klägers von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, insbesondere angesichts der knapp bemessenen Frist – die Berufungsbegründung sei angeblich erst am 01.08.2011 gefertigt worden – hätte es nahe gelegen, für eine rechtzeitige Übermittlung per Telefax zu sorgen.

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Dem Klägervertreter hätte es auch oblegen, am 02.08.2011 sich bei Gericht zu erkundigen, ob der Schriftsatz ordnungsgemäß eingegangen sei. Es hätte dann noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, den Schriftsatz vorab per Telefax noch am 02.08.2011 zu übermitteln. Auch dies sei nicht geschehen. Das Unterlassen dieser Möglichkeiten beruhe offensichtlich auf einem Organisationsverschulden des Anwaltsbüros.

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Darüber hinaus sei die Berufung des Klägers unbegründet. Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung gerichtet habe. Auch mit der Berufung lege der Kläger nicht ausreichend dar, welcher konkrete Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten frei gewesen sei, auf dem der Kläger hätte weiterbeschäftigt werden können. Einen Einsatz auf den möglichen Stellen, die die Beklagte noch habe einrichten müssen, habe der Kläger definitiv abgelehnt. Stellen als Beifahrer für anzulernende Lkw-Fahrer oder als Fahrer der Geschäftsführung seien im Betrieb der Beklagten nicht vorhanden. Anlässlich der mit dem Kläger über die Weiterbeschäftigung geführten Gespräche sei es lediglich eine Idee gewesen, den Kläger – bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – auf derartigen Stellen zu beschäftigen. Diese Idee hätte sich aber bereits zerschlagen, nachdem der Kläger einen derartigen Arbeitseinsatz abgelehnt habe.

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Der Kläger sei auch in der Werkstatt der Beklagten nicht einsetzbar. Der Kläger sei kein ausgebildeter Kfz-Mechaniker. Es mache eben einen deutlichen Unterschied, einen Lkw zu fahren oder ihn zu reparieren. Hierzu sei ein technisches Know-how erforderlich, über das der Kläger nicht verfüge. Selbst ausgebildete Kfz-Mechaniker seien nur mit Spezialkenntnissen in der Lage, Lkw zu reparieren. Dazu sei mindestens eine dreijährige Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker mit entsprechender Weiterbildung im Bereich Lkw erforderlich und notwendig.

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Auch in der Werkstatt sei, wie die Beklagte erneut behauptet, keine Stelle frei gewesen. Richtig sei zwar, das ein Mitarbeiter aus der Werkstatt zum 01.01.2011 als Kraftfahrer eingesetzt worden sei. Diese Stelle sei aber nicht neu besetzt worden, weil die Werkstatt ohnehin überbesetzt gewesen sei.

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Der Kläger könne auch nicht als Fuhrparkleiter oder als Disponent im Betrieb der Beklagten eingesetzt werden. Eine derartige Stelle sei zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht frei gewesen. Darüber hinaus verfüge der Kläger nicht über eine entsprechende Ausbildung.

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Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

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I. Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil vom 12.05.2011 ist zulässig.

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1. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 c) ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt worden, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519 ZPO.

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Der Kläger hat aber die zweimonatige, nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG bis zum 02.08.2011 verlängerte Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten. Die Frist zur Begründung der Berufung war am 02.08.2011 abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist keine Berufungsbegründung durch den Kläger beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

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2. Wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist war dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das form- und fristgerecht eingelegte Wiedereinsetzungsgesuch des Klägers vom 11.08.2011 ist zulässig und begründet.

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Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Er ist am 11.08.2011 und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Antrag ist auch formgemäß gestellt, die den Antrag begründenden Tatsachen sind glaubhaft gemacht, § 236 ZPO. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14.09.2011 und mit der eidesstattlichen Versicherung vom 14.09.2011 das Wiedereinsetzungsgesuch weiter begründet hat, dient diese Begründung nur der Ergänzung des fristgerechten Antrages vom 11.08.2011.

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Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch nach § 233 ZPO begründet. Der Kläger war ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Weder kann dem Kläger ein eigenes Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorgehalten werden, noch liegt ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor.

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a) Zu den Aufgaben eines Rechtsanwaltes gehört es, wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung von Fristen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz – wie eine Berufungsbegründung – innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingereicht wird. Zur Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen Frist ist der Anwalt verpflichtet, Vorkehrungen zur Vermeidung von Büroversehen zu treffen. Die Anforderungen an die Büroorganisation eines Anwalts sind streng. Der Anwalt muss durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichen Umfang ausschließen (BGH 13.06.1996 – VII ZB 13/96 – NJW 1996, 2513; BVerfG 30.05.2007 – 1 BvR 756/07 – NJW 2007, 2839). Im Fall der Übertragung von Aufgaben auf Büroangestellte muss durch eine wirksame Ausgangskontrolle sichergestellt werden, dass Fehler beim Versenden der fristwahrenden Schriftstücke möglichst vermieden werden. Der Anwalt muss durch geeignete allgemeine Anweisungen auf einen verlässlichen, Fristversäumnisse möglichst vermeidenden Geschäftsgang hinwirken (BGH 13.06.1996 – VII ZB 13/96 – NJW 1996, 2513; BGH 12.08.1997 – VI ZB 13/97 – NJW 1997, 3243; BGH 27.03.2001 – VI ZB 7/01 – MDR 2001, 779; BGH 05.11.2003 – XII ZB 140/02 – NJW-RR 2004, 350 m.w.N.).

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b) Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Klägers trifft weder den Kläger noch seinen Prozessbevollmächtigten ein Verschulden daran, dass die Berufungsbegründung vom 01.08.2011 erst am 03.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist auch nicht deshalb erkennbar, weil die Berufungsbegründung vom Klägervertreter nicht per Fax zum Landesarbeitsgericht gesandt worden ist oder weil die Berufungsbegründung vom 01.08.2011 erst am 01.08.2011 gegen 17:20 Uhr zur Post gegeben worden ist.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG 23.08.1999 – 1 BvR 1138/97 – NJW 1999, 3701; BVerfG 04.04.2000 – 1 BvR 199/00 – NJW 2000, 2657) und der obersten Gerichtshöfe (BGH 18.07.2007 – XII ZB 32/07 – NJW 2007, 2778; BGH 23.01.2008 – XII ZB 155/07 – NJW-RR 2008, 930; BGH 20.05.2009 – IV ZB 2/08 – NJW 2009, 2379; BGH 09.02.2010 – IX ZB 34/09 – VersR 2011, 508; BAG 28.01.2010 – 2 AZR 1008/08 – AP BGB § 626 Nr. 227; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 233 Rn. 36 ff., 39; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 223 Rn. 23 "Postverkehr" m.w.N.) dürfen einem Prozessbeteiligten Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Bundespost nicht als Verschulden zugerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post-AG für den Normalfall festgelegt werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß abzugeben, das es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post-AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Dabei darf eine Parteien grundsätzlich auch darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (so ausdrücklich: BGH 18.07.2007 – XII ZB 32/07 – NJW 2007, 2778; BGH 20.05.2009 – IV ZB 2/08 – NJW 2009, 2379; BGH 09.02.2010 – XI ZB 34/09 – VersR 2011, 508). Etwas anderes gilt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Einzelfall mit längeren Postlaufzeiten zu rechnen ist.

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Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten kein Verschulden deshalb angelastet werden, weil die Berufungsbegründung vom 01.08.2011 erst am 01.08.2011 gegen 17:20 Uhr zur Versendung durch die Deutsche Post-AG gegeben worden ist. Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter hat glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründung am Abend des 01.08.2011 gegen 17:20 Uhr zur Post gegeben worden ist. Damit war die Versendung spätestens am 01.08.2011 sichergestellt. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter durften darauf vertrauen, dass der Schriftsatz vom 01.08.2011 am Folgetag, dem 02.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingehen werde. Bei der Versendung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bzw. sein Büropersonal, wie glaubhaft gemacht worden ist, die Leerungszeiten bei der Deutschen Post-AG in K2 beachtet. Der Klägervertreter war danach nicht verpflichtet, die Berufungsbegründung vom 01.08.2011 neben der Aufgabe zur Post am 01.08.2011 zusätzlich zum Landesarbeitsgericht zu faxen.

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Es lagen auch keine Besonderheiten vor, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen könnten. Der 01.08.2011 war ein Montag, die Berufungsbegründungsfrist lief am Dienstag, den 02.08.2011 ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte mit der Aufgabe der Berufungsbegründung vom 01.08.2011 noch am 01.08.2011 gegen 17:20 Uhr alles in seinem Verantwortungsbereich liegende getan, dass sie nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen das Landesarbeitsgericht fristgerecht erreichen konnte.

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Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten war der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht gehalten, sich am Tag des Fristablaufes – am 02.08.2011 – durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts von einem rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu überzeugen. Hat ein Anwalt ein Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben und damit alles Erforderliche zur Wahrung der gesetzlichen Frist veranlasst, wird eine Erkundigungspflicht nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht nur ausgelöst, wenn ein eindeutiger Grund besteht, anzunehmen, dass etwas fehlgelaufen ist. Nur wenn ein konkreter Anlass gegeben ist, an dem fristgemäßen Zugang eines Schriftstückes zu zweifeln, wie dies etwa bei einem Poststreik der Fall sein kann, kann ein Anwalt gehalten sein, bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang des fristgebunden Schriftsatzes zu fragen (BAG 05.05.1995 – 4 AZR 258/95 – AP ZPO 1977 § 233 Nr. 38; BAG 23.02.2005, 10 AZR 413/04 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 271; BAG 06.10.2010 – 7 AZR 569/09 – NZA 2011, 477 Rn. 13; BVerfG 12.01.2000 – 1 BvR 222/99 – NZA 2000, 446; BGH 06.07.2000 – VII ZB 4/00 – NJW 2000, 2823; BGH 01.07.2002 – II ZB 11/01 – NJW-RR 2002, 1289 m.j.w.N.). Besonderheiten, die Anlass gaben, an dem fristgerechten Zugang der Berufungsbegründung vom 01.08.2011 noch am 02.08.2011 zu zweifeln, sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.

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II. Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet.

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Zu Recht hat das Arbeitsgericht der gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 29.11.2010 zum 31.05.2011 gerichteten Klage nicht stattgegeben, sondern sie mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

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1. Die Kündigung vom 29.11.2010 ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

71

Sowohl die Beschäftigungszeit des Klägers im Betrieb der Beklagten als auch die Größe des Betriebes der Beklagten rechtfertigen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

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Die Kündigungsschutzklage ist auch rechtzeitig erhoben worden, § 4 KSchG.

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Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger vom 29.11.2010 ist nicht sozial ungerechtfertigt, weil sie durch Gründe, die in der Person des Klägers liegen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

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a) Kündigungsgründe in der Person des Arbeitnehmers sind solche, die auf persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers beruhen. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht mehr besitzt, um zukünftig die geschuldete Arbeitsleistung – ganz oder teilweise – zu erbringen (BAG 20.05.1988 – 2 AZR 682/87 – AP KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 9; BAG 18.01.2007 – 2 AZR 731/05 – AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 26 m.w.N.).

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Zu den personenbedingten Gründen, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können, gehört neben den Fällen häufiger Kurzerkrankungen und lang andauernden Erkrankungen nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch der Fall der dauernden Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die dauernde krankheitsbedingte Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann eine ordentliche fristgerechte Kündigung rechtfertigen. Aufgrund der Erkrankung steht nämlich bereits fest, dass der Mitarbeiter nicht mehr in der Lage sein wird, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, insoweit ist das arbeitsrechtliche Austauschverhältnis praktisch auf Dauer gestört (BAG 05.08.1976 – 3 AZR 110/75 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 1; BAG 28.02.1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25; BAG 19.04.2007 – 2 AZR 239/06 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 45; BAG 12.07.2007 – 2 AZR 716/06 – AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28; KR/Griebeling, 9. Aufl., § 1 KSchG Rn. 375; ErfK/Oetker, 12. Aufl., § 1 KSchG Rn. 127; APS/Dörner, 3. Aufl., § 1 KSchG Rn. 188 m.w.N.).

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b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben. Der Kläger ist nicht – mehr – in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als LKW-Fahrer zu erbringen. Aus gesundheitlichen Gründen ist er an der Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf Dauer gehindert.

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Nach dem Arbeitsvertrag vom 18.10.1993 ist der Kläger als Kraftfahrer im Betrieb der Beklagten eingestellt worden. Zu seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörte ins-besondere die Führung eines LKWs. Dieser Tätigkeit kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen, nachdem im November 2010 die Klinik für Augenheilkunde der Universität M1 dem Kläger bescheinigt hat, dass das Führen von LKW aufgrund des fortgeschrittenen Glaukomschadens nicht mehr zulässig ist. Unstreitig leidet der Kläger an einem Grünen Star. Obgleich der Kläger nach wie vor im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist, ist ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung als Kraftfahrer eines Lastkraftwagens nicht mehr möglich. Dies hat der Kläger sowohl durch das an die Beklagte gerichteten Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2011 (Bl. 91 d. A.) wie auch durch ausdrückliche Erklärung im Termin vor der Berufungskammer vom 16.12.2011 selbst eingeräumt. Gegen die entsprechenden Feststellungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil hat der Kläger mit der Berufung auch keine Einwendungen erhoben. Hiernach steht auch zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger keinen LKW nicht mehr führen kann. Wegen seiner Augenerkrankung ist er an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung auf Dauer gehindert.

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2. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt auch keine anderweitige Beschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten in Betracht.

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a) Richtig ist zwar, dass eine personenbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn keine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, bei den die gesundheitlichen Mängel entweder gar nicht oder nur unbedeutend zu Tage treten werden. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz – gegebenenfalls auch zu geänderten Bedingungen – schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eine krankheitsbedingte Kündigung aus (BAG 24.11.2005 – 2 AZR 514/04 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43; BAG 19.04.2007 – 2 AZR 239/06 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 45; BAG 30.09.2010 – 2 AZR 88/09 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49; ErfK/Oetker, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 106 m.w.N.).

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Insoweit sind jedoch lediglich freie Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen. Als frei sind nur diejenigen Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung unbesetzt sind oder die mit Ablauf der Kündigungsfrist frei werden (BAG 29.03.1990 – 2 AZR 369/89 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50; BAG 01.03.2007 – 2 AZR 650/05 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164; ErfK/Oetker, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 106, 250 m.w.N.).

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Hinsichtlich der Möglichkeit der anderweitigen Weiterbeschäftigung gilt im Kündigungsschutzprozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Dazu muss der Arbeitnehmer allerdings substantiiert Stellung zu nehmen. Dazu genügt es im Allgemeinen nicht, dass er eine anderweitige Beschäftigung fordert. Vielmehr muss wenigstens deutlich werden, wie er sich seine weitere Tätigkeit vorstellt und an welche Art der Beschäftigung er denkt. Erst auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muss der Arbeitgeber dann eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei (BAG 05.08.1976 – 3 AZR 110/75 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 1; BAG 17.09.1998 – 2 AZR 419/97 – AP BGB § 626 Nr. 148; BAG 22.09.2005 – 2 AZR 208/05 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; BAG 10.05.2007 – 2 AZR 263/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; BAG 30.09.2010 – 2 AZR 88/09 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49; ErfK/Oetker, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 179, 181 a, 264 m.w.N.).

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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte im vorliegenden Rechtsstreit nicht davon ausgegangen werden, dass im Betrieb der Beklagten freie Arbeitsplätze vorhanden gewesen sind, auf denen der Kläger mit seiner gesundheitlichen Einschränkung beschäftigt werden konnte. Mit Ausnahme der Stelle eines Monteurs hat der Kläger schon keine freien Arbeitsplätze bezeichnet, auf denen er weiterbeschäftigt werden konnte.

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aa) Dies gilt zunächst für die Stelle eines Beifahrers für Kraftfahrer, die auf den Silozügen der Beklagten angelernt werden müssen, sowie für die Stelle eines Fahrers für die Geschäftsführung der Beklagten. Bei beiden Stellen handelt es sich unstreitig nicht um freie Arbeitsplätze, sondern um Stellen, die die Beklagte nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst hätte einrichten müssen, als man über eine Weiterbeschäftigung des Klägers in mehreren Gesprächen nachgedacht hat. Bereits aus diesem Grunde kam es nicht darauf an, ob der Kläger eine Weiterbeschäftigung auf derartigen Stellen abgelehnt hat oder nicht.

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bb) Soweit der Kläger sich eine Weiterbeschäftigung im Betrieb der Beklagten als Fuhrparkleiter oder als Disponent vorgestellt hat, ist ebenfalls unstreitig, dass es sich insoweit nicht um freie Arbeitsplätze im Betrieb der Beklagten gehandelt hat. Darüber hinaus kommt eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Fuhrparkleiter oder als Disponent ohnehin schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger eine entsprechende Tätigkeit – ungeachtet seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung – aufgrund mangelnder Vor- und Ausbildung nicht ausüben kann. Die Stelle eines Fuhrparkleiters oder eines Disponenten ist mit der Stelle eines Kraftfahrers nicht vergleichbar. Unstreitig beschäftigt die Beklagte auf diesen Stellen Mitarbeiter mit einer entsprechenden kaufmännischen Ausbildung, über die der Kläger nicht verfügt.

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cc) Schließlich kommt auch eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Monteur in der Werkstatt der Beklagten nicht in Betracht.

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Zwar hat der Kläger substantiiert vorgetragen, dass ein Mitarbeiter aus der Werkstatt zum 01.01.2011 – und damit innerhalb der Kündigungsfrist – als Kraftfahrer eingesetzt worden sei. Ob es sich bei dieser Stelle um einen freien Arbeitsplatz gehandelt hat oder ob diese Stelle nicht frei gewesen ist, weil sie nach den Behauptungen der Beklagten aufgrund Überbesetzung der Werkstatt nicht neu besetzt worden ist, ist zwar zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz streitig geworden. Die Berufungskammer brauchte aber auch dieser Frage nicht weiter nachzugehen, weil der Kläger aufgrund seiner mangelnden Vorbildung auch nicht als Monteur in der Werkstatt der Beklagten weiterbeschäftigt werden kann. Die Berufungskammer kann dabei unterstellen, dass der Kläger auch Wartungsarbeiten an Lastkraftwagen sowie sämtliche weiteren Tätigkeiten zu verrichten in der Lage ist, die er in der Berufungsbegründung im Einzelnen genannt hat. Dies sind aber nicht diejenigen Tätigkeiten, die ein ausgebildeter Kfz-Mechaniker überwiegend in der Reparaturwerkstatt der Beklagten normalerweise verrichtet. Die Beklagte beschäftigt in ihrer Werkstatt ausschließlich ausgebildete Kfz-Mechaniker. Über eine derartige Berufsausbildung verfügt der Kläger nicht. Die Ausbildung als Elektroinstallateur ist mit der Ausbildung eines Kfz-Mechanikers nicht vergleichbar. Eine Stelle eines Mitarbeiters in der Werkstatt, der lediglich Wartungs- und sonstige Hilfsarbeiten ausübt, ist in der Werkstatt nicht vorhanden.

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Nach alledem hat das Arbeitsgericht die gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 29.11.2010 zum 31.05.2011 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

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Der Streitwert für das Berufungsverfahren war neu festzusetzen, weil lediglich der Kläger, soweit er unterlegen gewesen ist, Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt hat, § 63 GKG. Gemäß § 42 Abs. 3 GKG war der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.700,00 € festzusetzen. Dies entspricht dem Wert des dreifachen Monatsverdienstes des Klägers.

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Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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Vorinstanz:  Arbeitsgericht Arnsberg, 2 Ca 1179/10 O

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